Von: apa
Die Grüne Spitzenkandidatin Lena Schilling und Parteichef Werner Kogler haben am Donnerstag ihr EU-Wahlprogramm mit dem Titel “Weil uns die Zukunft Europas am Herzen liegt” präsentiert. Damit will man die Antwort auf multiple Herausforderungen wie die Bedrohung durch Russland, eine etwaige Präsidentschaft Donald Trumps in den USA und den Umgang mit KI geben. “Über all dem droht aber immer noch eine Klimakrise”, stellte Schilling klar, worauf der Hauptfokus gelegt wurde.
Es gehe um nicht weniger als unsere Lebensgrundlage, betonte die Spitzenkandidatin. Dass Klimaschutz das Thema ist, das die Aktivistin am meisten bewegt, bezweifelt wohl niemand. Entgegnen müsse man dem Klimawandel auf internationaler Ebene: “Surprise, der Klimawandel scheißt auf nationale Grenzen”, so Schilling.
Der Klimawandel sei “die härteste Nuss, die wir lösen müssen”, und zwar in ganz vielen Bereichen. Deshalb fordern die Grünen einen “Europa-Tarif”: Zugstrecken zwischen zwei europäischen Hauptstädten sollen Reisende maximal 10 Cent pro Kilometer kosten, was beispielsweise eine Fahrt von Wien nach Berlin für maximal 68 Euro ermöglichen soll. Den Rest solle die EU bezahlen. Mit Flügen von Privatjets quer durch Europa solle Schluss sein.
Wichtig sei ebenso, der “Natur Raum zu geben”, durch ein ordentliches Renaturierungsgesetz. Hier sei die Europäische Volkspartei “ihrer eigenen Kommissionspräsidentin in den Rücken gefallen” und habe sich dem Gesetz gemeinsam mit “Meloni & Co” in den Weg gestellt.
Ein Herzensanliegen sei ihr auch die Einbindung junger Menschen in die Politik, betonte Schilling. Das Wahlprogramm sieht vor, Jugendorganisationen mit mehr EU-Geldern zu unterstützen. Alle Gesetzesvorschläge sollten verpflichtend darauf geprüft werden, welche Auswirkungen sie auf die nachfolgenden Generationen haben. Ebenso wollen die Grünen alle Mitgliedstaaten davon überzeugen, dass alle Jugendlichen in der EU bei Europawahlen ab 16 Jahren wählen können, wie das auch in Österreich möglich ist.
Es gehe um “nicht mehr und nicht weniger als die liberale Demokratie”, betonte auch Kogler die Ernsthaftigkeit dieser Wahl. Er sei gegen “Kleinstaaterei”, das Match laute “geeintes Europa versus Retro-Nationalstaatlichkeit”. Und “Retro” finde man derzeit fast überall: “Frauen zurück an den Herd, überall gibt es diese Tendenzen, nicht nur in Salzburg und Niederösterreich”, kritisierte er die von ÖVP und FPÖ regierten Bundesländer.
Die Grünen legen in ihrem Wahlprogramm die Schwerpunkte auf Klimapolitik, Demokratie und Menschenrechte und Fortschritt. So dürfe man “nicht länger an der Drogennadel der Ölbarone und Gaslobbyisten hängen”, zeichnete Kogler ein düsteres Bild. Europa müsse sich komplett mit selbst produzierter, sauberer Energie versorgen. Bis 2030 soll es genug Windkraftwerke für eine Kapazität von 500 Gigawatt und doppelt so viel Sonnenstrom (1 Terawatt) geben, konkret ist etwa von 40.000 neuen Windrädern in ganz Europa die Rede. Ehrgeizige Projekte, in den Städten unnötige Betonflächen loszuwerden, sollen zu 90 Prozent aus EU-Mitteln gefördert werden.
Im Kapitel “Herz statt Hetze” wollen die Grünen kritische Stimmen wie Journalisten und Aktivisten aus autoritären Regimen wie Russland stärken: “Die EU muss diese Menschen gezielt aufnehmen und sie mit aller Kraft schützen und unterstützen, damit sie ihre Arbeit in Sicherheit fortsetzen können.” Auch brauche es besseren Schutz für Whistleblower. Für Korruption in der EU dürfe es “null Toleranz” geben, ein unabhängiges Ethikgremium für alle EU-Institutionen solle nicht nur Empfehlungen abgeben, sondern auch effektiv Kontrolle durchsetzen können. Auch unterstützen die Grünen die Ausweitung der Strafbarkeit der Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten. Mitgliedstaaten sollen keine EU-Fördermittel mehr erhalten, “solange sie sich nicht an die Regeln der Rechtsstaatlichkeit halten”.
Außerdem schwebt den Grünen vor, die EU im Bereich der grünen Zukunftstechnologien “an die Spitze” zu bringen. “Dafür fordern wir ein Investitionsprogramm für die Industrie von morgen sowie einen Beihilferahmen für Transformation”, heißt es im Wahlprogramm. Darüber hinaus wollen die Grünen den Zugang zu wirksamen und leistbaren Medikamenten sicherstellen. Die Produktion wichtiger Medikamente solle wieder in die EU verlagert werden, auch fordern die Grünen einen gemeinsamen Einkauf von Medikamenten in der EU. Schlupflöcher im Steuersystem solle die EU schließen, “damit Konzerne auch wirklich ihren fairen Beitrag zahlen”.
Mehr Menschlichkeit brauche es in der Asyl- und Migrationspolitik. Schluss sein müsse mit illegalen Pushbacks, es brauche schnellere Verfahren und einen gerechten Verteilungsschlüssel. “Bisher muss man sagen, übernimmt Österreich viel mehr Verantwortung als etwa Ungarn oder die Slowakei”, sagte Schilling.
Eine Bedrohung ortete Kogler “von innen durch Rechtsextreme, von außen durch Putin”. Aber “hinter den Kulissen sind die eh verheiratet”. Die Wahl sei deshalb eine Richtungsentscheidung. “Wir werden die Welt nicht alleine retten, aber wenn Europa nicht vorausgeht, werden wir ein Problem haben”.