Von: mk
Bozen – Zum „Tag der Armut“ hat die Landesregierung darauf hingewiesen, dass die Geldleistungen von Seiten des Landes für Familien mit sehr niedrigem Einkommen rückläufig seien: Dies deute – so das positive Fazit – auf eine verbesserte Einkommenssituation dieser Familien hin.
Aus Sicht der Grünen Landtagsabgeordneten Brigitte Foppa, Hans Heiss und Riccardo Dello Sbarba ist dies eine kuriose Argumentation, die bei vielen Bürgerinnen und Bürgern Unmut ausgelöst habe. „Denn so gesehen würde es ja genügen, das soziale Mindesteinkommen um die Hälfte zu reduzieren – um anschließend festzustellen, dass die Armut um die Hälfte reduziert wurde. Ziemlich verquer!“, meinen die Grünen.
Die Armut auf die Ausgaben fürs Soziale Mindesteinkommen zu reduzieren, sei schon vom Ansatz her völlig unzureichend. „Im Sinne von klaren Aussagen und ziel führenden Maßnahmen, bräuchte es vorab eine fundierte Analyse der Einkommenslage und sozialen Situation von Menschen in Armut. Eine in dieser Hinsicht viel versprechende Studie aus dem Jahr 2012 (mit ESF-Geldern finanziert!) wurde bis heute nicht veröffentlicht. Die letzte Armutskonferenz gab es im Jahre 2007; eine Wiederauflage wäre überfällig.
Kritisch zu untersuchen sind dann aber auch die Einschränkungen in Gesetzgebung und Verwaltung im Hinblick auf die Kriterien für die Gewährung der verschiedenen Sozialhilfeleistungen, von denen das soziale Mindesteinkommen zwar wichtig, aber eben nur ein Teilaspekt ist“, erklären die Grünen.
Sie verweisen auf folgende Restriktionen: „Der Grundbetrag für die finanzielle Sozialhilfe ist 2016 nicht der Inflation angepasst worden; eine steigende Anzahl von Menschen in Südtirol ist von vornherein vom Sozialhilfebezug ausgeschlossen (siehe Flüchtlinge, welche „auf eigene Faust“ nach Südtirol kommen); Nicht-EU-BürgerInnen werden, anders als in Vergangenheit, erst später zur Sozialhilfe zugelassen und auch schneller wieder ‚aus ihr entlassen‘. Die Ausdehnung der EEVE auf den Bereich des sozialen Wohnbaus (mit Mietgeld und der Zusammenlegung mit der Sozialhilfe) hat bekanntlich die ökonomische Situation von Mietern verschlechtert. Von Armut zu reden, ohne diese Daten zu berücksichtigen, ist verfälschend. Die Möglichkeit ist nicht mehr gewährleistet, dass Sozialhilfeempfänger gegen Leistungskürzung oder -ablehnung – wegen mangelnder Wahrnehmung der Pflicht zur Selbsthilfe – Verwaltungsrekurs ans Land einlegen können.“
Anstelle von „vorschnellen und halbwahren Freudenmeldungen“ fordern die Grünen künftig ein ständiges Monitoring der sozialen Situation von Menschen „am Rande“, um die Maßnahmen der Armutsbekämpfung richtig setzen zu können.
„Daran knüpft sich eine ständige Evaluation der bestehenden Instrumente des Staates, der Region und des Landes zu Bekämpfung der Armut. In diesem Zusammenhang sollte man auch die Neuordnung des Mietgeldes andenken und prüfen, welche Auswirkung dies auf die materielle Situation von SozialhilfeempfängerInnen hat. Weiters sollte Südtirol, wie Österreich, das Familiengeld nicht in die Mindestsicherung einrechnen. Wenn es eingerechnet wird – so wie in Südtirol – profitieren Sozialhilfeempfänger nicht von den Erhöhungen des Familiengeldes. Die Effekte der Familienpolitik werden von der Sozialhilfe ‚aufgefressen‘“, bemängeln die Grünen.
Armut sei zu komplex und zu vielschichtig, um sie auf die Ausgabenentwicklung einer – wenn auch wichtigen – Leistung zu reduzieren. Am Tag der Armut daran zu erinnern, sei notwendig und redlich, so die Grünen.
Südtirol biete insgesamt einen gut organisierten Schutz vor extremer Armut. Aber es seien weitere mutige Schritte notwendig, fordern die Grünen: „Ständiges Monitoring und Analyse/Evaluation; eine Reform der Mindestsicherung, die Leistungen des Staates, der Region und des Landes zu einem organischen Gesamtsystem verbindet; Wahrnehmung der Kompetenzen, die dem Land durch das bestehende Statut mit Durchführungsverordnungen bereits einräumt (z.B. Einbau der staatlichen Leistungen bei Arbeitslosigkeit ins Mindestsicherungssystem); eine ständige Plattform aller öffentlichen Stellen, der Sozialpartner, der Sozialverbände und Freiwilligen, der Bildungseinrichtungen, des Wohnbaues, der Freizeit, der Gesundheit u.a. im Sinne einer ständigen konzertierten Aktion gegen Armut in Südtirol und außerhalb.“
„Die Schere zwischen Arm und Reich geht weltweit auseinander. Sozialpolitik ist kein Bremsklotz gegen wirtschaftliche Entwicklung, sondern eine Grundvoraussetzung für Wohlstand und Demokratie. Auch daran sollte man zum Tag der Armut erinnern“, erklären Foppa, Heiss und Dello Sbarba abschließend.