Von: mk
Bozen – Das Wachstum des Tourismus in Südtirol liegt vor aller Augen: Er hält gegenwärtig (2017) bei ca. 32,4 Mio. Nächtigungen und bei 7,4 Mio. Ankünften von Gästen. Das ist zwar nicht so viel wie im Bundesland Tirol mit rund 47 Mio. Nächtigungen, dennoch befindet sich unser Land unter den Top-Destinationen im Alpenraum. Die Zunahme des Wachstums zeigt sich im Zehnjahresvergleich: 2007 zählte man in Südtirol erst 27,4 Mio. Übernachtungen; inzwischen sind es fünf Mio. mehr. Darauf machten die Grünen im Rahmen einer Pressekonferenz aufmerksam. Für sie ist die Entwicklung mittlerweile bedenklich.
Das Wachstum war lange Zeit von einem mäßigen Ausbau der Beherbergungsbetriebe und der Bettenzahlen begleitet, seit 2016 aber ist der Zuwachs in beiden Bereichen mehr als beeindruckend: Mehr und größere Betriebe, dazu eine Vielzahl neuer Betten bestimmen die Situation.
„Allein 2016/17 wurde im Beherbergungsbereich ein neu verbautes Raumvolumen (Kubatur) von 260.000 Kubikmeter erreicht; das ist in kurzer Frist vielleicht mehr als der Neuzuwachs im gesamten sozialen Wohnbau seit dem Jahr 2007. Dieser rasante Wachstumstrend bei der gastgewerblichen Kubatur läuft 2018 verstärkt weiter, wie unsere heutigen Beispiele zeigen“, so die Grünen.
Der Zuwachs der Betten zeige ähnliche Tendenz: Nach dem Raumordnungsgesetz gilt für Südtirol eine sog. Gesamtbettenanzahl für Beherbergungsbetriebe im fest gelegten Ausmaß von 229.088 Betten. Dieses 1997 eingeführte Limit schien lange Zeit fern, noch im Jahr 2006 waren erst 216.326 Betten erreicht. Nun aber schießt das Kontingent neuer Betten beeindruckend nach oben: In nur einem Jahr ist die Zahl um ca. 4000 auf 223.987 gewachsen und die offizielle „Obergrenze“ nicht mehr fern.
Die Folgen der Entwicklung liegen laut den Grünen – unbeschadet der Positiv-Effekte für Konjunktur und Beschäftigung – auf der Hand: Es kommen zu einer Belastung von Lebensqualität und der Verkehrssituation zulasten der Einheimischen.
„Der Anstieg des Tourismus bedeutet eine wachsende Belastung durch intensive Gäste-Präsenz und starke Verkehrsdichte: Wanderwege, Ortskerne, Gasthöfe und Straßen sind nicht nur zu Saisonspitzen chronisch überfüllt. Die Belastungen für Natur und Umwelt liegen auf der Hand“, so die Grünen.
Der Bauboom verändere außerdem das Landschaftsbild: „Bauvolumina im Überformat verändern Südtirols Landschaft einschneidend: Viele großformatige Gastbetriebe gleichen in ihrer Funktion als „Produktionsstätte von Dienstleistungen“ einem Gewerbebetrieb, der aber – zum Unterschied von Gewerbehallen – häufig an schönsten und sichtbarsten Stellen des Landes platziert ist.“
Familienbetriebe kämen zudem unter Druck: „Der Bettenanstieg begünstigt vor allem größere Betriebe, während die Südtirol-typischen, kleinen Familienbetriebe zunehmend unter Druck geraten, wenn sie nicht gar vom Markt gehen. Die Bildung größerer Unternehmen macht diese aber auch anfälliger: In Krisensituationen droht der Verkauf an Konzerne, aber auch die Umwandlung in Apartments und Zweitwohnungssitze.“
Der in den letzten Monaten sprunghaft gewachsene Mangel an Arbeitskräften lege laut den Grünen die Frage nahe, ob damit der Wettbewerb um gut qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht weiter angeheizt wird.
Die Grünen haben in den letzten Monaten Ausmaß, Ausdehnung und Architektur einiger neuer Hotelbetriebe dokumentiert: „Uns bereitet es große Sorge, welche Bauvolumen kurzfristig und problemlos genehmigt werden, unter Inanspruchnahme der weit gespannten Möglichkeiten der Raumordnung.“
Die Grüne fordern eine Verlangsamung, wenn nicht ein Moratorium für diese Entwicklung, und machen hierzu folgende Vorschläge: Sie plädieren für ein Stopp für alle weiteren Tourismusentwicklungskonzepte (TEK), für eine Revision der TEK vor allem in stark erschlossenen Gemeinden und für die Beibehaltung der bisherigen Gesamtbettenanzahl für Südtirol, anders als im künftigen Landesraumordnungsgesetz vorgesehen.
Außerdem plädieren die Grünen dafür, dass im künftigen Gesetz für „Raum und Landschaft“ touristische Neubauten auf Zonen nur innerhalb der Siedlungsgrenze beschränkt werden. Zudem sollten keine sogenannten „Sondernutzungsgebiete“, wie im Gesetzesentwurf (Art. 33) vorgesehen, zugelassen werden. Es brauche genaue Richtlinien und Grenzen für alle Erweiterungen und keine Abweichung von urbanistischen Planungsinstrumenten.
In einem eigenen Diskussionsforum zwischen Verbänden, Sozialpartnern, Wissenschaft und Umweltorganisationen sollten laut den Grünen die Perspektiven des Tourismus eingehend zu erörtert werden. Nicht denkbar sei im Tourismus ein „Weiter so!“, das den Charakter Südtirols, seine Landschaft, Natur, aber auch seine Gesellschaft und den Arbeitsmarkt spürbar zum Negativen verändern würde, sind die Landtagsabgeordneten der Grünen, Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba überzeugt.