Von: luk
Bozen – Wenn das Grün aus Pflaster- und Asphaltritzen sprießt, so ist das vielen Gemeinden ein Dorn im Auge. Zumeist wird den ungeliebten Gewächsen mit Chemie zu Leibe gerückt. “Alternativen werden kaum in Betracht gezogen. Seit einigen Jahren wird jedoch über die Bestandteile der verwendeten Herbizide intensiv debattiert; Studien, die die Schädlichkeit der Herbizide für Flora, Fauna und für den Menschen belegen, finden zunehmend Gehör. Der am häufigsten verwendete Bestandteil in Herbiziden ist Glyphosat. In Südtirol wurden im Jahr 2012 gut 11.000 Liter flüssiges und elf Kilogramm festes Glyphosat verkauft. Es ist Bestandteil des beliebten „Unkrautvernichtungsklassikers“ Roundup. Allein im Südtiroler Straßendienst werden jährlich 1.500 Liter davon eingesetzt”, so die Grünen.
“Dabei wurde Glyphosat von der IARC (Internationale Krebsforschungsagentur) als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Auch wenn Auswirkungen und langfristige Folgen des Herbizideinsatzes nicht gänzlich geklärt sind, so sind viele Menschen europaweit in Sorge über die Gefahren für Lebewesen, die biologische Vielfalt und ihre eigene Gesundheit”, so die Grünen. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union konnten sich jedoch bisher nicht zu einem einheitlichen Verbot von Glyphosat durchringen. Im Jahr 2016 stimmten von 28 Mitgliedsstaaten 19 für eine Verlängerung, sieben enthielten sich, Frankreich und Malta stimmten dagegen. Der Ball ging zurück an die Europäische Kommission, die eine Verlängerung der Zulassung um 18 Monate veranlasst hat. Die Verhandlungen beginnen nun wieder von vorne. Am 17. Mai 2017 hat die Kommission den Mitgliedsstaaten vorgeschlagen, Glyphosat für weitere zehn Jahr zuzulassen. Den Staaten wird freigestellt, ein Verbot zu erlassen. Die Kommission beruft sich auf Studien, die Glyphosat als nicht krebserregend, nicht genverändernd und nicht gefährlich für die Fortpflanzung einstufen.
“Erste Reaktionen der Glyphosat-Gegner fielen hart aus und das vollkommen zu Recht. Während die Verhandlungen vollkommen intransparent unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden, sammelt seit Anfang 2017 eine Europäische BürgerInneninitiative Unterschriften gegen Glyphosat, um ein endgültiges Verbot des Herbizids zu erreichen. Nach nur vier Monaten hat die Initiative bereits in acht Ländern 750.000 der notwendigen eine Millionen Unterschriften gesammelt. Jede Unterschrift ist eine Stimme gegen das Unkrautbekämpfungsmittel und zeigt, dass es den europäischen Bürgerinnen und Bürgern ernst ist. Sie verweisen auf das Vorsorgeprinzip der Europäischen Union. Es gebietet bei fehlender Gewissheit über möglicherweise schädliche (Langzeit-)Auswirkungen für Mensch und Umwelt vorbeugend zu handeln, damit eventuelle Schäden gar nicht erst eintreten können”, erklären die Grünen.
“Unabhängig von den Entscheidungen auf EU-Ebene aber können Gemeinden aktiv werden und sich für einen schonenderen Umgang mit dem Straßenunkraut einsetzen. Denn meistens wird die Chemiekeule gegen Gras, Moos, Kräuter, usw., die aus Asphalt und Pflaster sprießen, aus ästhetischen Gründen geschwungen. Für ein wenig „Entkrautung“ mit dem Ziel einer „gepflegten“ grauen Pflaster- oder Asphaltfläche die Verunreinigung von Grundwasser, das Sterben von Lebewesen oder die menschliche Gesundheit aufs Spiel zu setzen, erscheint keinesfalls angemessen.
Anders als oft angenommen, ist der Wildwuchs nicht für Schäden in den Bodenbelägen verantwortlich. Vielmehr sprießt das Grün im bereits beschädigten Belag, in dem sich nährstoffreiche Sedimente ablagern können, einfach besser”, so die Grünen heute auf einer Pressekonferenz.
Außer Frage stehe die Tatsache, dass Sicherheit Vorrang hat: “Dementsprechend dürfen Wege nicht rutschig und komplett uneben sein; Regenwasser muss ablaufen können. Um notwendige Maßnahmen durchzuführen, müssen jedoch nicht chemische Mittel zum Einsatz kommen.
Eine Vielzahl an schonenderen Möglichkeiten der Unkrautbeseitigung steht zur Verfügung. Diese thermischen und mechanischen Methoden wurden in Südtirol bereits erfolgreich getestet: Sie reichen vom Bürsten über das Mähen, Jäten, Abschaben bis hin zum Einsatz von Hochdruckreinigern, Abflammgeräten und den Einsatz von Heißwasserdampf”, erläutern die Grünen.
Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz hat dafür eigens die Broschüre „Alternativen zum Herbizideinsatz. Nichtchemische Verfahren zur Unkrautbekämpfung“ herausgegeben. In Vorarlberg hat die Landesregierung die Anleitung „Es geht auch ohne Herbizide. Pflegeanleitung für Straßen, Wege, Plätze“ verfassen lassen, wobei sich zeigt: Information zahlt sich aus. Über die Auswirkungen von Herbiziden informierte und mit deren Alternativen vertraute Gemeinden wie auch Privatpersonen lassen von chemischen Mitteln ab und gewähren der Natur ein wenig mehr Platz oder steigen auf andere, sanftere Mittel um.
“Um vorbeugende und bekämpfende Maßnahmen durchführen und die notwendige Arbeitskraft dafür bereit stellen zu können, hat sich in einigen Gemeinden die Anstellung von PraktikantInnen, die Ausschreibung von Sommerjobs oder der Freiwilligeneinsatz von Flüchtlingen als gute Option erwiesen.
Lösungen sind also ausreichend vorhanden, es gilt nun, diese im Sinne von Umwelt- und Gesundheitsschutz in die Tat umzusetzen”, so die Grünen, die den Gemeindeausschuss auffordern, auf das Ausbringen von chemischen Herbiziden auf den öffentlichen Flächen zu verzichten und Bevölkerung sowie Ämter und Gemeindebedienste über Gefahren und Alternativen zu informieren.