Von: mk
Bozen – Am Sonntag gehen die 24. Olympischen Winterspiele in China zu Ende und sie gelten schon jetzt als die „un-nachhaltigsten“ Spiele aller Zeiten. Südtirol hat es in der Hand, die Spiele 2026 weniger klima- und umweltschädlich zu veranstalten. Dazu braucht es eine Kehrtwende der Politik und Investition der Olympia-Millionen einzig in nachhaltige Projekte. Dies erklären zumindest der Heimatpflegeverband Südtirol, der Dachverbands für Natur- und Umweltschutz, Mountain Wilderness, die Plattform Pro Pustertal, die Lia per Natura y Usanzes, Peraltrestrade Dolomiti, Italia Nostra, WWF Italia, Mava Seggo und Protect our Winters Italy.
Olympische Spiele gingen an der Umwelt nicht spurlos vorüber: „Es werden jedes Mal tausende Tonnen Beton in neue Infrastrukturen gepumpt, Massen an Menschen und Equipment müssen transportiert und versorgt werden. Aber: Werden frühzeitig und konsequent die Hauptprobleme Infrastrukturbau und motorisierter Individualverkehr angepackt können die negativen Auswirkungen der Olympischen Spiele auf die Umwelt und die Lebensqualität der Anwohner möglichst geringgehalten werden.“
Problem motorisierter Individualverkehr
Neue und breitere Straßen würden neuen Verkehr erzeugen, erklären die Umweltschützer. Trotzdem würden Italien und vor allem auch Südtirol die in Übermaßen fließenden Olympiagelder nutzen wollen, um eine Vielzahl von Straßenausbauten zu realisieren. Eines der markantesten Beispiele dafür sei die geplante neue Anbindung der Pustertaler Staatsstraße an die Straße ins Höhlensteintal, obwohl diese bereits gut funktionierte „Dieser Maximaleingriff führt teilweise durch Natura 2000-Gebiete“, warnen die Verbände. Dazu kämen der Ausbau der Pustertaler Straße, der Ausbau der Kreuzungen Richtung Olang, Antholz und Sexten, der Ausbau der Verbindung zwischen St. Kassian und Cortina, die geplante Erweiterung vieler Passstraßen mit sogenannten Fahrradtrassen und vieles mehr. In Cortina selbst seien riesige Parkplätze und Garagen geplant. „Damit wird eine Potenzierung des motorisierten Individualverkehrs im Pustertal und Richtung Cortina mit allen negativen Begleiterscheinungen für Mensch und Umwelt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht nur in Kauf genommen, sondern generalstabsmäßig geplant und forciert. Der öffentliche Personennahverkehr bleibt dagegen weiterhin Stiefkind“, so die Umweltschützer.
„Großteil der Ressourcen muss in den öffentlichen Personennahverkehr fließen“
Als nachhaltiges Vorzeigeprojekt wird von den Verantwortlichen immer wieder der Bau der Riggertalschleife für die olympischen Spiele 2026 genannt. „Wenn aber ein seit Jahrzehnten dringend notwendiges Infrastrukturprojekt für den öffentlichen Personennahverkehr für seine Umsetzung auf olympische Spiele warten muss, dann zeigt das vor allem eines: Dass die nachhaltigen Verkehrsmittel auf der Prioritätenliste der politisch Verantwortlichen ganz weit unten stehen. Wenn die Olympia-Investitionen im Verkehrswesen tatsächlich einen nachhaltigen Nachhall und einen Nutzen für die Bevölkerung haben sollen, dann müssen sie zu 100 Prozent in die Vermeidung von Verkehr, den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs und in Strukturen für Fußgänger und Radfahrer fließen. Die Spiele dauern knapp zwei Wochen, die Infrastrukturen müssen die Lebensqualität der Menschen für die darauffolgenden Jahrzehnte verbessern“, so die Vereinigungen.
„Keine neuen Großstrukturen“
In Italien stünden bereits zwei Olympia-Eiskanal-Ruinen, für Olympia 2026 werde in Cortina für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag die nächste zukünftige Ruine errichtet. „Das zeigt die grundsätzliche Problematik des Systems Olympia: Statt bereits bestehende Sportanlagen zu verwenden, werden für jeden neuen Austragungsort auf Kosten der lokalen Bevölkerung und Umwelt neue Großstrukturen aus dem Boden gestampft, die nach den Spielen oft nicht mehr verwendet werden. Viele davon belasten die lokale Bevölkerung und die Umwelt über Jahrzehnte und manches Projekt würde ohne die Olympischen Spiele gar keine Genehmigung erhalten“, erklären die Verbände. So sollen etwa in Cortina mehrere Skiverbindungen umgesetzt werden und in Antholz ist unter anderem die Anlage eines neuen Speicherbeckens mitten im bisher unberührten Wald vorgesehen, obwohl Landeshauptmann Arno Kompatscher im Sommer 2019 noch verkündet habe, dass „die bestehende Infrastruktur bereits auf dem neuesten Stand sei und keine größeren Eingriffe benötigen würde“.
Die Austragung der Wettbewerbe in bereits bestehenden Anlagen sei eine Möglichkeit um den ökologischen Fußabdruck der Spiele so klein wie möglich zu halten. So könnte für die Winterspiele 2026 zum Beispiel „eine der modernsten Eiskanal-Anlagen der Welt“ im nahen Igls bei Innsbruck verwendet werden, erklären die Verbände.
Umweltverträglichkeitsprüfung und Klima-Check für Olympia
Wenn den politischen Entscheidungsträgern mit ihren Aussagen zur nachhaltigen Austragung der olympischen Winterspiele 2026 tatsächlich ernst ist, dann müsse jede Investition auf ihre Umwelt- und Klimaverträglichkeit geprüft und monitoriert werden. Die Umweltverbände fordern deshalb eine Umweltverträglichkeitsprüfung und einen Klima-Check für Olympia. Außerdem müsse die Nachhaltigkeit der Winterspiele durch einen standardisierten Prozess bewertet und unter ständige Beobachtung gestellt werden.
Die Entwicklung der letzten Jahre zeige, dass Sportgroßveranstaltungen immer öfter an Diktaturen vergeben werden, damit man sich der Frage der Nachhaltigkeit für Mensch und Umwelt nur auf dem Papier stellen muss. So sagte etwa der langjährige Präsident des Internationalen Skiverbands und langjähriges Mitglied des IOC (Internationales olympisches Komitee) Gian Franco Kasper 2019: „Es ist nun einmal so, dass es für uns in Diktaturen einfacher ist, ich will mich nicht mit Umweltschützern herumstreiten.“
Doch nur ein großes Umdenken würde langfristig – vor allem auch bei uns in den Alpen – den Fortbestand der Olympischen Spiele sichern. „Südtirol, das zum begehrtesten nachhaltigsten Lebensraum Europas werden will, steht 2026 gleich in doppeltem Scheinwerferlicht“, so die Verbände.