Von: APA/dpa/Reuters/AFP
Im Rahmen einer Waffenruhe-Vereinbarung sind am Sonntag im Gazastreifen die ersten drei Geiseln nach israelischen Militärangaben von der radikalislamischen Hamas an das Rote Kreuz übergeben worden. Laut Hamas wird die nächste Geiselübergabe am kommenden Samstag erfolgen. Im Gegenzug sollen palästinensische Häftlinge – darunter Frauen und Minderjährige – aus israelischen Gefängnissen entlassen werden.
Bei den am Sonntag freigekommenen Geiseln sich bei ihnen um die Zivilistinnen Romi Gonen (24), Emily Damari (28) und Doron Steinbrecher (31). Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie die drei Frauen in einem Fahrzeug in Gaza von einer großen Menge umringt wurden. Bewaffnete Hamas-Mitglieder begleiteten sie und drängten die Menschen zurück. Die Geiseln stiegen aus dem Fahrzeug aus. Laut Rotem Kreuz sind die drei Zivilistinnen in guter Verfassung.
Terroristen hatten die Frauen während des Massakers in Israel am 7. Oktober 2023 verschleppt und seitdem im Gazastreifen festgehalten. Für die drei Frauen sollen später rund 90 palästinensische Häftlinge – vor allem Frauen und Minderjährige – aus israelischen Gefängnissen entlassen werden.
Romi Gonen wurde vom Nova-Musikfestival nahe der Grenze zum Gazastreifen entführt und dabei verletzt. Der Vater der 24-Jährigen sagte der Nachrichtenseite ynet vor der Freilassung, die Familie habe mehr als 11.000 Stunden auf diesen Moment gewartet. Die beiden anderen Frauen wurden aus ihren Häusern im Kibbuz Kfar Aza als Geiseln entführt. Emily Damari hat neben der israelischen auch die britische Staatsbürgerschaft. Doron Steinbrecher besitzt zusätzlich die rumänische Staatsangehörigkeit.
Freudenfeiern von Angehörigen
Freunde und Angehörige reagierten mit Freudenfeiern. Auf dem “Platz der Geiseln” klatschten und jubelten zahlreiche Menschen, nachdem die Freilassung der jungen Frauen bestätigt worden war. Tausende von Menschen drängten sich auf dem Platz im Zentrum von Tel Aviv. Freunde von Emily Damari feierten ihre Freilassung nach mehr als 15 Monaten in der Gewalt der Hamas ausgelassen. Einer von ihnen nahm dabei eine Reporterin des israelischen Fernsehens auf die Schultern und tanzte, während diese weiter über die dramatischen Ereignisse berichtete.
Im Gazastreifen werden nun noch 94 aus Israel Verschleppte festgehalten. In den kommenden sechs Wochen, der ersten Phase des Deals, sollen noch 30 weitere Geiseln freigelassen werden. In einer Woche sollen zunächst weitere vier Entführte freikommen. Laut Hamas soll die nächste Übergabe am kommenden Samstag erfolgen. Im Gegenzug war vereinbart worden, dass Israel für die insgesamt 33 Geiseln 1.904 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlässt.
Laut Hamas soll die nächste Übergabe am kommenden Samstag erfolgen. Im Gegenzug war vereinbart worden, dass Israel für die insgesamt 33 Geiseln 1.904 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlässt.
Freilassung von österreichisch-israelischem Doppelstaatsbürger “frühestens Mitte Februar”
Laut Diplomatenkreisen steht der österreichisch-israelische Doppelstaatsbürger Tal Shoham auf der Liste jener 33 Geiseln, die mit dem aktuellen Deal freikommen sollen. Der 39-Jährige war am 7. Oktober 2023 gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Kleinkindern von der Hamas nach Gaza entführt worden. Ehefrau Adi sowie die vierjährige Tochter Yahel und der neunjährige Sohn Naveh wurden nach wenigen Monaten freigelassen.
Bis Tal Shoham freikommt, dürften noch ein paar Wochen vergehen, analysierte am Wochenende die “Kleine Zeitung”. Dem Vernehmen nach machen bei den Freilassungen Frauen und Kinder den Anfang, dann folgen Ältere und Verletzte. Shoham dürfte demnach frühestens Mitte Februar wieder nach Israel zurückkehren.
Der 39-jährige Tal Shoham kam in Israel zur Welt, seine Großmutter war allerdings eine “waschechte Wienerin”, so die “Kleine”, “die bald nach dem Anschluss von den Nazis aus Wien vertrieben wurde”. Seit mehreren Jahren haben die Nachfahren von Holocaust-Opfern Anspruch auf einen rot-weiß-roten Pass.
Herzog, Biden, Schallenberg, Scholz und Baerbock erfreut
Israels Staatspräsident Yitzhak (Isaac) Herzog sprach von einem “Tag der Freude und des Trostes”. Die drei freigelassenen Frauen seien “so geliebt und vermisst” worden. “Eine ganze Nation freut sich über eure Rückkehr”, sagte Herzog nach Angaben seines Büros. Nun beginne eine “herausfordernde Reise der gemeinsamen Genesung und Heilung”. Man fühle mit den besorgten Familien der weiteren 94 Geiseln, die noch von der Hamas im Gazastreifen festgehalten würden. “Wir werden nicht ruhen oder schweigen, bis wir alle unsere Schwestern und Brüdern aus der Hölle der Gefangenschaft in Gaza zurückbringen”, erklärte er.
Der scheidende US-Präsident Joe Biden sah einen “wichtigen Schritt”. Das Verhandlungsteam habe in den vergangenen Tagen vor der Einigung mit einer Stimme gesprochen, erklärte Biden. “Das war sowohl notwendig als auch effektiv.” Um die Waffenruhe aufrechtzuerhalten, seien jedoch “Beharrlichkeit, anhaltende Unterstützung für unsere Freunde in der Region und der Glauben an Diplomatie, gestützt durch Abschreckung” notwendig.
Österreichs aktueller Interimskanzler, Außenminister Alexander Schallenberg, reagierte erfreut: “Wir freuen uns sehr über die Freilassung der ersten drei Geiseln und die #Waffenruhe!” ließ er (im Original auf Englisch) auf der Plattform “X” wissen. “Dies war längst überfällig und kann nur der erste Schritt zur vollständigen Umsetzung der Vereinbarung sein, die zur Freilassung aller Geiseln, einschließlich Tal Shoham, führen wird. Viel mehr Hilfe muss die Menschen in #Gaza erreichen!” Laut Diplomatenkreisen steht der 39-jährige österreichisch-israelische Doppelstaatsbürger Tal Shoham auf der Liste jener 33 Geiseln, die mit dem aktuellen Deal freikommen sollen.
Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz fordert weitere Freilassungen. “Heute ist ein Tag der Freude: Endlich sind weitere Geiseln der Hamas freigekommen und wieder mit ihren Familien vereint”, schrieb Scholz auf “X”. Diesem ersten Schritt müssten weitere Folgen. “Alle Geiseln müssen freikommen und es muss rasch mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangen.”
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock reagierte ebenfalls via X: “Erleichterung und Trauer liegen heute nah beieinander: Pure Erleichterung, dass Geiseln nach 471 Tagen ihren Liebsten in die Arme fallen. Aber auch Trauer über die Gewissheit, dass nicht alle das Grauen überlebt haben.” Sie denke besonders an jene immer noch Verschleppten und deren Familien.
Weitere Schritte geplant
Zuvor war am Vormittag im Gaza-Krieg eine vorübergehende Waffenruhe in Kraft getreten. In den nächsten Wochen wollen Hamas und Israel über weitere Schritte verhandeln. Ziel ist der vollständige Rückzug des israelischen Militärs aus Gaza und die Freilassung der letzten Geiseln. Wird keine Einigung erzielt, könnten die Kämpfe weitergehen.
Der Gaza-Krieg war nach dem Überfall der Hamas und anderer terroristischer Gruppen auf Israel im Oktober 2023 mit rund 1.200 Toten ausgebrochen. Große Teile des von den Palästinensern bewohnten Gazastreifens liegen in Schutt und Asche. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen mehr als 46.900 Menschen ums Leben. Wie viele davon Zivilisten und wie viele Kämpfer sind, sagt sie nicht.
IKRK: Menschen brauchen noch lange Hilfe
Das IKRK mahnte, den jetzigen politischen Impuls fortzuführen. Das Abkommen sei ein wichtiger Schritt, aber damit sei es nicht getan, sagte die IKRK-Präsidentin Mirjana Spoljaric jüngst. “Den unermesslichen humanitären Bedürfnissen muss nachgekommen werden und das wird Monate, wenn nicht gar Jahre in Anspruch nehmen.” Die Organisation sei jedenfalls auf eine Ausweitung der humanitären Hilfe vorbereitet, so Spoljaric.
Im Zuge einer Waffenruhe Ende November 2023 hatte die Hamas 105 Geiseln freigelassen. Im Gegenzug entließ Israel damals 240 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen.
Aktuell sind 8 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen