Von: mk
Bozen – Der Vorsitzende des Autonomen Südtiroler Gewerkschaftsbundes (ASGB), Tony Tschenett, ersucht den Südtiroler Landtag anlässlich der Behandlung des Haushaltsgesetzes 2022 am 15. Dezember, den Fokus verstärkt auf die aktuell drängenden Probleme zu lenken und weniger dringliche Investitionen zu verschieben.
„Wenn uns der epidemiologische Notstand Covid-19 eines vor Augen geführt hat, dann ist es der Umstand, dass der lokale Haushalt endlich ist und dementsprechend die Verteilungspolitik, wie sie in der Vergangenheit Usus war, überdacht werden muss. Klamme Landeskassen erfordern eine neue Prioritätensetzung“, so Tschenett einleitend.
Man müsse vor allem die Fundamente, die für eine funktionierende Gesellschaft wesentlich sind, stärken. Vorrang vor allen anderen Ausgaben sollten aus diesem Grund jene Investitionen haben, die die wichtigsten Grundbedürfnisse der Bürger abdecken. „Auch, wenn der aktuelle Haushaltsvoranschlag 2022 eine stolze Summe für den Sozialbereich vorsieht, erscheint diese doch zu gering bemessen. Denn trotz steigender Kosten im Bereich Familie, Soziales und Wohnbau sind die Mittel im Vergleich zum Vorjahr um 70 Millionen Euro gekürzt worden. Keiner weiß, welche Spesen – auch wegen einer nicht absehbaren pandemischen Entwicklung aufgrund von eventuellen weiteren Mutationen des Coronavirus – dieses Jahr noch auf uns zukommen. Deshalb stelle ich mir schon die Frage, ob wir uns nicht dafür wappnen und den Sozialbereich dementsprechend großzügig ausstatten wollen, um schnellstmöglich reagieren zu können. In der Tat bin ich davon überzeugt, dass Umschichtungen im Haushalt problemlos möglich wären. So sind die Ausgaben für die Mobilität in Zeiten, in denen jeder Euro umgedreht werden muss, meines Erachtens, mit 490 Millionen Euro viel zu hoch veranschlagt. Auch die Hinterfragung der finanziellen Ausstattung von Inhouse-Gesellschaften oder von Unternehmen, an denen das Land beteiligt ist, muss gestattet sein. Es darf keine heiligen Kühe mehr geben!“, so der ASGB-Chef.
Auch die Entlohnungspolitik des Landes müsse laut Tschenett überdacht werden. Die Entlohnung der Angestellten in den Seniorenheimen, Sozialdiensten und des nichtärztlichen Personals in den Krankenhäusern sei zum Beispiel viel zu gering bemessen. Finanzielle Zugeständnisse seien meistens eine Farce und würden nicht von Wertschätzung gegenüber der erbrachten Leistung des Personals zeugen. Ein exponentiell ansteigender Mitarbeiterschwund würde diesen Umstand bezeugen. Deshalb müsse für Kollektivverträge wesentlich mehr Geld zweckgebunden werden: „Wir haben anlässlich einer Pressekonferenz, in deren Rahmen wir Lösungsmöglichkeiten zur Eindämmung des Pflegemangels deponiert haben, die Bereitstellung von mindestens 30 Millionen Euro für eben genannte Kategorien gefordert. Mit weniger lassen sich diese auch nicht mehr abspeisen. Das Land muss sich die Frage stellen, ob es das Risiko wert ist, ein eigentlich gut funktionierendes System an die Wand zu fahren, nur um eine für den Haushalt eigentlich unerhebliche Summe einzusparen“, so Tschenett.
Der ASGB-Vorsitzende merkt an, dass dasselbe auch für die Lehrpersonen gilt: „Der legitime Streik der Lehrer – mit durchaus hohen Teilnahmezahlen – zeigt deutlich auf, dass für die ökonomische Gleichstellung der Südtiroler Staatslehrpersonen mit jenen im Landesdienst zusätzliche finanzielle Mittel vorgesehen werden müssen.“
Der ASGB, so Tschenett, stehe jederzeit zur Verfügung an einer Spending Review und an der Erstellung einer Prioritätenliste mitzuarbeiten. Die unverhandelbare Bedingung dafür sei aber, dass es keine unantastbaren Posten geben dürfe.