Zerstörungen durch Luftangriffe - die Kämpfe gehen nun am Boden weiter

Hisbollah meldet Zerstörung von drei israelischen Panzern

Mittwoch, 02. Oktober 2024 | 20:51 Uhr

Von: APA/AFP/dpa/Reuters

Die israelische Armee ist bei ihrer Bodenoffensive im Libanon mit ersten größeren Verlusten konfrontiert. Bei Kämpfen mit der Hisbollah-Miliz seien acht Soldaten getötet worden, teilte die Armee am Mittwoch mit. Die Hisbollah verkündete, mehrere israelische Panzer im Südlibanon zerstört zu haben. Drei Panzer vom Typ Merkava seien mit Raketen zerstört worden, “als diese auf das Dorf Maroun al-Ras vorrückten”, hieß es am Mittwoch in einer Erklärung der Miliz.

In dem Gebiet unweit der Grenze zu Israel war es nach Angaben der Hisbollah bereits früher am Tag zu Zusammenstößen mit israelischen Soldaten gekommen. In dem Grenzort Yaroun zündeten Kämpfer der Miliz nach Hisbollah-Angaben zudem eine Bombe, als israelische Soldaten sich dem Dorf näherten. Dabei seien “alle Mitglieder” der Einheit getroffen worden. “Dies ist erst der Anfang der Konfrontation”, sagte Hisbollah-Sprecher Mohammad Afif in der libanesischen Hauptstadt Beirut. “Der Widerstand im Süden ist in höchster Bereitschaft.” Die libanesische Armee erklärte, israelische Soldaten hätten kurzzeitig die Demarkationslinie zwischen den beiden Ländern überschritten. Die Armee sei an zwei Orten etwa 400 Meter weit über die “Blaue Linie” auf libanesisches Gebiet vorgerückt und habe sich kurze Zeit später wieder zurückgezogen.

Die israelischen Soldaten hätten auch versucht, in den libanesischen Ort Odaisseh direkt an der Grenze einzudringen, erklärte die Hisbollah. Deren Mitglieder hätten im Morgengrauen mit den Kräften der israelischen Infanterie “gekämpft” und sie zum Rückzug gezwungen. Auf israelischer Seite habe es Opfer gegeben. Zudem hätten Hisbollah-Kämpfer eine “große Infanterieeinheit” im israelischen Misgav Am “mit Raketen und Artillerie” angegriffen, erklärte die Miliz weiter. An drei weiteren Standorten seien weitere Truppenansammlungen beschossen worden, unter anderem mit Raketen vom Typ Burkan, die eine enorme Sprengkraft haben können.

Die Vereinten Nationen hatten den Verlauf der sogenannten Blauen Linie im Jahr 2000 festgelegt, um seinerzeit den Abzug der israelischen Truppen aus dem Libanon zu überwachen. Es handelt sich um eine vorläufige Grenze, weil Israel und der Libanon ihre gemeinsame Grenze bisher nicht abschließend verhandelt haben. Laut einer UNO-Resolution von 2006 müssen Israels Truppen sich hinter diese Linie zurückziehen. Die Einhaltung der UNO-Resolution wird von einer Blauhelmtruppe überwacht, der auch rund 160 österreichische Soldaten angehören. Bundesheersprecher Michael Bauer erklärte am Dienstag auf APA-Anfrage, dass nicht an ein Ende der Mission gedacht sei. Über eine Evakuierung werde im Rahmen der UNIFIL-Truppe entschieden, schloss Bauer einen Alleingang Österreichs aus.

Die israelische Luftwaffe griff weiterhin Ziele im Libanon an, darunter erneut südlich der Hauptstadt Beirut. Im Ort Shuwayfat (Choueifat), etwa 15 Autominuten vom Flughafen entfernt, gab es Anrainern zufolge einen lauten Knall und Rauchwolken über dem Gebiet, wie die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtete.

Auch in mehreren Orten im Süden, im Zentrum sowie im Nordosten des Landes setzte Israels Militär seine Angriffe demnach fort, darunter nahe der Küstenstadt Tyros und mit schweren Angriffen im Ort Nabiteyeh. Allein dort habe es innerhalb von 24 Stunden 22 Tote und 47 Verletzte gegeben. Im Verlauf eines Tages zählte das Gesundheitsministerium insgesamt 55 Tote und mehr als 150 Verletzte.

Die Hisbollah wiederum beschoss eigenen Angaben zufolge Gebiete nördlich der israelischen Hafenstadt Haifa. Die Gruppe habe die Gegend mit einer großen Raketensalve ins Visier genommen, teilte die militante Organisation mit. Israel zählte am Mittwoch insgesamt 140 Raketen, die vom Libanon auf den Norden des Landes abgeschossen wurden. . Rund 40 Geschosse seien gegen Mittag auf die Gegend um die Stadt Safed, 70 Raketen auf Ortschaften in Westgaliläa nördlich der Hafenstadt Haifa und 30 weitere auf Orte des Oberen Galiläa direkt an der Grenze gerichtet gewesen. In Westgaliläa sei eine Person durch Glassplitter leicht verletzt worden. Ein Teil der Geschosse sei von der Raketenabwehr abgefangen worden, andere Geschosse seien in offenem Gelände eingeschlagen.

Das israelische Militär stockt unterdessen seine Bodeneinheiten im Libanon auf. Zum Einsatz kommen nun Infanterie- und Panzertruppen der 36. Division, zu der die Golani-Brigade, die 188. Panzerbrigade und die 6. Infanteriebrigade gehören, wie die Armee mitteilte. Des weiteren weitete die israelische Armee ihre Evakuierungsaufforderung für Gebiete im Süden des Libanon aus. Der Sprecher der israelischen Armee für die arabischsprachige Bevölkerung, Avichay Adraee, veröffentlichte am Mittwochvormittag auf Telegram einen Aufruf an Zivilisten, “für ihre Sicherheit” mehr als 20 Ortschaften zu verlassen. Dies betraf auch palästinensische Flüchtlingssiedlungen insbesondere nahe der Stadt Tyros.

Die Hisbollah organisierte indes eine Pressetour in jenen Teil Beiruts, der massiven israelischen Luftschlägen ausgesetzt war. Trotz der gravierenden Angriffe des israelischen Militärs und des Todes des Generalsekretärs Hassan Nasrallah sei der Widerstand intakt, sagte der Leiter des Pressebüros der Miliz vor Dutzenden lokalen und ausländischen Reportern. Dutzende Gebäude wurden in dem Gebiet dem Erdboden gleich gemacht. Auf den Straßen herrschte Verwüstung. Auf den Trümmern eines zerstörten Gebäudes war ein großes Bild des getöteten Hisbollah-Chefs zu sehen. Zu lesen waren die Worte: “Wir sind noch immer hier.” Ein schwarz gekleideter Anrainer sagte der Deutschen Presse-Agentur: “Wenn sie denken, dass sie uns auf diese Weise fertigmachen können, irren sie sich. Das wird unseren Kampf verstärken.”

Die Zahl der Vertriebenen im Libanon infolge der massiven israelischen Angriffe ist nach Regierungsangaben auf rund 1,2 Millionen angestiegen. Rund 160.000 Menschen davon sind nach Aussagen des Leiters des Notfallausschusses der Regierung, Nasser Yassin, in Notunterkünften untergekommen. Die anderen seien zu Freunden, Verwandten, in Hotels oder in eigene Häuser in anderen Gegenden gezogen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur NNA. Laut der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) ist der Bedarf an Hilfsgütern enorm, weil es im Libanon von Haus aus eine schwache Gesundheitsinfrasturktur gibt.

Israel war bereits während des libanesischen Bürgerkriegs 1982 im Libanon einmarschiert. Die Truppen zogen sich im Jahr 2000 zurück. 2006 folgte ein weiterer Krieg gegen die Hisbollah, die immer wieder israelisches Grenzgebiet mit Raketen beschoss. Seitdem wird die “Blaue Linie” genannte Grenze von den Vereinten Nationen überwacht. Kanzler Scholz verwies auf die nötige Umsetzung der UNO-Sicherheitsresolution 1701, die klar vorschreibe, dass sich die schiitische Hisbollah-Miliz aus dem Grenzgebiet zu Israel zurückziehen müsse. “Dies würde den Weg ebnen für eine Rückkehr der Menschen in den Norden Israels und gleichzeitig eine Perspektive eröffnen, die Staatlichkeit Libanons zu konsolidieren”, sagte er.

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