Südtirols magere Impfquote unter der Lupe

„Hochburg der Impfgegner“

Freitag, 06. August 2021 | 08:11 Uhr

Von: ka

Rom/Bozen – Die Italiener reiben sich verwundert die Augen. Die nördlichste Provinz Italiens, die im mit vielen Sorgenkindern geplagten Stiefelstaat sonst eigentlich immer als Klassenprimus gilt und in Sachen Lebensqualität, Zukunftschancen und Effizienz regelmäßig Spitzenplätze belegt, liegt bei den Impfungen arg im Rückstand.

In der Tat tun sich die Verantwortlichen in Südtirol, das als Hochburg der Impfgegner gilt, oft schwer, die Bürger für die Impfung gegen das Coronavirus zu gewinnen. Dies ist umso mehr unverständlich, als dass nach mehr als einem Jahr immer wiederkehrender Lockdowns und Corona-Einschränkungen aller Art sowie dahinschmelzender Einkommen die Südtiroler eigentlich froh darum sein müssten, nach der einzigen, Hoffnung verheißenden Lösung – der Impfung gegen SARS-CoV-2 – zu greifen.

Das italienische Onlinemedium „HuffPost“ nimmt den Fall des Hotels „Weißes Rössl“ in Innichen zum Anlass, um die „Impfskepsis“ der Südtiroler und der Trentiner etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Hotel „Weißes Rössl“ in Innichen, das auf Verfügung von Landeshauptmann Arno Kompatscher wegen der Nicht-Einhaltung von Coronamaßnahmen von 5. bis 15. August eigentlich hätte geschlossen bleiben sollen, darf aufgrund des Einlenkens des Inhabers nun doch geöffnet bleiben.

sabes

Laut den letzten Zahlen von Agenas nehmen Südtirol und das benachbarte Trentino in allen Altersgruppen die hinteren Plätze ein. In der Altersgruppe der 70- bis 79-Jährigen ist Südtirol sogar Schlusslicht. Während 62,96 Prozent der Italiener ihre erste Impfdosis bereits erhalten haben, gilt dies nur für 54,17 Prozent der Südtiroler. Was den vollständigen Impfzyklus anbelangt, haben im Trentino nur 44,31 Prozent der Einwohner die zweite Dosis empfangen. Mit 47,52 Prozent der Bevölkerung, die beide Dosen des Impfstoffs erhalten haben, ist dieser Wert in Südtirol kaum besser. Der italienische Durchschnitt liegt hingegen bei 52,98 Prozent.

GIMBE

Laut letzten Meldungen wird der Ministerrat für das Schulpersonal das Vorhandensein des „Grünen Passes“ auf gesamtstaatlicher Ebene zur Voraussetzung für die Ausübung des Berufs machen. Aber während italienweit bereits 84,94 Prozent des Schulpersonals zumindest mit der ersten Dosis geimpft sind, liegen das Trentino mit 76,84 und Südtirol mit gar nur 62,33 Prozent mit ihren Impfkampagnen arg im Rückstand. Im italienischen Durchschnitt haben 79,27 Prozent der Lehrkräfte und der anderen Angestellten der Schulen mit dem Erhalt der zweiten Dosis ihren Impfzyklus abgeschlossen. Mit Impfquoten von jeweils 62,71 und 53,77 Prozent nehmen hingegen das Trentino den viertvorletzten und Südtirol den drittvorletzten Rang ein. Zudem fällt auf, dass sich auch unter Südtirols Sanitätsangestellten, für die seit dem Frühjahr eine Impfpflicht vorgesehen ist, verglichen mit den gesamtitalienischen Zahlen eine größere Anzahl von Impfgegnern finden.

Alto Adige

Wer nach den Ursachen für die verbreitete „Impfskepsis“ fragt, erhält verschiedene Antworten. Man dürfte aber nicht weit fehlgehen, wenn als Hauptgründe die Angst vor dem Pieks, Zweifel an den Impfstoffen, eine gewisse Gleichgültigkeit und nicht zuletzt eine sture „Vorschreiben lasse ich mir schon gar nichts“-Mentalität angenommen werden. „Südtirol ist seit jeher eine Provinz mit einer starken Tendenz zur Impfgegnerschaft. Bereits im Jahr 2014 wurde festgestellt, dass die Impfquote für die Impfung gegen Masern bei 68 Prozent lag. Bei allen Pflichtimpfungen ist sie immer niedriger als im Rest Italiens“, so der Präsident der Bozner Ärztekammer, Claudio Volanti, in einem Interview für „Sanità Informazione“.

APA/APA/AFP/JEAN-FRANCOIS MONIER

Zur allgemeinen Impfskepsis gesellten sich in den letzten Wochen auch logistische Probleme. Aufgrund eines Lecks im Datenschutz mussten die Online-Vormerkungen vorübergehend ausgesetzt werden. Auf der anderen Seite tragen Impftage, an denen keine Vormerkungen notwendig sind, sowie die Einführung von Impfbussen – sowohl die Aufnahme, das der Impfung vorangehende Anamnesegespräch sowie selbstverständlich auch die Impfung werden komplett in den Bussen durchgeführt –, die die Impfung näher zu den Bürgern bringen, dazu bei der Südtiroler Impfkampagne neues Leben einzuhauchen.

Südtiroler Sanitätsbetrieb

Besonders aber die Aussicht, ohne „Grünen Pass“ ab dem 6. August von vielen Freizeitaktivitäten wie der Besuch von Kinos, Museen, Theatern, Sportevents und anderen Großveranstaltungen sowie von den Innenräumen der Restaurants ausgeschlossen zu sein, gibt der Impfkampagne gehörigen Schub. Da aller Voraussicht nach das Vorzeigen des europäischen Covid-Zertifikats in Zukunft auch für die Buchung von Flügen und Langstreckenzügen sowie für Reisen in viele Länder notwendig sein wird, wird in den Impfzentren mit bleibendem Andrang gerechnet.

Die derzeitige Lage lässt sich salopp formuliert mit einem Satz zusammenfassen. Während Südtirol alles tut, um den Weg der Menschen zur Impfung so bequem wie möglich zu gestalten, sorgt Rom mit der Einführung des „Grünen Passes“ für immer weitere Bereiche für den nötigen sanften Druck. Beides zusammen wird aller Voraussicht nach für eine spürbare Erhöhung der heimischen Impfquote sorgen.

Bezirk: Bozen