In der DSN will man Ermittlungskompetenzen verstärken

Immer mehr Festnahmen im Zusammenhang mit Islamismus

Donnerstag, 20. Februar 2025 | 14:48 Uhr

Von: apa

Nach dem mutmaßlich terroristischen Anschlag in Villach und einem angeblich verhinderten Attentat auf den Wiener Westbahnhof plädiert die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) für ein Drei-Stufen-Modell zur Gefahrenabwehr. Begründet wird das mit einer signifikanten Zunahme der Bedrohung durch gewaltbereite Islamisten. Die Anzahl der Hausdurchsuchungen und Festnahmen in diesem Bereich hat sich seit 2022 mehr als verdoppelt und ist seither weiter gestiegen.

Islamistische Tathandlungen im Vorjahr um mehr als 40 Prozent gestiegen

Seit 2022 gab es im islamistischen bzw. jihadistischen Milieu über 150 durchgeführte Hausdurchsuchungen, teilte die DSN am Donnerstag mit. 56 Personen wurden vom Staatsschutz festgenommen. Allein im Vorjahr wurden den Sicherheitsbehörden 215 Tathandlungen mit einer islamistischen bzw. jihadistischen Motivlage bekannt. 2023 waren es noch 152. Das bedeutet einen Anstieg um mehr als 40 Prozent.

Die Anzahl der in Österreich aufhältigen Gefährderinnen und Gefährder im islamistischen Extremismus bzw. Terrorismus bewegt sich derzeit im niedrigen dreistelligen Bereich. Dazu zählen Personen, bei denen laut DSN davon auszugehen ist, dass sie jederzeit bereit wären, Gewalt einzusetzen bzw. Anschläge durchzuführen. Grundsätzlich gibt es in ganz Österreich aktuell 650 Personen, die der Verfassungsschutz im Bereich des islamistischen Extremismus und Terrorismus beobachtet, wie DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner am Dienstagabend in der “Zib 2” offengelegt hatte.

Bei der Meldestelle Extremismus und Terrorismus der DSN sind im Vorjahr insgesamt 845 Hinweise eingegangen. Diese wurden einer “abgestimmten Bearbeitung” zugeführt, hieß es seitens der Verfassungsschützer.

Haijawi-Pirchner will “Ermittlungskompetenzen verstärken”

“Die Gefahr des islamistischen Terrorismus wurde über die letzten Jahre immer präsenter, die Herausforderungen für den Verfassungsschutz in der Bekämpfung immer größer. In Anbetracht dieser Entwicklungen und des aktuellen Bedrohungsbildes ist es wichtiger denn je, dass Österreich seine Ermittlungskompetenzen verstärkt und somit Gefahrenabwehr mit eigenen Mitteln vollzogen werden kann”, hielt DSN-Direktor Haijawi-Pirchner am Donnerstag fest. Er will daher ein Drei-Stufen-Modell implementieren, um effektiv Gefahren abwehren zu können. In einer am Donnerstag verbreiteten Presseaussendung hieß es in diesem Zusammenhang, die Polizei kämpfe im digitalen Raum “mit Musketen” – etwa den Mitteln der Telefon-Überwachung und dem Öffnen von Briefen gegen “vollautomatische Maschinengewehre” wie KI-unterstützte Algorithmen, End-to-End-verschlüsselte Chat-Kanäle und “Flutwellen an giftigem Content”.

Der erste Schritt dieses Drei-Stufen-Modells sieht automatisiertes Internet-Screening vor. Das frei zugängliche “Clear Web” und die Sozialen Medien werden dabei mit einer speziellen Software – so genannten Internet-Crawlern – auf verdächtige Inhalte durchforstet. Da die täglich anwachsende Unmenge an Daten nicht mehr von Beamtinnen und Beamten bewältigt werden kann, greifen moderne Verfassungsschutzbehörden auf die Möglichkeiten der Digitalisierung zurück. Entsprechende Programme können die Plattformen in Sekundenschnelle und vollständig auf radikale Inhalte überprüfen und Konsumenten dieser Inhalte erkennen. Dabei werden öffentliche Bereiche anhand von bestimmten Suchparametern abgegrast. In dieser ersten Phase kann beispielsweise eine grundsätzliche Radikalisierung bei einem bestimmten Nutzer erkannt werden.

Mit genau dieser Methode sind deutsche Ermittler auf den 14-jährigen Wiener und sein TikTok-Profil aufmerksam geworden, der im Verdacht steht, einen Terroranschlag auf den Wiener Westbahnhof im Sinn gehabt zu haben. Er soll via TikTok radikalislamistisches Gedankengut verbreitet und IS-Inhalte gutgeheißen haben, die ihn aufgrund bestimmter Suchbegriffe ins Blickfeld der benachbarten Verfassungsschützer brachten. Relativ rasch konnte das TikTok-Profil dem Schüler aus Wien-Währing zugeordnet und in weiter Folge von der DSN eine Hausdurchsuchung veranlasst und durchgeführt werden, die den 14-Jährigen in weiterer Folge als mutmaßlichen IS-Anhänger mit Terrorplänen in U-Haft brachte.

Verdeckte Ermittlungen durch Profis

Das Drei-Stufen-Modell sieht im zweiten Schritt verdeckte Ermittlungen durch professionelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor. Sie haben Zugang zu Inhalten des sogenannten Deep-Webs und schleusen sich in Chats und Foren einschlägiger, gefährlicher Gruppen ein. Diese Ermittler lesen beispielsweise mit, wenn islamistisches Gedankengut gutgeheißen wird und es einen konkreten IS-Bezug und somit potenzielle Gefährder gibt. Diese Kommunikationsgruppen sind meistens breit und groß genug, dass der verdeckte Ermittler oder die Ermittlerin tätig sein kann, ohne erkannt zu werden.

Am Ende – in der dritten Phase – sollte es nach den Vorstellungen von Haijawi-Pirchner der DSN endlich möglich sein, die verschlüsselte Kommunikation von sogenannten Hochrisikogefährdern mitzulesen. Derzeit ist es nicht erlaubt, die Personen, die in Phase zwei in den Fokus der Verfassungsschützer geraten, weiter zu beobachten, wenn sie in einen verschlüsselten Messengerdienst wechseln. Sie können dort ungestört ihre Pläne besprechen und austauschen, weil es keine Befugnis für den Verfassungsschutz gibt, auf Messengerdiensten mitzulesen. Aus Sicht der DSN ist das gegenüber der Bevölkerung und den Opfern von Anschlägen nicht argumentierbar.

Diese auf konkrete und bestimmte Personen eingeschränkte, gezielte Messengerüberwachung hält der DSN-Direktor aber für unabdingbar, sobald im Zuge verdeckter Ermittlungen ausgeforschte Verdächtige ihre Kommunikation auf verschlüsselte, private Kanäle verlegen. Diese Messengerüberwachung ziele auf konkrete Hochrisikogefährder und deren Kommunikation ab. Sie sei “in keinster Weise eine Massenüberwachung”, was auch nicht mit dem Rechtsstaat vereinbar wäre, betonte Haijawi-Pirchner.

FPÖ weist Forderungen zurück

Die FPÖ weist die Forderungen des DSN-Direktors zurück. “Obwohl er selbst eingestehen musste, dass die von der ÖVP und von ihm getrommelte Messengerdienst-Überwachung weder den islamistischen Terroranschlag in Villach verhindert noch zur Festnahme des mutmaßlichen Dschihadisten mit Anschlagsplänen auf den Wiener Westbahnhof beigetragen hätte, trommelt der DSN-Direktor und Ex-ÖVP-Wahlkampfhelfer weiter die schwarzen Massenüberwachungsfantasien gegen die eigene Bevölkerung”, meinte der freiheitliche Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung. Einen “noch größeren Offenbarungseid für das völlige Versagen der ÖVP im Innenministerium und in der Sicherheitspolitik” könne man “gar nicht erbringen”. Die Messengerdienst-Überwachung würde weder islamistische Hassprediger auf TikTok stoppen noch die Behörden auf eine offene Verbreitung islamistischer Inhalte auf TikTok hinweisen. Hafenecker bekräftigte die freiheitliche Forderung nach einem Verbotsgesetz gegen den politischen Islam.

Auswertung der Datenträger des 14-Jährigen nicht abgeschlossen

In den Ermittlungen gegen den am 10. Februar in Wien-Währing festgenommenen 14-Jährigen ist die Auswertung der Datenträger noch nicht abgeschlossen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Donnerstag auf Anfrage der APA. Erst nach dem Abschluss dieses Ermittlungsschrittes könne man Antworten zu weiteren Fragen geben – etwa wo genau auf TikTok sich der Jugendliche radikalisiert habe und ob er mit anderen Dschihadisten in Kontakt stand.

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