Hochkarätige Diskutanten zu Gast

Innsbruck: Podiumsdiskussion über Südtiroler Doppelpass – VIDEO

Mittwoch, 30. Mai 2018 | 12:22 Uhr

Von: mk

Innsbruck – Die Südtiroler Hochschülerschaft Innsbruck hat am Dienstag eine Diskussionsrunde über den sogenannten “Doppelpass” für die Südtiroler mit hochkarätigen Gästen auf dem Podium organisiert. Moderiert wurde der Abend von Dr. Eberhard Daum. Die Diskussion begann gegen 19.00 Uhr mit einer kleinen Einführung zum Thema und entwickelte sich zu einem spannenden und leidenschaftlichen Schlagabtausch zwischen den Diskutanten sowie auch dem Publikum.

Den Anfang der Runde machte DDr. Franz Watschinger, der den später von Univ. Prof. Obwexer sogar als “Lex-Watschinger” bezeichneten Gesetzentwurf ausgearbeitet hat. Er erklärte, dass seiner Meinung nach eine die österreichische Staatsbürgerschaft für die Südtiroler ermöglichende Änderung sogar ohne Verfassungsänderung in Österreich über die Bühne gehen könnte. Dies spare Aufwand und Mühe.

Uni. Prof. Obwexer versuchte nach kurzer Einführung in die europarechtlichen sowie völkerrechtlichen Aspekte dieses zentrale Argument Watschingers sachlich zu widerlegen. Auch der ehemalige Nationalratspräsident Dr. Andreas Khol (ÖVP) erklärte, dass eine Änderung der Wahlordnung auf verfassungsrechtlichem Wege schon allein deshalb unabdingbar sei, weil die SüdtirolerInnen sonst allesamt mit Wahlkreis Wien Innere Stadt eingetragen wären und wählen würden.

Karl Zeller betonte, dass auf jeden Fall jeder Schritt der österreichischen Bundesregierung mit Südtirol abgestimmt werden müsse, da „die Zeche“ (so bezeichnete er eventuelle negativen Konsequenzen eines Alleingangs Österreich gegenüber Rom in der Sache) die Südtiroler zahlen müssten, außerdem verwies er auf die schwierige Situation in Italien, das empfindlich auf Angelegenheiten wie den Doppelpass reagiere.

Khol sprach sich anfangs im Großen und Ganzen gegen einen Doppelpass aus und begründete dies mit der Historie Südtirols. Er sei der Meinung Südtirol hätte fast alles erreicht, was es sich hat erträumen können, und: “Schutzfunktion und Finanzpakt funktionieren“. Als Verfassungsrechtler sehe er insgesamt große Hürden.

Freilich, so Khol, sei die Lage eine andere, wenn alles in freundschaftlichem Einvernehmen mit Italien vollzogen würde.

Landtagsabgeordneter Dr. Riccardo Dello Sbarba (Südtiroler Grüne) betrachtete als Angehöriger der italienischen Sprachgruppe die Idee des Doppelpass mit Skepsis: Die italienischsprachigen Südtiroler könnten klar benachteiligt fühlen, da sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht anspruchsberechtigt würden. Er selbst sei als Südtiroler Landtagspräsident in Österreich zur Konferenz der Länder eingeladen worden und sei stolz darauf gewesen, stolz auf den kulturell-politischen Austausch mit Österreich, der sich manifestiert hat; er würde jedoch keinen Doppelpass erhalten können, auch nicht seine Tochter, obwohl diese in Bozen geboren sei und im deutschen Sprachraum studiere.

So zeige sich die Widersprüchlichkeit des Doppelpasses, der viele, die schon lange mit Südtirol verbunden sind, verstören kann. Stattdessen sollte man nach vorne blicken und gemeinsame Identitäten schaffen, etwa durch den Ausbau der Unionsbürgerschaft, d.h., Identitäten auf transnationaler Ebene.

In der anschließenden Diskussionsrunde mit dem Publikum ging es im randvollen Hörsaal durchaus heiß her. Elmar Thaler von den Südtiroler Schützen – von denen zahlreiche anwesend waren – warf den Diskutanten vor, mehr Fragen zu stellen als zu beantworten. Auch Khol wurde von vielen vorgeworfen, sich entgegen früherer Aussagen gegen einen Doppelpass auszusprechen.

Diesen Vorwurf ließen die Diskutanten jedoch nicht auf sich sitzen. Zeller meinte, die Schützen mögen zwar besser stramm marschieren können, die SVP hätte bildlich gesprochen “auf dem Bauch liegend” in den letzten Jahren jedoch mehr erreicht. Ruhe und Vernunft sei geboten.

Auch Univ.-Prof. Obwexer meinte, ein Großteil der rechtlichen innerstaatlichen Fragen, die in einer Arbeitsgruppe des österreichischen Außenministeriums bereits geklärt seien und in der er Mitglied ist, unterliegen einer Schweigepflicht. Die völkerrechtlichen und die europarechtlichen Aspekte seien hingegen völlig evident. Die große Frage sei aber die des politischen Willens und diese können niemand beantworten, wenn nicht die Regierung in Wien.

Andreas Khol konterte: „Lieber Schützenchef Thaler, von mir kriegen sie eine klare Antwort: In Einvernahmen mit Italien ist jede Lösung willkommen – auch der Doppelpass. Im Streit mit Rom rate ich jedoch dringend davon ab und bin dann auch ein entschiedener Gegner!“

Riccardo Dello Sbarba sprach sich erneut nachdrücklich für eine gemeinsame europäische Staatsbürgerschaft aus, diese würde allen wesentlich mehr bringen.

Auf die Frage, wie realistisch die Diskutanten einen Doppelpass in der aktuellen österreichischen Legislaturperiode hielten, antwortete Watschinger, das Szenario sei für ihn sehr realistisch. Zeller hingegen verneinte dies, da man Italiens Einverständnis derzeit nicht erhalte.

Obwexer sieht zwar rechtlich durchaus Möglichkeiten, jedoch sei der Schritt seiner Meinung nach realpolitischen unwahrscheinlich.

Auch Khol hielt das Unterfangen eher für unrealistisch, da es zu viele Probleme gebe und keinesfalls ohne Italien vorgegangen werden solle.

Dello Sbarba pflichtete dem bei und betonte, dass es nicht nur darum gehen sollte, wie man den Doppelpass Rom gegenüber verkauft – denn gleich wie man die Sache dreht und aufzieht: Italien würde verdeckte Absichten und Hoffnungen (wie die eines “ersten Schrittes” zur Sezession, was manche hinter vorgehaltene Handelt flüstern) bestens erkennen und in einer Zeit, da es um seine nationale Einheit und Solidarität bangt, entsprechend reagieren.

Die SH.ASUS Innsbruck bedankte sich bei allen Diskutanten und dem Publikum.

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Bezirk: Bozen