Verletzte werden in das al-Shifa-Spital in Gaza gebracht (Archivbild)

Israel: Hamas-Kommandozentrale liegt unter Krankenhaus

Freitag, 27. Oktober 2023 | 19:49 Uhr

Von: APA/AFP/Reuters/dpa

Erkenntnissen israelischer Geheimdienste zufolge missbraucht die im Gazastreifen herrschende Hamas das größte Spital in dem Küstengebiet als Kommando- und Kontrollzentrum. “Hamas-Terroristen operieren innerhalb und unter dem Shifa-Krankenhaus”, sagte Militärsprecher Daniel Hagari am Freitag. Zu der unterirdischen Basis führten Tunnel von außerhalb, zudem gebe es innerhalb der Klinik einen Eingang.

Die Hamas nutze zudem auch verschiedene Abteilungen des Krankenhauses, um Terroraktivitäten und Raketenabschüsse zu befehlen und zu kontrollieren, sagte er. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Auch andere Spitäler würden für die Zwecke der Islamisten missbraucht. “Die Hamas führt Krieg aus Krankenhäusern heraus”, sagte Hagari weiter. In den Krankenhäusern im Gazastreifen gebe es auch Treibstoff. “Die Hamas nutzt ihn für ihre Terror-Infrastruktur”, argumentierte Hagari. Nach dem Massaker der Hamas an Israelis vom 7. Oktober seien zudem Hunderte Terroristen in das Krankenhaus geströmt, um sich dort zu verstecken, weiter. Hagari berief sich auf Geheimdiensterkenntnisse.

Die Hamas bestritt die Aussagen des Militärs. Das Krankenhaus werde nicht für “militärische Zwecke” genutzt. Die Islamistenorganisation warf Israel Pläne vor, die gesamte medizinische Versorgung in dem Küstengebiet zerstören zu wollen.

Israel hat sich gegen die von den EU-Staaten geforderten Feuerpausen im Gazastreifen ausgesprochen. “Israel lehnt einen humanitären Waffenstillstand derzeit ab”, sagte ein Sprecher des israelischen Außenministeriums am Freitag. Dazu zähle “jegliche Art von geforderten Feuerpausen”. Gleichwohl wies er darauf hin, dass das Land grundsätzlich jedoch erlaube, “dass humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangt, solange sie nicht in den Händen von Terroristen der Hamas landet”.

Israelische Bodentruppen haben in der Nacht einen gezielten Vorstoß im Zentrum des Gazastreifens ausgeführt. Auch Kampfjets und Drohnen seien im Einsatz gewesen, erklärte die israelische Armee am Freitag. Angegriffen wurden demnach “Terror-Ziele” der radikalislamischen Hamas. Israels Militär hatte in den vergangenen rund drei Wochen bereits mehrere solcher begrenzten Vorstöße in den Gazastreifen unternommen. Sie gelten als Vorbereitung für eine geplante Bodenoffensive Israels. Auch in der vorherigen Nacht waren israelische Kampfpanzer kurzzeitig in den Gazastreifen vorgedrungen.

Israelische Soldaten sind für einen Angriff gegen die Hamas über das Mittelmeer kommend im Gazastreifen an Land gegangen und haben dabei nach eigenen Angaben Infrastruktur der Marine der islamistischen Organisation zerstört. Kriegsschiffe und Flugzeuge hätten den gezielten Einsatz flankiert, teilte Israels Militär am Freitag mit. Die Armee veröffentlichte ein Video des Einsatzes, das zunächst Beschuss durch Kriegsschiffe zeigt. Im Anschluss sind Soldaten zu sehen, die in der Dunkelheit an Land aus Sturmgewehren feuern.

Fast die Hälfte der Israelis lehnt laut einer Umfrage eine zeitnahe Bodenoffensive der israelischen Armee im Gazastreifen ab. In der am Freitag von der Zeitung “Maariv” veröffentlichten Befragung des Instituts Panel4All sagten 49 Prozent, es sei besser, mit einer Bodenoffensive in dem Palästinensergebiet “abzuwarten”. Nur 29 Prozent vertraten die Ansicht, die Offensive von Bodentruppen solle “unverzüglich” beginnen. Die Erhebung wurde am Mittwoch und Donnerstag vorgenommen. Für sie wurden 522 Menschen befragt.

Der Gaza-Konflikt ist nach Darstellung der USA an einen “gefährlichen Moment” angekommen. Die UNO-Botschafterin der USA, Linda Thomas-Greenfield, erklärt weiter, man habe Israel sowohl in öffentlichen als auch in privaten Gesprächen erklärt, dass es zwar das Recht habe, sich gegen eine Terror-Gruppe zu verteidigen. Jedoch müsse dies “im Einklang mit den Regeln des Krieges” geschehen.

Das UNO-Hilfswerk für Palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) warnt angesichts der Blockade des Gazastreifens durch Israel im laufenden Krieg vor noch deutlich mehr Todesopfern wegen ausbleibender Hilfslieferungen. “Viel mehr werden sterben durch die Folgen der Belagerung”, sagte der Generalkommissar des UNO-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, am Freitag. Essen, Wasser und Arzneimittel würden knapp, Straßen im Gazastreifen seien mit Abwasser überflutet. “Wir können diese menschliche Tragödie nicht mehr ignorieren”, sagte Lazzarini, und sprach von einer “Hölle auf Erden”.

Im Gazastreifen sind seit Beginn des Kriegs Hilfsgüter von 84 Lastwagen angekommen. Darunter waren Güter von zehn Lastwagen, die am Freitag eintrafen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen auf der palästinensischen Seite des abgeriegelten Küstenstreifens erfuhr. Neben Wasser und Essen seien unter anderem Arzneimittel angekommen. Zudem reiste ein Team von zehn Ärzten des Roten Halbmonds mit dem Konvoi in den Gazastreifen. Am Donnerstag waren Güter von zwölf Lkw eingetroffen. Treibstoff wurde weiterhin nicht geliefert.

Die Versorgungslage im Gazastreifen war schon vor Kriegsbeginn sehr schlecht. Etwa 1,3 Millionen Menschen waren zuvor auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Lage der Bevölkerung, die schon vorher vielfach mit Armut, Unterernährung und schlechter ärztlicher Versorgung zu kämpfen hatten, hat sich durch die Kämpfe der islamistischen Hamas und Israels Armee nun noch verschlimmert. Fast die Hälfte der 2,2 Millionen Menschen im Gazastreifen sind Kinder.