Israelische Panzer bringen sich in Stellung

Israel nimmt Gaza-Angriffe wieder auf – Hunderte Tote

Dienstag, 18. März 2025 | 15:24 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters

Erstmals seit Beginn einer Waffenruhe vor zwei Monaten hat die israelische Luftwaffe wieder massiv Ziele im Gazastreifen bombardiert. Mehr als 400 Menschen wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bei den verheerenden Angriffen getötet. Palästinensische Medien berichteten auch von vielen getöteten Frauen und Minderjährigen. Mit den neuen Angriffen ist die von internationalen Unterhändlern ausgehandelte Waffenruhe de facto am Ende.

Mehrere führende Funktionäre getötet

Bei den Angriffen auf Stellungen der Hamas im Gazastreifen an sind nach Angaben der Terrororganisation fünf Führungsmitglieder ums Leben gekommen. Die Hamas nannte unter anderem Mahmud Abu Watfa, Leiter des Hamas-Innenministeriums und verantwortlich für die Polizei in Gaza, Issam al-Daalis, Vorsitzender des Regierungsverwaltungsausschusses, sowie Bahjat Abu Sultan, verantwortlich für den inneren Sicherheitsapparat der Hamas. Sie alle hätten eine zentrale Rolle beim von der Hamas geplanten Wiederaufbau ihrer Herrschaft im Gazastreifen nach Ende des Kriegs gespielt, schreibt die Nachrichtenseite “ynet”.

Arabischen Medienberichten zufolge soll Israels Armee auch hochrangige Mitglieder des Palästinensischen Islamischen Jihads (PIJ) getötet haben, darunter den Sprecher ihres militärischen Flügels, Naji Abu Saif, besser bekannt als Abu Hamza.

Zurückgekehrte Zivilisten müssen wieder fliehen

Palästinensische Zivilisten im Norden und Süden des Gazastreifens, die während der Waffenruhe in ihre Wohngebiete zurückgekehrt waren, wurden von der Armee erneut zur Flucht aufgerufen. Vor mehr als zwei Wochen hatte Israel bereits die humanitären Hilfslieferungen in den Küstenstreifen gestoppt, anschließend auch die letzte Stromleitung in das Gebiet gekappt. Die neuen Bombardements verschärfen die Sorge vor dramatischen Auswirkungen für die im eineinhalbjährigen Krieg bereits schwer geschundene Zivilbevölkerung.

Israels schwerste Luftangriffe in Gaza seit dem Inkrafttreten der Waffenruhe erfolgten auf die “wiederholte Weigerung der Hamas, unsere Geiseln freizulassen, sowie auf ihre Ablehnung aller Vorschläge, die sie vom Gesandten des US-Präsidenten Steve Witkoff und von den Vermittlern erhalten hat”, teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu in der Nacht mit.

Hamas: Netanyahu-Regierung hat Waffenruhe gebrochen

In einer Erklärung der Hamas hieß es hingegen, Netanyahu und dessen “extremistische Regierung” hätten beschlossen, das Waffenruhe-Abkommen zu brechen. Damit riskiere Israel das Leben der verbliebenen Geiseln, drohte die islamistische Terrororganisation. Sie forderte die Vermittler Ägypten, Katar und USA auf, Israel “für den Bruch” des Abkommens zur Verantwortung zu ziehen. Netanyahu hatte wiederholt erklärt, Israel werde alle seine Kriegsziele erreichen. Dazu gehört die Freilassung aller Geiseln und die komplette Zerschlagung der Hamas.

Im Jänner war zwischen Israel und der Hamas eine zunächst sechswöchige Waffenruhe vereinbart worden. Bisher konnten sich beide Seiten nicht auf die Bedingungen für eine Verlängerung einigen. Israel hatte mit Wiederaufnahme des Krieges gedroht, sollte die Hamas keine weiteren Geiseln freilassen. Auch während der Waffenruhe war es immer wieder zu tödlichen Angriffen gekommen. Die Hamas und andere Islamistengruppen halten nach israelischen Informationen noch 24 Geiseln und die Leichen von 35 Entführten fest.

Internationale Kritik an Luftangriffen

International wurden die Luftangriffe verurteilt, darunter von Frankreich, der Türkei und der UNO. China und Russland zeigten sich besorgt. Arabische Medien berichteten, der ägyptische Geheimdienst habe eine “dringende Einladung” an die Hamas geschickt, eine Delegation für neue Waffenruhe-Gespräche nach Kairo zu entsenden.

Rechtsextreme Partei Otzma Yehudit wieder in Regierung

Kritiker Netanyahus warfen ihm vor, er habe den Gaza-Krieg auch aus innenpolitischen Erwägungen wieder aufgenommen. Bis Ende des Monats muss das israelische Budget gebilligt werden, sonst käme es automatisch zu Neuwahlen. Dafür braucht Netanyahu aber die Unterstützung des rechtsextremen Politikers Itamar Ben-Gvir und dessen Partei Otzma Jehudit.

Aus Protest gegen die Waffenruhe-Vereinbarung mit der Hamas waren diese im Jänner aus der Regierung ausgeschieden. Kurz nach den Luftangriffen verkündete Netanyahus rechtskonservative Regierungspartei Likud dann aber prompt eine Rückkehr von Otzma Jehudit und deren Ministern in die Koalition.

Yehuda Cohen, Vater eines entführten Soldaten, warf Netanyahu im Gespräch mit verschiedenen Medien in scharfen Worten vor, dieser beabsichtige einen “Mord an den Geiseln”, um an der Macht zu bleiben. Der israelische Oppositionspolitiker Yair Golan beschuldigte Netanyahu ebenfalls, dieser spiele mit dem Leben der israelischen Soldaten und Geiseln, weil er Angst vor Massenprotesten gegen die angekündigte Entlassung des Inlandsgeheimdienstchefs Ronen Bar habe. Im Laufe des Tages und auch für Mittwoch sind in Israel große Kundgebungen geplant, um gegen die Entlassung des Shin-Bet-Chefs zu demonstrieren.

Der Trump-Faktor

Nach Ansicht von Netanyahus Kritikern fühlt dieser sich von US-Präsident Donald Trump auf der ganzen Linie ermutigt – sowohl im Vorgehen gegen interne Gegner als auch mit Blick auf die Wiederaufnahme der Angriffe im Gazastreifen. Trump hatte der Hamas mehrfach mit der “Hölle” gedroht, sollten nicht alle Geiseln – darunter auch Amerikaner – umgehend freigelassen werden. Kürzlich war eine von Trump freigegebene Lieferung schwerer Bomben in Israel eingetroffen. Für die neuen massiven Angriffe gab Trump Medienberichten zufolge dann auch Grünes Licht.

Auslöser des Gaza-Krieges war der Überfall der Hamas und anderer extremistischer Palästinensergruppen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seitdem wurden laut der Gesundheitsbehörde bei Kämpfen im Gazastreifen rund 49.000 Menschen getötet. Die Angaben, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Israel sprach bisher von rund 20.000 getöteten Terroristen.

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