Von: APA/dpa
Israels Armee hat eigenen Angaben zufolge eine Bodenoffensive auch in Rafah im Süden des Gazastreifens begonnen. Auch im Norden sowie im Zentrum des Küstenstreifens würden die Bodenangriffe fortgesetzt, teilte das Militär am Donnerstagabend mit. Gleichzeitig bombardiere die israelische Luftwaffe weiter Ziele im gesamten Gazastreifen. Zuvor hatte die islamistische Hamas erneut Raketen auf Israel abgefeuert. Am Abend wurde eine Rakete aus dem Jemen abgefangen.
Bodentruppen seien seit einigen Stunden in einem Stadtteil in Rafah im Einsatz, so das israelische Militär. Sie hätten dort Infrastruktur von Terrororganisationen zerstört. Früheren Angaben zufolge sind Einrichtungen und Mitglieder der Hamas sowie des Palästinensischen Islamischen Jihads (PIJ) Ziel der Angriffe.
Israels Verteidigungsminister Israel Katz genehmigte nach Angaben seines Büros weitere Pläne der Armee für Kampfeinsätze im Gazastreifen. “Wir sehen bereits, dass der militärische Druck die Position der Hamas beeinflusst”, sagte Katz demnach bei einer Besprechung mit Israels neuem Generalstabschef Ejal Zamir. “Wir werden nicht aufhören, bis die Geiseln freigelassen werden.”
Israel will auch mit der laufenden Bodenoffensive im Gazastreifen den Druck auf die islamistische Hamas erhöhen. Ein Ziel ist es, die restlichen der am 7. Oktober 2023 von der Hamas und anderen palästinensischen Terrororganisationen verschleppten Geiseln freizubekommen. Ob die erneute Offensive der richtige Weg dahin ist, ist aber umstritten. Am Donnerstag demonstrierten erneut Tausende gegen die Regierung von Benjamin Netanyahu.
Die Hamas hatte am Donnerstag erneut Raketen auf Israel gefeuert. Eine von drei Geschossen, die aus dem Süden des Gazastreifens kamen, konnten abgefangen werden, die beiden anderen gingen auf offenem Gelände nieder. In mehreren Gebieten im Zentrum Israels sowie in der Küstenmetropole Tel Aviv heulten Warnsirenen. Nach Medienberichten schlugen in der Stadt Rishon Lezion südlich von Tel Aviv Raketensplitter ein. Der militärische Arm der Terrororganisation Hamas, die Al-Qassam-Brigaden, reklamierte den Raketenangriff auf Israel für sich.
Erneut Rakete aus dem Jemen
Am Abend konnte auch eine aus dem Jemen abgefeuerte Rakete von Israels Raketenabwehr abgefangen werden, bevor sie in israelisches Gebiet eindrang. Bereits in der Nacht auf Donnerstag hatte es einen Raketenangriff der Houthi-Miliz im Jemen gegeben. In der Nacht heulten deshalb erstmals seit mehr als zwei Monaten im Großraum Tel Aviv und in Jerusalem wieder die Warnsirenen. Auch diese Rakete konnte abgefangen werden. Die Houthi-Miliz begründet ihre Raketenangriffe damit, dass sie Israel zwingen wolle, die Blockade des Gazastreifens aufzugeben. Israel fordert von der Hamas, die restlichen entführten Geiseln freizulassen.
Angst und Flucht bestimmen das Leben der Menschen in Gaza
Als Folge der israelischen Angriffe im Gazastreifen wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde 85 Tote in Krankenhäuser gebracht. Bei den Angriffen seit dem frühen Morgen seien mehr als 130 weitere Menschen verletzt worden.
Nach zwei Monaten Feuerpause leben die Menschen im Gazastreifen erneut in Angst davor, getötet zu werden oder Angehörige zu verlieren. Viele Palästinenser müssen zudem erneut aus ihren Heimatorten fliehen. Die israelische Armee hat Fluchtaufforderungen für bestimmte Gebiete veröffentlicht, zuletzt für eine Gegend im Osten der Stadt Chan Junis.
Im Gazastreifen sind zudem die Preise etwa für Lebensmittel wie Mehl und Öl einem Medienbericht zufolge stark gestiegen, seitdem Israel dort wieder Ziele angreift. Ein Kilogramm Zucker koste derzeit umgerechnet knapp neun Euro, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa unter Berufung auf Bewohner.
Trump unterstützt Israels Offensive
US-Präsident Donald Trump unterstützt die Angriffe Israels, wie die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, erklärte. Der Präsident habe sehr deutlich gemacht, dass er möchte, dass alle Geiseln nach Hause kommen, und er unterstütze Israel und die Maßnahmen, die die Armee in den vergangenen Tagen ergriffen habe, “voll und ganz”. Trump habe der Hamas zuvor “deutlich zu verstehen gegeben, dass sie durch die Hölle gehen würde, wenn sie nicht alle Geiseln freilässt”, so Leavitt.
Der Leiter des UNO-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, verurteilte indes die israelischen Angriffe. “Vor unseren Augen erleben die Menschen im Gazastreifen wieder und wieder ihren schlimmsten Alptraum”, erklärte er im Onlinedienst X.
Hamas-Behörde: Mehr als 500 Tote in Gaza
Israels Armee teilte mit, sie habe im Gazastreifen wichtige Islamisten getötet, darunter den Leiter einer Einheit der Hamas, die unter anderem für deren Vermögenswerte im Gazastreifen und im Ausland sowie für die Unterdrückung des Widerstands gegen die Hamas zuständig sein soll.
Seit der Nacht auf Dienstag attackiert Israels Armee wieder mit massiven Luftangriffen Ziele der islamistischen Hamas und der mit ihr verbündeten Islamisten vom Palästinensischen Islamischen Jihad. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 500 Menschen getötet. Mit Israels Luftangriffen endete de facto eine seit dem 19. Jänner geltende Waffenruhe.
Beide Seiten weisen sich gegenseitig die Schuld dafür zu: Israel wirft der Hamas vor, Vermittlungsvorschläge für eine Verlängerung der Waffenruhe und Freilassung der Geiseln wiederholt verweigert zu haben. Die Palästinenserorganisation wiederum beschuldigt Israels Regierung, die Waffenruhe einseitig aufgekündigt zu haben.
Vermittlungsbemühungen in Kairo
Die USA, Katar und Ägypten hatten eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ausgehandelt, die seit Jänner und zunächst für sechs Wochen galt. Bisher konnten sich die beiden Seiten nicht auf die Bedingungen für eine Verlängerung einigen. Israel hatte mit einer Wiederaufnahme des Krieges gedroht, sollte die Hamas keine weiteren Geiseln freilassen.
Am Mittwoch sei eine israelische Delegation zu Verhandlungsgesprächen in Ägyptens Hauptstadt Kairo gewesen, hieß es gut informierten Kreisen am Flughafen. Unklar war zunächst, ob derzeit auch ein Team der Hamas vor Ort ist.
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