Sein Rücktritt soll am 6. März in Kraft treten

Israel startet Militäroffensive im Westjordanland

Dienstag, 21. Januar 2025 | 21:22 Uhr

Von: APA/dpa/AFP

Einen Tag nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump hat Israel eine Militäroffensive im Westjordanland gestartet. Die Armee gab am Dienstag einen “Antiterroreinsatz” in Jenin im Norden des Palästinensergebietes bekannt. Das Gesundheitsministerium der Palästinenserbehörde sprach von zehn Getöteten und 40 Verletzten. Zuvor hatte Trump US-Sanktionen gegen israelische Siedler im Westjordanland zurückgenommen.

Die israelische Armee und der Inlandsgeheimdienst Shin Bet erklärten, sie hätten im als Hochburg palästinensischer Kämpfer geltenden Jenin einen Einsatz unter dem Namen “Iron Wall” (Eiserne Mauer) gestartet.

Netanyahu: “Terrorismus ausmerzen”

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu erklärte, mit dem Einsatz werde das Ziel verfolgt, den “Terrorismus auszumerzen”. Das Vorgehen sei Teil einer Strategie, gegen den Iran überall dort vorzugehen, wohin dieser seine Waffen liefere, “ob im Gazastreifen, im Libanon, in Syrien oder im Jemen” – oder eben im Westjordanland.

Israel wirft dem Iran vor, neben der Hamas im Gazastreifen und mehreren anderen bewaffneten Gruppen im Nahen Osten auch Kämpfer im Westjordanland finanziell und mit Waffenlieferungen unterstützen zu wollen.

Der für Jenin zuständige palästinensische Gouverneur Kamal Abu al-Rub sagte der Nachrichtenagentur AFP, die israelische Armee sei mit Apache-Helikoptern in der Luft und Militärfahrzeugen am Boden vorgegangen. Ein Sprecher der palästinensischen Sicherheitskräfte warf der Armee vor, mit scharfer Munition auf palästinensische Zivilisten und Sicherheitskräfte geschossen zu haben.

Guterres fordert Israel zu “Zurückhaltung” auf

UN-Generalsekretär António Guterres forderte die israelischen Sicherheitskräfte auf, bei ihrem Vorgehen im Westjordanland “größte Zurückhaltung” zu üben. Guterres sei “weiterhin zutiefst besorgt” und rufe die Sicherheitskräfte auf, “größtmögliche Zurückhaltung zu üben und tödliche Gewalt nur dann anzuwenden, wenn dies zum Schutz von Menschenleben absolut unvermeidlich ist”, erklärte sein stellvertretender Sprecher Farhan Haq.

Im seit 1967 von Israel besetzten Westjordanland leben inmitten von drei Millionen Palästinensern mehr als 490.000 Israelis in Siedlungen, die vom größten Teil der internationalen Gemeinschaft als illegal angesehen werden – aber immer weiter ausgebaut werden. Die Lage hat sich seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen deutlich zugespitzt.

US-Präsident Trump hatte am Montag kurz nach seiner Vereidigung per Dekret US-Sanktionen gegen israelische Siedler im Westjordanland zurückgenommen. Sein Amtsvorgänger Joe Biden hatte damit im Februar 2024 die Sanktionierung von Menschen und Gruppen wegen gewalttätiger Übergriffe auf Palästinenser im Westjordanland ermöglicht.

Rechtsextremer Finanzminister dankt Trump

Der rechtsextreme israelische Finanzminister Bezalel Smotrich dankte Trump im Onlinedienst X für dessen “unerschütterliche Unterstützung”.

Befürworter einer israelischen Annexion des Westjordanlandes setzen große Hoffnungen auf die zweite Amtszeit Trumps. Smotrich hatte vergangenes Jahr angekündigt, er wolle die israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland annektieren und sehe in der Rückkehr Trumps an die Macht eine “Gelegenheit” dafür. Ein Nahost-Friedensplan aus Trumps erster Amtszeit sah eine Annexion von Teilen des Palästinensergebiets durch Israel vor, scheiterte jedoch.

Die palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland warnte ihrerseits, Trump animiere “die extremistischen Siedler” zur Gewalt. Nach Angaben von deren Außenministerium zündeten am Montagabend in den Dörfern Al-Funduk und Jinsafut im Norden des Westjordanlands etwa 50 “maskierte terroristische Siedler” Autos, Wohnhäuser und Geschäfte an. Insgesamt 21 Menschen seien bei den Angriffen, die “unter der Aufsicht und dem Schutz der israelischen Armee” stattgefunden hätten, verletzt worden. Israels Armee bestätigte Ausschreitungen von israelischen Zivilisten gegen Sicherheitsbehörden.

Die Aufhebung der US-Sanktionen und der Einsatz der israelischen Armee erfolgten vor dem Hintergrund einer Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel im Gazastreifen, die am Sonntag in Kraft getreten war. In einem ersten Austausch waren drei entführte und als Geiseln gehaltene israelische Frauen und dutzende palästinensische Gefangene freigekommen.

Trump äußerte nach seiner Vereidigung Zweifel an einem Fortbestehen der Waffenruhe im Gazastreifen. Er sei “nicht zuversichtlich”, sagte er.

Generalstabschef Herzi Halevi erklärt Rücktritt

Der Generalstabschef der israelischen Armee, General Herzi Halevi, reichte unterdessen seinen Rücktritt ein und begründete diesen mit seiner “Verantwortung” für das “Versagen” der Armee am 7. Oktober 2023.

Der Schritt komme zu einem Zeitpunkt, “an dem die israelische Armee wichtige Errungenschaften erzielt hat und sich im Prozess der Umsetzung einer Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln befindet”. Kurz darauf erklärte auch der für Israels Süden und die Grenze zum Gazastreifen zuständige General Jaron Finkelman seinen Rücktritt.

Halevi hatte seine Rücktrittsabsichten bereits früher klar gemacht, wollte aber angesichts des Gaza-Krieges einen passenden Zeitpunkt abwarten. Das Versagen, den Hamas-Terrorangriff nicht verhindert zu haben, werde ihn für den Rest seines Lebens begleiten, sagte Halevi, der sich in der Vergangenheit mehrfach bei Angehörigen der Opfer entschuldigt hatte.

Herzog für Untersuchungskommission zum 7. Oktober

Der israelische Präsident Yitzhak (Isaac/Izchak) Herzog betonte in einer Reaktion auf der Plattform X, Halevi verdiene Dankbarkeit und Respekt für seine Leistung im Gaza-Krieg. Gleichzeitig sprach sich Herzog für eine nationale Untersuchungskommission zu den Vorgängen am 7. Oktober 2023 aus, “die Lehren zieht, Verantwortung übernimmt, Schlussfolgerungen zieht und Vertrauen zwischen den Bürgern und ihrem Staat aufbaut”.

Der Großangriff der Hamas und mit ihr verbündeter Gruppen auf Israel hatte damals den Gaza-Krieg ausgelöst. Bei dem Angriff waren israelischen Angaben zufolge 1210 Menschen getötet worden, 251 Geiseln wurden in den Gazastreifen verschleppt.

Israel ging danach massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach dem jüngsten Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde des Gebiets, die nicht unabhängig überprüft werden können, mehr als 47.100 Menschen getötet.

Dem scheidenden israelische Armeechef Halevi zufolge waren unter diesen Getöteten insgesamt fast 20.000 Hamas-Mitglieder. Der militärische Flügel der Islamisten sei durch den 15-monatigen Einsatz der Armee “schwer getroffen” worden, sagte Halevi.

Kommentare

Aktuell sind 1 Kommentare vorhanden

Kommentare anzeigen