Von: APA/AFP/dpa/Reuters
Bei israelischen Angriffen in Rafah im Süden des Gazastreifens sind palästinensischen Angaben zufolge auch am Dienstag wieder Dutzende Menschen getötet worden. Mediziner in dem palästinensischen Küstengebiet sprachen von mindestens 20 Todesopfern bei einem Vorfall im Westen der Stadt. Demnach waren Zelte von Vertriebenen das Ziel. Israels Armee teilte am Dienstagabend mit, sie habe entgegen der Berichte nicht in der ausgewiesenen humanitären Zone al-Mawassi angegriffen.
Dort haben etliche Binnenflüchtlinge auf Anweisung der israelischen Armee Schutz gesucht. Dem von der Hamas kontrollierten Zivilschutz zufolge wurden mindestens vier Granaten auf das betroffene Gebiet gefeuert. Bei Angriffen in der Nacht seien zudem 18 Menschen ums Leben gekommen. Die Angaben ließen sich allesamt zunächst nicht unabhängig verifizieren.
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen teilte mit, es sei bei dem Angriff am Sonntagabend ein Lager für Vertriebene in einer als sicher deklarierten Zone getroffen worden. Die israelische Armee wies dies als “Lügen und Desinformation der Hamas” zurück. Der Angriff, der zwei ranghohen Hamas-Mitgliedern gegolten habe, habe nicht auf eine humanitäre Zone abgezielt. “Der Vorfall ereignete sich in Tal al-Sultan in einem Gebiet, das mehr als einen Kilometer von der humanitären, sicheren Zone entfernt ist”, sagte ein Militärsprecher am Dienstag. Die Armee habe das Gebiet vor dem Angriff gefilmt, um sicherzustellen, dass keine Zivilisten in der Nähe seien.
Das Militär sagte am Dienstag weiter, das Ausmaß des tödlichen Luftangriffs sei auf ein Feuer zurückzuführen, das in einer nahe gelegenen Anlage ausgebrochen sei. Die Armee untersucht demnach auch, ob dort etwa Waffen gelagert waren, die bei dem Angriff explodiert und in Brand geraten sind. Angegriffen worden sei eine Anlage der Hamas.
Mehrere Panzer waren zuvor in der Nähe der Al-Awda-Moschee gesichtet worden, einem Wahrzeichen in der Stadtmitte von Rafah. Die Stadt wurde von Panzern und auch mit Luftangriffen wieder unter Beschuss genommen.
Auch die Gegend um den Bezirk Tel Al-Sultan, wo am Sonntag bei einem israelischen Luftangriff nach palästinensischen Angaben mindestens 45 Menschen in einem Zeltlager für Kriegsflüchtlinge getötet wurden, werde immer noch bombardiert, berichteten Anrainer. “Überall in Tel Al-Sultan schlagen Panzergranaten ein. Viele Familien sind aus ihren Häusern im Westen Rafahs geflohen, die die ganze Nacht über beschossen wurden”, teilte ein Bewohner über eine Chat-App der Nachrichtenagentur Reuters mit.
Mindestens 16 Palästinenser wurden bei Angriffen in der Nacht auf Dienstag getötet, teilten Behördenvertreter des von der militanten, radikal-islamischen Hamas kontrollierten Palästinenser-Gebiets mit. Bewohner berichteten, dass israelische Panzer auf und um die Bergkuppe Surub, einer Anhöhe mit Blick auf den Westen Rafahs, Stellung bezogen hätten.
Zuvor hatten mehr als eine Million Palästinenser in der Stadt Schutz vor den Kämpfen im übrigen Gazastreifen gesucht. Israel hat die Angriffe trotz eines Beschlusses des obersten UNO-Gerichts vom Freitag fortgesetzt und argumentiert, dass das Gerichtsurteil einen Spielraum für militärische Aktionen in Rafah einräumt. Der Internationale Gerichtshof (IGH) hatte Israel am Freitag angewiesen, die umstrittene Offensive in Rafah katastrophalen humanitären Lage umgehend zu stoppen. Die israelische Armee hatte Anfang des Monats eine lange angedrohte Bodenoffensive auf Rafah gestartet. Die Stadt gilt als letzte Bastion der Hamas, die mit ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober den Gaza-Krieg ausgelöst hatte.
Rund eine Million Menschen sind laut dem UNO-Palästinenserhilfswerk wieder aus Rafah geflohen. Sie hätten die Stadt im südlichen Gazastreifen in den vergangenen drei Wochen verlassen, teilte das UNRWA mit.
Nach dem tödlichen israelischen Luftangriff hat der UNO-Sicherheitsrat in New York für Dienstag eine Dringlichkeitssitzung einberufen. Die von Algerien beantragte Sitzung zur Lage in Rafah werde hinter verschlossenen Türen abgehalten, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Montag aus Diplomatenkreisen. Bei dem Luftangriff waren nach Angaben der militanten Palästinenser-Organisation Hamas 45 Menschen getötet worden, die Zahl der Verletzten liege bei 249.
Die israelische Armee erklärte, “einen Hamas-Komplex in Rafah getroffen” zu haben, in dem “wichtige Hamas-Terroristen tätig waren”. Bei dem Angriff seien zwei ranghohe Hamas-Vertreter getötet worden, die im besetzten Westjordanland an der Planung von Anschlägen beteiligt gewesen seien. Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu sprach mit Blick auf den Tod von unschuldigen Zivilisten von einem “tragischen Missgeschick”, der Fall werde untersucht.
UNO-Generalsekretär António Guterres hat unterdessen den verheerenden Angriff Israels auf das Zeltlager im Gazastreifen scharf kritisiert. “Ich verurteile Israels Vorgehen, bei dem zahlreiche unschuldige Zivilisten getötet wurden, die nur Schutz vor diesem tödlichen Konflikt suchten”, schrieb Guterres am Montag auf der Plattform X. Es gebe für die Palästinenser im Gazastreifen keinen sicheren Ort. “Dieser Horror muss aufhören”, schrieb der UNO-Chef weiter.