Vertriebene fanden in einer Schule im Süden des Gazastreifen Zuflucht

Israel: Wieder Wasserversorgung im Süden Gazas

Sonntag, 15. Oktober 2023 | 20:53 Uhr

Von: APA/dpa/AFP

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und US-Präsident Joe Biden haben vereinbart, die Wasserversorgung im Süden des Gazastreifens wiederherzustellen. Dies werde dazu beitragen, dass die Zivilbevölkerung wie von der Armee gewünscht den Norden der Küstenenklave räumt und sich in den Süden bewegt, schrieb der israelische Energieminister Israel Katz am Sonntag auf X (vormals Twitter). Ägypten kündigte indes eine Grenzöffnung zur Evakuierung von Ausländern an.

Wie Katz sagte, könne Israels Militär so die Zerstörung der Infrastruktur der islamistischen Hamas im Norden des Gazastreifens intensivieren. Er hatte die Grundversorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen bisher an die Freilassung der israelischen Geiseln in Hand der Terrororganisation geknüpft. Die Vereinten Nationen forderten Israel jedoch dazu auf, die Versorgung der Menschen in dem abgeriegelten Gebiet mit Nahrung, Wasser, Medikamenten und Treibstoff zuzulassen.

Die US-Regierung hatte sich in den vergangenen Tagen für den Schutz der Zivilbevölkerung im Palästinensergebiet stark gemacht. “Wir stehen für den Schutz der Zivilbevölkerung, und wir wollen sicherstellen, dass unschuldige Palästinenser, die nichts mit der Hamas zu tun haben, in sichere Gebiete gelangen können, wo sie vor Bombardierungen geschützt sind und Zugang zu lebensnotwendigen Dingen wie Nahrung, Wasser, Unterkunft und Medizin haben”, sagte der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Sonntag im US-Fernsehen. Er sagte unter Berufung auf seinen israelischen Kollegen, dass Israel die Wasserleitung im südlichen Gazastreifen wieder in Gang gesetzt habe.

Die israelische Armee teilte am Sonntagabend mit, dass sich nach den Evakuierungsaufrufen bereits mehr als 600.000 Palästinenser in den Süden des Gazastreifens begeben haben. UNO-Schätzungen zufolge ist in der ersten Kriegswoche insgesamt rund eine Million Menschen in dem schmalen Küstenstreifen vertrieben worden. Die tatsächliche Zahl der Binnenvertriebenen liege wahrscheinlich noch höher, da zahlreiche Menschen in dem Küstengebiet weiterhin ihre Häuser verließen, sagte die Sprecherin des UNO-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), Juliette Touma, am Sonntag.

Die israelische Armee hatte die Zivilisten im Norden des Gazastreifens am Freitag in der Früh zur Flucht aufgerufen. Eigenen Angaben zufolge bereitet sich das israelische Militär auf eine Bodenoffensive in dem Palästinensergebiet vor. Die Armee sicherte am Sonntag erneut zu, in einem Zeitraum von drei Stunden keine Angriffe auf eine Route aus dem Norden des Gazastreifens zu verüben, damit sich die Einwohner im Süden des Palästinensergebietes in Sicherheit bringen könnten. Israel wirft der Hamas vor, die Flucht der Zivilisten zu blockieren, um sie als “menschliche Schutzschilde” zu benutzen.

Laut dem UNO-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) löste die israelische Aufforderung eine “Massenflucht” aus. “Massenflucht aus dem Norden in den Süden des Gazastreifens ist im Gange”, erklärte das UNO-Büro am Sonntag in Genf. Partner-Hilfsorganisationen hätten berichtet, dass “die Zahl der Binnenvertriebenen innerhalb der vergangenen 24 Stunden deutlich gestiegen” sei, erklärte OCHA. Bis Donnerstagabend hatte OCHA 423.378 Binnenvertriebene im Gazastreifen gezählt. Knapp zwei Drittel davon wurden demnach vom UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) in insgesamt 102 Notunterkünften beherbergt.

Nach Angaben des österreichischen Außenministeriums befinden sich aktuell auch rund drei Dutzend Österreicherinnen und Österreicher samt Angehörigen im Gazastreifen. Es handle sich größtenteils um Doppelstaatsbürger, und sie seien bereits im Süden des Gazastreifens, hieß es am Samstagabend gegenüber der APA. In Kooperation mit Israel und Ägypten bemühe man sich, den Ausreisewilligen unter ihnen das Verlassen des Palästinensergebiets über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten zu ermöglichen.

Ägypten signalisierte am Sonntag, dass es ausländischen Staatsbürgern die Ausreise über Rafah ermöglichen werde. Es laufen Vorbereitungen dafür, den Grenzübergang für diese Personen zu öffen. Auch die Einfuhr von humanitären Hilfslieferungen über den Grenzübergang Rafah soll demnach ermöglicht werden. Wegen israelischer Luftangriffe ist der Grenzübergang derzeit außer Betrieb. Er ist der einzige Übergang zum Gazastreifen, der nicht von Israel kontrolliert wird.

Die israelische Armee nannte am Sonntag ein weiteres Zeitfenster für eine Evakuierung von Zivilisten im Norden des Gazastreifens in Richtung Süden. Der israelische Armeesprecher veröffentlichte auf X (vormals Twitter) in arabischer Sprache die Information, Einwohner der Stadt Gaza und des nördlichen Gazastreifens hätten von 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr Ortszeit (09.00 bis 12.00 Uhr MESZ) Zeit, um eine sichere Fluchtroute zu nutzen.

Die Armee werde in diesem Zeitraum diesen Korridor nicht angreifen. Wem die Sicherheit seiner Familie am Herzen liege, solle sich in Richtung Süden begeben, hieß es in der Mitteilung. Die im Gazastreifen herrschende Hamas kümmere sich um ihre eigenen Mitglieder und ihre Familien. Es gab auch Berichte, die Hamas hindere Zivilisten an der Flucht. Israel warf der Islamistenorganisation immer wieder vor, sie missbrauche die eigene Bevölkerung als menschliche Schutzschilde.

Israels Aufforderungen an die Bevölkerung im Gazastreifen werden auch auf anderen Kanälen übermittelt, unter anderem durch Flugblätter. Nach bisherigen Evakuierungsaufrufen haben sich nach Militärangaben bereits Hunderttausende Palästinenser in den Süden des schmalen Küstenstreifens begeben. Im Gazastreifen leben rund 2,3 Millionen Palästinenser.