Israels Staatsoberhaupt Herzog zu offiziellem Besuch in Wien

Israelischer Präsident lobt Wiens Kampf gegen Antisemitismus

Dienstag, 05. September 2023 | 19:07 Uhr

Von: apa

Der israelische Staatspräsident Yitzhak (Isaac) Herzog hat am Dienstag bei einem Besuch in Wien Österreichs Kampf gegen Antisemitismus gelobt. “Der kompromisslose Kampf gegen Antisemitismus, den die österreichische Regierung führt, muss vielen Nationen und Ländern als Beispiel dienen, und wir wissen das sehr zu schätzen”, sagte er in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Herzog erinnerte auch an den Holocaust. “Die Narben sind tief.”

Van der Bellen bekräftigte, dass für Österreich die Erinnerung an die Shoah wachzuhalten, eine “zentrale Aufgabe” sei. Die Verfolgung und Vertreibung zehntausender Juden aus Österreich “können und wollen wir nicht vergessen”, so der Bundespräsident.

Dies war auch Thema eines anschließenden Treffens von Herzog mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). “Meine Regierung steht bei der Bekämpfung des Antisemitismus an vorderster Front”, erklärte Nehammer in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Zur Erhaltung und Förderung jüdischen Lebens in Österreich plane Österreich, die finanziellen Mittel im Rahmen des Österreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetzes (ÖJKG) auf sieben Millionen Euro jährlich zu erhöhen “und damit das österreichisch-jüdische Kulturerbe für die Zukunft bewahren”.

Van der Bellen und Herzog sprachen vor den Journalisten auch über aktuelle politische Themen. Zu den Abraham Accords, den Normalisierungsabkommen Israels mit arabischen Ländern, sagte Herzog, dass er glaube, dass es “noch weitere Abkommen geben wird”. Gleichzeitig verschärfe sich die existenzielle Bedrohung Israels durch das iranische Atomprogramm. Herzog sprach von “dramatischen Zeiten”. Den Streit um die Justizreform in seinem Land erwähnte der israelische Präsident in seinem Pressestatement, bei dem keine Fragen zugelassen waren, jedoch nicht.

Van der Bellen erklärte, die israelischen Sorgen im Hinblick auf den Iran und die Hisbollah zu teilen. Die Entwicklung und der Erwerb von Atomwaffen durch Teheran seien zu verhindern. Außerdem betonte er, dass Österreich weiterhin an der Zweistaatenlösung für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern festhalte. Hier seien “jede Menge von Fragen offen”. Zum Thema Justizreform sagte Van der Bellen, dass sich Herzog für einen “breiten Konsens” einsetze, um den politischen und gesellschaftlichen Spannungen durch sein Angebot des Dialogs entgegenzuwirken. Er wünschte seinem israelischen Amtskollegen alles Gute dafür.

Wegen der geplanten Justizreform finden seit Monaten Massendemonstrationen gegen die rechts-religiöse Regierung unter der Führung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu statt. Kritiker fürchten ein Ende der Gewaltenteilung und eine Schwächung des Obersten Gerichts, das Gesetze außer Kraft setzen kann, die es als diskriminierend ansieht. Israel hat keine Verfassung. Israels Oberstes Gericht soll sich am 12. September mit den Einsprüchen gegen den umstrittenen Justizumbau befassen. Sollte das Gericht das Gesetz einkassieren und die Regierung dies nicht akzeptieren, könnte Israel eine Staatskrise drohen.

Herzog ist in dem Konflikt nicht nur als Vermittler gefordert, sondern muss darüber hinaus auch internationale Vertretungsaufgaben übernehmen. Obwohl der israelische Präsident nur repräsentative Aufgaben hat, wurde er im Juli von US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus empfangen. Das Verhältnis von Biden zu Netanyahu gilt als schwierig. Die Regierung des US-Präsidenten sieht außer der Justizreform auch die Siedlungspolitik von Netanyahus Regierung in den Palästinensergebieten höchst kritisch.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadić (Grüne), die bei dem Delegationsgespräch der beiden Staatsoberhäupter dabei waren, zeigten sich über die israelischen Justizpläne besorgt. Schallenberg erklärte im APA-Sommerinterview, dass Gewaltenteilung “die Basis jeder pluralistischen Demokratie” sei. “Vor allem der Punkt, dass in der Knesset mit einfacher Mehrheit höchstgerichtliche Entscheidungen ausgehebelt werden könnten”, bereite ihm große Sorgen. Zadić ihrerseits betonte auf APA-Anfrage ebenfalls, dass die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung “Grundpfeiler einer modernen, liberalen Demokratie” seien und nicht geschwächt werden dürften. “Ich weiß, dass die israelische Demokratie stark und widerstandsfähig ist.”

Van der Bellen und Herzog bezeichneten die Beziehungen zwischen Österreich und Israel als so gut wie nie zuvor. Durch die vereinbarte Strategische Partnerschaft würden diese weiter intensiviert. “Die Freundschaft zwischen Israel und Österreich war nie enger”, erklärte Herzog. Israel könne Österreich im Bereich Innovation, Forschung und Technologie noch vieles lehren, ergänzte Van der Bellen, der auch darauf verwies, dass Wien unter den Top-5-Destinationen für israelische Touristen sei.

Dass die Beziehungen zwischen Israel und Österreich “heute so gut sind, schien uns vor wenigen Jahrzehnten unmöglich, fast wie ein Märchen”, erklärte Van der Bellen weiter. Aber: “Wir wollten das erreichen.” Er zog einen Bogen zu dem österreichischen Publizisten Theodor Herzl, dem Vordenker des Staates Israel, der einst gesagt hatte, “wenn ihr wollt, ist es kein Märchen”. Herzog enthüllte am Dienstagabend an dem Haus in der Berggasse in Wien-Alsergrund, in dem Herzl Ende des 19. Jahrhunderts sein Werk “Der Judenstaat” schrieb, eine Gedenktafel.

Am Nachmittag gedachten die beiden Staatsoberhäupter mit einer Kranzniederlegung an der Shoah-Namensmauer im Ostarrichi-Park der im Holocaust ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Österreich. Herzog, selbst kein Nachfahre von Holocaust-Überlebenden, sprach von der Shoah als “dunkelstes Kapitel der Menschheitsgeschichte”, das auch in Österreich stattgefunden habe.

An der Gedenkfeier nahmen Holocaust-Überlebende, Regierungsmitglieder und zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens teil. Mit den Namensmauern in Wien-Alsergrund wird an die 65.000 jüdischen Österreicherinnen und Österreicher erinnert, die nach 1938 nicht vor dem Tod flüchten konnten. Sie verhungerten etwa in Ghettos, wurden erschossen oder in Vernichtungslagern umgebracht. Ihre Namen wurden auf 180 Granitplatten im Ostarrichi-Park vor dem Sitz der Oesterreichischen Nationalbank in Wien-Alsergrund verewigt.