Israelisches Militärfahrzeug in Tulkarem

Israels Armee beginnt Großeinsatz im Westjordanland

Mittwoch, 28. August 2024 | 20:21 Uhr

Von: APA/dpa/AFP

Israel hat einen groß angelegten Militäreinsatz im nördlichen Westjordanland gestartet, bei dem nach offiziellen palästinensischen Angaben mindestens zehn Menschen getötet worden sind. Die Armee drang nach eigenen Angaben in der Nacht in mehrere Orte ein, darunter Tulkarem und Jenin. Die Vereinten Nationen kritisierten die Härte des Vorgehens.

Nach Medienberichten setzte das Militär neben zahlreichen Infanteristen auch Drohnen und Scharfschützen ein, zerstörte Infrastruktur mit Bulldozern und sperrte sämtliche Zufahrtswege nach Jenin. Es sei zu Feuergefechten mit bewaffneten Palästinensern gekommen. Mehrere gesuchte Palästinenser seien festgenommen worden.

Dem palästinensischen Gesundheitsministerium im Westjordanland zufolge wurden in Tubas – ebenfalls im nördlichen Westjordanland – sieben Tote in ein Krankenhaus gebracht. Außerdem bestätigte das Ministerium zwei Tote in Jenin und einen weiteren in einem Ort in der Nähe der Stadt.

Israelischen und palästinensischen Medien zufolge umstellten die Einsatzkräfte auch Krankenhäuser in beiden Städten und blockierten Krankenwagen. Die Armee kontrolliere den Zutritt zu den Klinikgebäuden, um zu verhindern, dass sich Militante dort verschanzen, sagte ein israelischer Armeesprecher.

Hintergrund des Einsatzes sei eine zuletzt deutlich gestiegene Anzahl von Anschlägen auf Israelis, die im nördlichen Westjordanland ihren Ursprung gehabt hätten, sagte der Sprecher. Er verwies dabei auch auf die jüngste Explosion eines Sprengsatzes in Tel Aviv, bei dem der Attentäter getötet und ein Passant verletzt worden war.

Nach israelischer Darstellung ist Ziel des groß angelegten Einsatzes vor allem in Jenin und Tulkarem ein vom Iran unterstütztes Terrornetzwerk. Beide Städte gelten als Hochburgen militanter Palästinenser. Seit Beginn des Gazakriegs vor fast elf Monaten seien allein von dort aus rund 150 Anschläge mit Schusswaffen und Sprengsätzen auf Israelis verübt worden, sagte der Militärsprecher.

Der israelische Außenminister Israel Katz schrieb auf X: “Wir müssen mit der Bedrohung genauso umgehen wie mit der Terror-Infrastruktur in Gaza, einschließlich der vorübergehenden Evakuierung palästinensischer Zivilisten.” Es sei “ein Krieg in jeder Hinsicht und wir müssen dabei siegen”. Der Armeesprecher sagte dazu, ihm sei zu möglichen Evakuierungsplänen der Zivilbevölkerung im nördlichen Westjordanland nichts bekannt.

Die Militäroperation könnte nach Informationen der “Times of Israel” noch länger dauern. Sie sei Quellen in der Armee zufolge auf mehrere Tage angelegt.

“Die israelische Armee geht seit heute Nacht mit aller Macht in den Flüchtlingslagern von Jenin und Tulkarem gegen ein islamistisch-iranisches Terrornetzwerk vor”, schrieb Außenminister Katz. Der Iran arbeite daran, ähnlich wie im Gazastreifen und dem Libanon, “durch die Finanzierung und Aufrüstung von Terroristen sowie Schmuggel fortschrittlicher Waffen über Jordanien eine östliche Terrorfront gegen Israel in Judäa und Samaria (Westjordanland) aufzubauen”.

Während eines Einsatzes im Flüchtlingsviertel Nur Shams in Tulkarem beschädigten israelische Einsatzkräfte Armeeangaben zufolge versehentlich eine Wasserleitung, als sie vergrabene Sprengsätze freilegten. Die Wasserversorgung laufe über andere Quellen. Das Militär erlaube es Anwohnern, das Gebiet zu verlassen, hieß es weiter. Es gebe für sie aber keine Anweisung, dies zu tun, betonte Israels Militär.

Die ohnehin angespannte Lage im besetzten Westjordanland hat sich seit dem Hamas-Massaker mit 1.200 Toten am 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Beginn des Gazakriegs deutlich verschärft. Seitdem wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Ramallah bei israelischen Militäreinsätzen, bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschlägen von Extremisten mehr als 630 Palästinenser getötet.

Vor allem in Jenin und Tulkarem gibt es immer wieder Razzien der israelischen Armee. Erst am Montag kamen nach Angaben des Gesundheitsministeriums beim israelischen Luftangriff in Nur Shams fünf Menschen ums Leben. Das Bombardement hatte nach Angaben der israelischen Armee militante Palästinenser zum Ziel.

Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf warnte, dass die Militäraktion die schon “katastrophale Lage” im Westjordanland verschlimmern könnte. Bei den israelischen Militäreinsätzen seit dem 7. Oktober seien viele Minderjährige getötet worden, die etwa Steine geworfen hätten, aber keine Bedrohung für Leib und Leben von anderen dargestellt hätten, hieß es.

“Eine solche unnötige oder unverhältnismäßige Gewaltanwendung und die Zunahme offensichtlich gezielter und anderer summarischer Tötungen sind alarmierend”, sagte die Sprecherin Ravina Shamdasani. Israel verstoße gegen Menschenrechtsnormen und -standards, die für Strafverfolgungsmaßnahmen gelten.

Der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, sagte in New York, dass die Menschen in der besetzten Region zunehmend “tödlichen Kriegstaktiken” ausgesetzt seien, “die die internationalen Standards für die Strafverfolgung zu überschreiten scheinen”. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte auf X, der Einsatz dürfe nicht die Voraussetzung dafür schaffen, den Krieg im Gazastreifen auszuweiten.

Unterdessen gehen die Kämpfe im Gazastreifen ebenso weiter wie die Bemühungen um eine Waffenruhe und Freilassung der verbliebenen Geiseln in der Gewalt der Hamas.

Eine israelische Delegation sollte zu weiteren Gesprächen über ein Abkommen mit der Hamas nach Doha reisen. Die indirekten Verhandlungen, bei denen Katar sowie Ägypten und die USA zwischen den Konfliktparteien vermitteln, treten seit Monaten auf der Stelle.

Kommentare

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11 Kommentare auf "Israels Armee beginnt Großeinsatz im Westjordanland"


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Sara Lea
Sara Lea
Tratscher
2 Tage 18 h
N. G.
N. G.
Kinig
2 Tage 16 h

Und kein Wort zum Vorgehen Israels denn das war und ist keine Selbstverteidigung! Niemand war gegen Selbstverteidigung!
Warum wurde international Kritik geübt? Weils ok war? Deine Befragung soll legitimieren das die Palestinenser zu Recht bestraft werden?
Objektivität FEHLANZEIGE!

Orch-idee
Orch-idee
Universalgelehrter
2 Tage 11 h

@sara lea…. Nein, dieses Recht haben sie schon lange nicht mehr.

Goennenihrwichtigtuer
Goennenihrwichtigtuer
Universalgelehrter
2 Tage 11 h

Och-idee nor erzähl ins mol welle Recht dein Putin in dor Ukraine jemals ghob hot? 🤔

Frank
Frank
Universalgelehrter
2 Tage 6 h

Du solltest mal unabhängige Medien verfolgen. Im arte Journal (falls Dir der deutsch-französische Gemeinschaftssender arte etwas sagt) kam gerade ein Bericht, der erkennen läßt, daß es sich schon lange nicht mehr um Selbstverteidigung handelt. Die getöteten “Kämpfer” waren teilweise Kinder, wahllos undrigoros wurde nicht “versehentlich” eine Wasserleitung beschädigt, sondern alle Infrastruktur mit Bulldozern vernichtet, Wohnhäuser wurden zerstört, Rettungskräfte auf dem Weg zu Verletzten wurden blockiert und zurückgewiesen, das Helfen wurde ihnen untersagt, Krankenhäuser komplett abgeriegelt. Das Alles soll Selbstverteidigung sein, während gerade im Westjordanland seit Jahrzehnten radikale Siedler täglich Palästinenser töten?

Frank
Frank
Universalgelehrter
2 Tage 6 h

Hier geht es nicht um die Ukraine, aber für Deinen Verleumdungskampagnen ist Dir ja Alles recht. Typisches Trollverhalten, das Threadnapping.

Goennenihrwichtigtuer
Goennenihrwichtigtuer
Universalgelehrter
3 Tage 12 h

Frisch bleiben.. 😉 Die Radikalen Siedler und Islamisten verknacken und dor Rest leb wie dor absolute große Teil von Juden Christen und Moslems friedlich unter Abrahams Banner 🇮🇱

Hustinettenbaer
2 Tage 13 h

@Goennenihrwichtigtuer
Dein Wort in Gottes/Jahwes/Allahs… Gehörgang.

Mein Eindruck ist, dass arabische u n d israelische Kamikaze-Radikale Schandtaten der Gegenseite zur Eskalation nutzen.
“Kollateralschäden” Zivilbevölkerung, Geiseln, Hunger, Polio… Egal.
Schwarz und Weiß wurden zu blutigem Grau.

Für die Instrumentalisierung ihrer Religionen, müsste beide Seiten der göttliche Blitz treffen.

Astronaut
Astronaut
Grünschnabel
2 Tage 19 h

War ja klar das es dort weitergeht mit den Unruhen.

claudiosincero
claudiosincero
Grünschnabel
2 Tage 8 h

israel darf Gebiete besetzen,Palästinenser zu tausenden töten,denn sie gehören ja zu den Guten.Putin,der dasselbe macht in der Ukraine ist  dagegen der Teufel….

Frank
Frank
Universalgelehrter
2 Tage 6 h

Der Sinn hinter der Militäraktion wird schnell klar, wenn berichtet wird, daß einige Minister in der israelischen Regierung offen fordern, daß die Palästinenser nicht temporär evakuiert, sondern dauerhaft vertrieben werden. Warum wohl gibt es im Westjordanland und in Gaza seit Jahrzehnten so viele Flüchtlingslager, in denen Extremisten den idealen Nährboden finden? Wer keinerlei Perspektive, keinerlei Hoffnung hat, radikalisiert sich irgendwann, erst recht, wenn täglich Verwandte, Freunde, Nachbarn getötet werden.

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