Möglicherweise kommt Bodenoffensive in Gaza erst bei besserem Wetter

Israels Außenminister: Brauchen Zeit für Sieg über die Hamas

Sonntag, 15. Oktober 2023 | 22:51 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters/AFP

Im Kampf gegen die islamistische Hamas braucht Israel nach Angaben von Außenminister Eli Cohen “Zeit, um zu siegen”. Cohen sagte am Sonntag in der israelischen Küstenstadt Ashkelon: “Unser Sieg wird sicherstellen, dass der islamistische, radikale Terror nicht nach Paris, London und New York kommt.” Ashkelon wird seit mehr als einer Woche immer wieder von der Hamas aus dem Gazastreifen mit Raketen angegriffen.

Cohen bekräftigte angesichts des Massakers an israelischen Zivilisten in Grenzorten und auf einem Musikfestival, die Hamas sei schlimmer als das Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS). “Sie werden den Preis bezahlen”, sagte er. Man werde weitermachen, bis die Sicherheit der Bürger Israels gewährleistet werden könne.

Das israelische Militär tötet nach eigenen Angaben einen weiteren Drahtzieher der von Hamas-Angreifern unter Israelis verübten Massaker. Billal Al Kedra, Befehlshaber terroristischer Einheiten im südlichen Khan Yunis, sei bei Luftangriffen am Vorabend getötet worden, teilte die Armee Sonntagfrüh mit. Auch weitere Terroristen der Hamas und der militanten Palästinensergruppe Islamischer Jihad seien dabei ums Leben gekommen. Im Gazastreifen sind nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums vom Sonntagabend seit Beginn des jüngsten Konflikts am 7. Oktober bisher 2.670 Palästinenser getötet und rund 9.600 verletzt worden. Damit ist die Zahl der berichteten Toten auf der palästinensischen Seite binnen gut einer Woche bereits höher als während des Gaza-Kriegs 2014, als innerhalb von 50 Tagen 2.250 Menschen in dem Küstenstreifen ums Leben kamen. Damals waren auch 66 israelische Soldaten und fünf Zivilisten getötet worden.

Einem US-Medienbericht zufolge verzögert sich der geplante israelische Einmarsch in den Gazastreifen wegen widrigen Wetters. Die Bodenoffensive hätte eigentlich schon dieses Wochenende beginnen sollen, sei aber wegen des bewölkten Himmels und der deswegen erschwerten Sicht für Piloten und Drohnen vertagt worden, berichtete die “New York Times” unter Berufung auf drei namentlich nicht genannte, ranghohe israelische Offiziere. Der israelische Armeesprecher Arye Sharuz Shalicar widersprach diesem Bericht am Sonntagabend. “Nein, absolut nicht”, sagte er am Sonntagabend in der ARD-Sendung “Anne Will”. Er deutete an, dass einer der Hauptgründe für die Verschiebung sei, dass noch mehr palästinensische Zivilisten den Süden des Gazastreifens erreichen sollten, damit sie bei einer Bodenoffensive im Norden des Küstenstreifens nicht in Gefahr geraten.

Ziel ist es, die politische und militärische Führungsebene der Islamistenorganisation Hamas auszulöschen, die vor einer Woche Massaker mit Hunderten Todesopfern in Israel begangen hat. Die Militäroperation berge die Gefahr, dass sich Israel in monatelange blutige Häuserkämpfe verstricke, heißt es in dem Zeitungsbericht. Es werde angenommen, dass sich Zehntausende von Hamas-Kämpfern in Bunkern und Hunderte Kilometer langen unterirdischen Tunnelsystemen unter Gaza-Stadt und den umliegenden Teilen des nördlichen Gazastreifens verschanzt haben. Israels Armee gehe davon aus, dass die Hamas versuchen wird, ihr Vorankommen zu behindern, indem sie Tunnel sprenge, während die Bodentruppen über sie vorrücken. Die Hamas plane zudem, durch geheime Tunnelausgänge hinter die israelischen Linien zu gelangen und von hinten anzugreifen. Ein strategisches Dilemma sei zudem, dass die Terroristen sich unter der Erde besonders effektiv mit Geiseln verschanzen könnten.

Neben Infanterieeinheiten wird Israels Eingreiftruppe auch Panzer und Pioniere umfassen, fügten die Offiziere laut der Zeitung hinzu. Die Bodentruppen bekämen Deckung von Kampfflugzeugen, Kampfhubschraubern, Drohnen und Artillerie vom Land wie auch vom Meer aus, hieß es. Israelische Beamte warnen davor, dass die Hamas israelische Geiseln töten und Zivilisten als menschliche Schutzschilde einsetzen könnte. Zudem hätten sie das Gebiet mit Sprengfallen übersät, berichtete die “New York Times” weiter.

Der Iran und die Hamas berieten sich über eine Stärkung ihres Widerstands gegen Israel. Bei ihrem Treffen in der katarischen Hauptstadt Doha hätten Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian und Hamas-Chef Ismail Haniyeh über Möglichkeiten gesprochen, die “Achse des Widerstands” gegen Israel zu stärken, berichtete die iranische Staatsagentur Irna am Sonntag. Gemeint ist damit eine Allianz militanter Gruppen gegen den jüdischen Staat. Seit der Islamischen Revolution von 1979 ist Israel Irans Erzfeind. Teheran hat seit den 1990er-Jahren seine politischen und militärischen Beziehungen in der Region ausgebaut.

US-Außenminister Antony Blinken hielt unterdessen nach eigenen Angaben ein “sehr produktives” Treffen mit Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman in Riad ab. Die Begegnung habe knapp eine Stunde gedauert, teilte ein Sprecher Blinkens mit. “Die beiden bekräftigten ihr gemeinsames Engagement für den Schutz der Zivilbevölkerung und die Förderung der Stabilität im Nahen Osten und darüber hinaus.” Blinken habe betont, dass es den USA darum gehe, Angriffe der Hamas zu stoppen, die Freilassung aller Geiseln zu gewährleisten und eine Ausbreitung des Konflikts zu verhindern. Salman ist de facto der Herrscher Saudi-Arabiens und einer der einflussreichsten und mächtigsten Politiker in der Region. Saudi-Arabien arbeite seinen Angaben zufolge hart daran, eine Ausweitung des Nahost-Konflikts zu verhindern.

Blinken reiste am Sonntag von Riad nach Kairo weiter, wo er den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi traf. Dieser übte scharfe Kritik an der israelischen Reaktion auf den Hamas-Terror und sprach von einer “kollektiven Bestrafung”. Eine Verzögerung bei der Suche nach Lösungen der Krise werde zu mehr Opfern führen, so Al-Sisi. Es sei sehr wichtig, Spannungen abzubauen und die Lieferung von Hilfsgütern in den abgeriegelten Gazastreifen zu erleichtern. Ägypten bemühe sich überdies, andere Parteien davon abzuhalten, in den Konflikt einzugreifen.

Palästinensische Terroristen hatten vergangenes Wochenende im Auftrag der Hamas ein Massaker unter israelischen Zivilisten in Grenzorten und auf einem Musikfestival angerichtet. Mehr als 1.300 Menschen wurden getötet. Israel antwortet seither mit heftigen Luftangriffen auf Ziele im Gazastreifen.

Papst Franziskus forderte die Freilassung aller Geiseln im Gazastreifen. Beim Angelus-Gebet am Sonntag zeigte er sich besorgt und sprach sich für die Einrichtung humanitärer Korridore in Gaza aus. “Es sind schon sehr viele Menschen gestorben. Man darf kein weiteres unschuldiges Blut vergießen, weder im Nahost noch in der Ukraine. Schluss mit Kriegen, sie sind immer eine Niederlage”, so Franziskus.