Von: luk
Bozen – Im Südtiroler Landtag wurden heute Anträge von Team Autonomie, Grünen, SVP und Süd-Tiroler Freiheit behandelt.
Beschlussantrag Nr. 812/17: Sicherungsarbeiten entlang der Straßeninfrastruktur des Brennerkorridors (eingebracht von der Abg. Artioli am 28.8.2017).
Ein ähnlicher Antrag sei 2015 genehmigt worden, aber noch nicht umgesetzt, kritisierte Elena Artioli (Team Autonomie). Immer wieder werde ein Teil der Strecke verschüttet, es sei deshalb höchste Zeit, Maßnahmen zu ergreifen.
Der Antrag klinge gut, aber man verstehe nicht, was er fordere, meinte Hans Heiss (Grüne). Land und Autobahnverwaltung hätten die Probleme erkannt und gingen sie systematisch an.
LR Florian Mussner bestätigte dies. Nach den Problemen von 2014/15 sei vieles angegangen worden. Der Brennerkorridor sei die wichtigste Verkehrsachse und auch für den Verkehr innerhalb Südtirols von großer Bedeutung. Im Oktober werde die Schutzgalerie bei Atzwang fertig, in Salurn werde die neue Trasse der Staatsstraße in Betrieb genommen, mehrere andere Arbeiten seien inzwischen fertig geworden, weitere seien geplant. Für die Finanzierung nutze man auch EU-Fonds.
Elena Artioli zog ihren Antrag zurück.
Begehrensantrag Nr. 90/17: Ius soli: Das Parlament soll das Gesetzgebungsverfahren abschließen (eingebracht von den Abg. Dello Sbarba, Heiss und Foppa am 28.8.2017). Der Landtag fordert das italienische Parlament auf, innerhalb dieser Legislaturperiode ein Gesetz zu verabschieden, welches das ius soli temperato und das ius culturae zwecks Erwerb der italienischen Staatsbürgerschaft anerkennt.
Die Regierung habe das Ziel nicht aufgegeben, erklärte Riccardo Dello Sbarba (Grüne), auch wenn der Gesetzentwurf nicht mehr auf der Tagesordnung stehe. Viele Mehrheitsparteien sähen es immer noch als wichtiges Ziel. Das derzeitige “ius sanguinis”, das nicht sehr gnädig sei, verhindere eine Einbürgerung nicht gänzlich. 11.500 Personen hätten in Südtirol dadurch die Staatsbürgerschaft erlangt, davon die Hälfte aus der EU, 15 Prozent aus anderen europäischen Ländern. Paradoxerweise ausgeschlossen seien viele, die hier geboren und zur Schule gegangen seien, während andere, die noch nie italienischen Boden betreten hätten, die Staatsbürgerschaft erlangten, weil sie italienische Verwandte hätten. Das abgeschwächte “ius soli”, das für Italien geplant wäre, sehe die Staatsbürgerschaft für jene vor, deren Vater oder Mutter seit mindestens 5 Jahren in Italien sei, deren Unterhalt gesichert sei und die eine Sprachtest bestehen würden. Das sog. “ius culturae” habe einen fünfjährigen Schulbesuch in Italien zur Voraussetzung.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) forderte die SVP auf, Verantwortung zu zeigen. Das Thema sei ohne Demagogie anzugehen. Der PD habe es als absolut dringlich für Italien hingestellt, während die Bevölkerung ganz andere Sorgen habe, nämlich zur Sicherheit, die durch die massive Zuwanderung in Gefahr sei.
Brigitte Foppa (Grüne) erinnerte daran, dass in Italien rund eine Million minderjährige Ausländer leben. Sie würden italienisch sprechen, sogar den jeweiligen Dialekt. Mit dem “ius soli” könnte man die Integration erleichtern. Die Chinesen in Italien seien wenig integriert, auch deshalb, weil sie sich zwischen zwei Staatsbürgerschaften entscheiden müssten und die chinesische beibehalten wollten.
Die Grünen wären für die doppelte Staatsbürgerschaft für alle, nur nicht für die Südtiroler, kritisierte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Es sei ein umgekehrt imperialistisches Modell, wenn man alle ins Land lasse – diese würden dann in ihren Ländern fehlen. Mit dem “ius soli” würden plötzlich Millionen Menschen ohne Integrationsmaßnahmen eingebürgert, das wolle er nicht, das sei eine Einladung, herzukommen. Wenn Menschen integrationswillig seien, dann sollten sie die Möglichkeit zur Einbürgerung haben.
Er sehe die Einbürgerung nicht als Prämie für eine erfolgreiche Integration, sondern als Hilfe zur Integration, erklärte Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung). Es gehe hier nicht um Flüchtlinge, die ja zurück wollten, sondern um die Einwanderung. Alle, die hierher wollten, könne man nicht aufnehmen. In Rom werde das Thema derzeit politisch instrumentalisiert, daher sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Es sei auch nicht sinnvoll, dass jedes europäische Land andere Einbürgerungsregeln habe.
Es gehe hier nicht darum, möglichst viele aufzunehmen, sondern um die Sanierung bestehender Situationen, erklärte Hans Heiss (Grüne). Mit der Einbürgerung fördere man die Integration in ein Wertesystem, das hätten die USA gezeigt. Die Ausländer in einer Grauzone zu lassen, fördere die Frustration.
Die gestrige Entscheidung in Rom sei ein Sieg der Vernunft, meinte Ulli Mair (Freiheitliche). Den Grünen gehe die Überfremdung Italiens und Südtirols nicht schnell genug. Die von Foppa genannten Chinesen lebten in einer Parallelgesellschaft, aber sie würden arbeiten, nicht betteln oder pöbeln. Das “ius soli” sei kein Beitrag zur Integration. Man sollte sich stattdessen an Ländern mit einer strikten Einwanderungspolitik orientieren, wo eine Person sich vor der Einbürgerung jahrelang beweisen müsse.
Die SVP-Vertreter in der Landesregierung würden gegen den Antrag stimmen, kündigte LH Arno Kompatscher an, aber man solle darin nicht einen Koalitionsbruch sehen. Die SVP sei gegen das Gesetz, aber nicht unbedingt für das reine “ius sanguinis”. Der vorliegende Entwurf sei noch lückenhaft, was z.B. die Straffälligkeit von Personen betreffe. Das Thema sei aber absolut anzugehen.
LH-Stv. Christian Tommasini sprach sich für den Antrag aus. Das Thema sei für die Zukunft Italiens wichtig, es gehe auch darum, wie man mit Menschen mit Migrationshintergrund umgehe, vor allem mit ihren Kindern, die hier aufgewachsen seien.
Der Gesetzentwurf sei im Sinne einer besseren Kontrolle der Migrationsflüsse, meinte Riccardo Dello Sbarba. Damit gewähre man jenen Rechte, die sie sich verdienten. Die Migrationsflüsse hätten gegenüber dem Vorjahr stark abgenommen, und zwar durch eine Reihe von Maßnahmen – und hier könnte man auch die Einbürgerung einreihen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf würde sich Italien anderen europäischen Ländern wie Deutschland annähern. Dass einige Punkte noch ungeklärt seien, sei kein Grund, den Antrag abzulehnen, der sich ja nicht auf eine bestimmte Fassung festlege.
Der Antrag wurde mit 5 Ja, 25 Nein und 1 Enthaltung abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 254/14: Vorübergehende Verlegung der Häftlinge von Bozen nach Trient (eingebracht von der Abg. Artioli am 11.11.2014). Der Antrag war bereits im Jänner andiskutiert worden.
Elena Artioli (Team Autonomie) erinnerte LH Kompatscher an seine Zusage für den Fall, dass die Arbeiten für das neue Bozner Gefängnis noch nicht beginnen würden. In Trient sei noch immer ein Trakt frei.
Der Start habe sich etwas verzögert, aber nun könne man den Vertrag mit der Baufirma unterschreiben, erklärte LH Arno Kompatscher.
Elena Artioli, die sich grundsätzlich gegen ein neues Gefängnis in Bozen aussprach, bat um Vertagung.
Beschlussantrag Nr. 372/15: Gesamttiroler Sportlerehrung! (eingebracht von den Abg. Zimmerhofer, Atz Tammerle, Knoll am 29.04.2015). Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. innerhalb von 12 Monaten, gemeinsam mit dem Bundesland Tirol und den zuständigen Vereinen, Verbänden und Behörden ein Konzept auszuarbeiten, das eine Gesamttiroler Sportlerehrung (abwechselnd in Nord-, Süd- und Ost-Tirol) ermöglicht; 2. genannte Gesamttiroler Sportlerehrung erstmals spätestens mit Ende der Wintersaison 2016/17 zu veranstalten. (Der Antrag war bereits im April andiskutiert worden.)
LR Martha Stocker berichtete über ihre Gespräche mit den zuständigen Landesräten in Trient und Innsbruck. Von Trient habe sie noch keine Antwort, Innsbruck habe mitgeteilt, dass das Bundesland Tirol seine eigene Form der Sportlerehrung beizubehalten. Sie werde, auf einer anderen Schiene, einen neuen Vorschlag machen. Der Antrag sei also im Moment nicht mehr zielführend.
Wenn die Euregio lebendig werden solle, müsse man mit etwas Konkretem aktiv werden, antwortete Einbringer Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit).
Der Antrag wurde mit 8 Ja, 17 Nein und 4 Enthaltungen abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 657/16: Männer gesucht – Mehr Lehrer in Schule und Kindergarten! (eingebracht von den Abg. Foppa, Heiss und Dello Sbarba am 22.8.2016). Der Antrag wurde bereits im April andiskutiert. Foppa hat dazu eine neue Fassung vorgelegt: Demnach sollen Männern Einblick in den Alltag von Schule und Kindergarten ermöglicht werden, die Kontakte zwischen Schule und Jugendorganisationen vertieft, die Attraktivität des Studienorts Brixen erhöht und ein attraktives berufsbegleitendes Angebot für Quereinsteiger studiert werden.
“Der Bildungsbereich in unserem Land ist bis zum Ende der Grundschule fest in weiblicher Hand”, stellte Brigitte Foppa (Grüne) fest. In Kindergärten ist der Anteil männlicher Erzieher mit bloßem Auge kaum erkennbar und an unseren Grundschulen sind nur 293 der insgesamt 4.017 Lehrer Männer. Diese Daten gehen aus Erhebungen des ASTAT hervor. Dabei wäre es für die Kinder eine große Bereicherung, in diesen frühen Jahren sowohl weibliche und männliche Lehrkräfte als Rollenvorbilder zu erleben, da heutzutage immer mehr Heranwachsende das ganze erste Jahrzehnt ihres Lebens und teilweise darüber hinaus hauptsächlich mit Frauen zu tun haben: Mutter, Kindergartenerzieherin, Lehrerin. Gerade den Jungen fehlt dann ein komplementäres männliches Leit- und Gegenbild.”
Veronika Stirner (SVP), die den neuen Antrag mit unterzeichnet hat, unterstützte die Forderung. In Kindergärten und Schulen brauche es eine stärkere männliche Präsenz. Bei Sommerprogrammen würden Kinder sehr oft auch von jungen Männern betreut. Die jungen Männer, meist Studenten, zeigten Interesse, und die Kinder hätten eine Freude damit.
Sven Knoll (STF) kündigte die Enthaltung seiner Fraktion an. Der männliche Zugang zum Kindergarten sei ein anderer wie bei der Schule, das fange schon damit an, wenn ein “Kindergartenonkel” Kinder aufs Klo begleiten müsste. Diese beiden Bereiche sollten getrennt behandelt werden.
Sehr bald werde man für Kindergarten und Grundschule Männer und Frauen suchen müssen, die Interesse an dieser Arbeit hätten, meinte LR Philipp Achammer, denn immer weniger würden sich dafür ausbilden. Es wäre gut wenn beide Geschlechter präsent seien. Ein neues Berufsbild sei nicht sinnvoll, das würde eigene Verhandlungen mit den Gewerkschaften bedeuten.
Der Antrag wurde mit 12 Ja, 2 Nein und 12 Enthaltungen angenommen.
Die Sitzung wird morgen wieder aufgenommen.