Trudeau steht parteiintern unter Druck

Kanadischer Premierminister Trudeau kündigte Rücktritt an

Montag, 06. Januar 2025 | 20:23 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters/AFP

Kanadas Premierminister Justin Trudeau hat am Montag seinen Rücktritt als Parteivorsitzender der Liberalen und als Regierungschef angekündigt. Er wolle nur noch so lange im Amt bleiben, bis die Nachfolge geklärt sei, so der 53-Jährige bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der Hauptstadt Ottawa. “Dieses Land verdient eine echte Auswahl bei der nächsten Wahl”, erklärte er, “und mir ist klargeworden, dass ich nicht die beste Alternative bei dieser Wahl sein kann.”

Truedeau bezog sich in Folge auf “interne Kämpfe”, die er ausfechten müsse. “Es ist Zeit für eine Neuausrichtung. Es ist Zeit dafür, dass die Temperaturen wieder herunterkommen, für einen frischen Start der Menschen im Parlament.” Das Parlament solle bis Ende März pausieren, sagte Trudeau weiter. “Robust” und “landesweit” solle der Prozess der Suche eines Nachfolgers erfolgen, kündigte Trudeau an.

Wie und wann genau seine Partei intern einen Nachfolger bestimmen wird und wann eine Neuwahl stattfinden könnte, blieb zunächst noch unklar. Die nächste reguläre Parlamentswahl stünde im Herbst an. Mit einem Misstrauensvotum könnte jedoch auch eine vorgezogene Neuwahl erzwungen werden.

Krisensitzung der liberalen Fraktion am Mittwoch

Für Mittwoch ist eine Krisensitzung der liberalen Fraktion angesetzt. Trudeau steht parteiintern unter Druck, nachdem Umfragen seiner Liberalen Partei eine deutliche Niederlage bei den spätestens im Oktober bevorstehenden Parlamentswahlen voraussagen. Mehrere liberale Abgeordnete haben ihn aus Sorge um die schlechten Umfragewerte der Partei öffentlich zum Rücktritt aufgefordert.

Trudeau hatte den Parteivorsitz 2013 in einer Krisenzeit der Liberalen übernommen und 2015 mit einem progressiven Programm an die Macht gebracht. Mit seiner Frau Sophie Grégoire – von der Trudeau inzwischen getrennt ist – und den drei gemeinsamen Kindern bildete der Sohn des früheren Premierministers Pierre Trudeau (1919-2000) eine “First Family” mit jungem und dynamischem Image.

Seine Amtszeit ist aber von Höhen und Tiefen geprägt: Anfangs für seinen Kurs gefeiert, sah er sich in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, darunter die Corona-Pandemie, steigende Lebenshaltungskosten und Kritik an seiner Einwanderungspolitik.

Laut Umfragen drohen Liberalen deutliche Verluste

Der Rücktritt käme für die Partei laut Medien und Beobachtern aber zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Umfragen zufolge drohen den Liberalen bei den Wahlen deutliche Verluste gegen die Konservativen. Experten erwarten, dass der Rücktritt Trudeaus den Ruf nach vorgezogenen Neuwahlen verstärken könnte, um angesichts der Präsidentschaft von Donald Trump in den USA eine handlungsfähige Regierung zu bilden.

Zuletzt hatte die Kritik an Trudeau allerdings stark zugenommen. Viele Menschen werfen ihm unter anderem vor, dass er seine vielen Versprechen nicht erfüllt habe, dass die Preise zu stark gestiegen seien und es im Land zu wenig Wohnraum gebe. Der Druck auf den Premier wurde zuletzt immer stärker: Rücktrittsforderungen wurden lauter – selbst aus den eigenen Reihen.

Vize Freeland mit lautem Abgang

Die Neue Demokratische Partei, mit der die Liberalen zuvor zusammengearbeitet hatten, entzog ihm bereits das Vertrauen und drohte mit einem Misstrauensvotum. Zuletzt trat auch noch Trudeaus Stellvertreterin und Finanzministerin Chrystia Freeland zurück.

Freeland, der Ansprüche auf die Führung der Liberalen nachgesagt werden, hatte sich mit Kritik an Trudeau aus der Regierung verabschiedet. “In den vergangenen Wochen waren wir uns uneinig über den besten Weg Kanadas in die Zukunft”, erklärte sie in ihrem Rücktrittsschreiben. Trudeau kündigt danach eine Kabinettsumbildung an.

Konservative Partei liegt in den Umfragen weit vorne

Die nächste Wahl steht in Kanada regulär im Herbst an, beispielsweise mit einem Misstrauensvotum könnte jedoch auch eine vorgezogene Neuwahl erzwungen werden. In Umfragen sieht es derzeit gut für die Konservative Partei unter dem Vorsitz von Pierre Poilievre aus. Sie könnte nach derzeitigem Stand um die 40 Prozent der Stimmen auf sich versammeln, während Trudeaus Liberale nur auf etwa 20 Prozent kämen.

Der häufig eher populistisch agierende Poilievre hat unter anderem angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs mehr Häuser bauen lassen zu wollen.

Historisch betrachtet dominieren in Kanada die Liberalen, die sich im politischen Spektrum zwischen Zentrum und Mitte-Links bewegen, seit dem 20. Jahrhundert die Politik. Sie stellten die meisten Premierminister und prägten die vergleichsweise progressive Politik des nordamerikanischen Landes maßgeblich.

Kanada ist das flächenmäßig zweitgrößte Land der Erde, hat rund 40 Millionen Einwohner und ist Mitglied der NATO und der G7.

Trump: Kanada sollte mit den USA fusionieren

Der künftige US-Präsident Donald Trump wiederholte angesichts der Rücktrittsankündigung Trudeaus seinen Vorschlag, Kanada solle mit den USA fusionieren. “Wenn Kanada mit den USA fusionieren würde, gäbe es keine Zölle, die Steuern würden deutlich sinken und sie wären vollständig sicher vor der Bedrohung durch russische und chinesische Schiffe, die sie ständig umgeben”, schrieb Trump am Montag in seinem Onlinedienst Truth Social. “Zusammen – was wäre das für eine großartige Nation”, fügte er hinzu.

Trump hatte Ende November angekündigt, die Importe aus Kanada mit einem Zollsatz von 25 Prozent zu belegen. Nach einem Treffen mit Trudeau in seinem Privatanwesen in Florida spottete der Rechtspopulist, er habe mit einem Gouverneur gemeinsam zu Abend gegessen. “Gouverneur” ist in den USA die Amtsbezeichnung für die Regierungschefs der einzelnen Bundesstaaten. Der Sender Fox News berichtete, Trump habe dem kanadischen Regierungschef gesagt, sein Land solle 51. US-Bundesstaat werden, wenn es die erhöhten Zölle nicht verkraften könne.

Trumps Expansionspläne reichen noch weiter: Wie schon in seiner ersten Amtszeit (2017-2021) erklärte er, er wolle die zu Dänemark gehörende Insel Grönland kaufen. Auch drohte er damit, den Panamakanal wieder unter die Kontrolle der USA zu bringen.

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