Großteil wurde wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz angezeigt

Karner stellt sich nach Palästinenser-Demo hinter Polizei

Donnerstag, 12. Oktober 2023 | 16:27 Uhr

Von: apa

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hat den zurückhaltenden Einsatz der Wiener Polizei bei einer eigentlich untersagten Pro-Palästina-Demonstration Mittwochabend verteidigt. In einer Pressekonferenz verwies er darauf, dass unweit am Ballhausplatz eine “eindrucksvolle Solidaritätskundgebung” für Israel stattfand und es gegolten habe, bei dieser einen sicheren und friedlichen Ablauf zu gewährleisten. Es gab mehr als 300 Anzeigen. Für Samstag ist eine weitere Demo geplant.

Laut Polizei ist am Samstagnachmittag ab 15.00 Uhr eine Standkundgebung in Wien-Favoriten angezeigt, die auch stattfinden darf. “Diese Versammlung wurde geprüft und ein Untersagungsgrund besteht derzeit nicht”, teilte die Polizei der APA am Donnerstagnachmittag mit. Es würden ausreichend Polizisten und Polizistinnen vor Ort sein und für die Sicherheit und Ordnung Sorge tragen. Der Veranstalter, eine Privatperson, erwarte mehr als 100 Personen.

Insgesamt 304 Identitäten wurden laut Exekutive rund um die untersagte Kundgebung am Wiener Stephansplatz festgestellt. Eine Person wurde nach dem Strafgesetzbuch wegen gefährlicher Drohung, 292 nach dem Versammlungsgesetz und elf Personen wegen anderer verwaltungsrechtlicher Delikte, beispielsweise wegen aggressivem Verhalten, angezeigt.

Die Polizei hatte selbst bekundet, die verbotene Kundgebung aus “einsatztaktischen Gründen” nicht physisch aufgelöst zu haben. Weil die Demonstranten den mehrfachen Aufforderungen, die nicht rechtmäßige Kundgebung zu verlassen, nicht nachkamen, wurden sie eingekesselt. Erst als die friedliche und ruhige Gedenkveranstaltung für die Opfer und Vermissten in Israel am Ballhausplatz beendet war, wurde die verbotene Demonstration am Stephansplatz aufgelöst. Hierfür dürften auch zahlreiche Polizeikräfte gebunden gewesen sein, um die anwesenden Regierungsmitglieder zu schützen, weshalb es am Stephansplatz zunächst keine weitere Verstärkung gab.

Kurz vor 21.00 Uhr durfte rund die Hälfte der eingekesselten Personen gehen, von den restlichen wurde die Identität festgestellt. Durch die Kesselung sei ein “geordnetes Abströmen in die Wege” geleitet und Identitätsfeststellungen sichergestellt worden, bilanzierte die Polizei. Außerdem sei es gelungen, “die illegale Versammlung stationär zu halten und eine Verlagerung Richtung Ballhausplatz zu verhindern”, so das Fazit der Exekutive. Initiiert hatte die dortige Veranstaltung die Israelitische Kultusgemeinde. Eine Störung der Gedenkzeremonie und damit zusammenhängende Ausschreitungen zu verhindern, sei das “oberste Ziel des polizeilichen Einsatzes” gewesen.

Die Polizei betonte in einer Aussendung am Donnerstag auch, dass im Zuge des Einsatzes am Stephansplatz zahlreiche staatspolizeiliche Erkenntnisse gewonnen werden konnten.

Karner sagte am Donnerstag, er sei mit der Vorgangsweise der Wiener Polizei “ausdrücklich zufrieden”. Man habe die Kundgebung zunächst zugelassen, bei Vorliegen neuer Informationen, dass es zu Gewalt kommen könnte, diese aber untersagt. So werde man auch bei künftigen Ankündigungen Fall für Fall prüfen und nach Versammlungsgesetz und Gefahreneinschätzung vorgehen.

Beim Einsatz am Mittwoch sei sensibel aber konsequent vorgegangen worden, verwies Karner auf die Einkesselung der Demonstranten. So sei es auch gelungen, dass die Solidaritätskundgebung nicht gestört worden sei. Zudem habe es bei keiner der Veranstaltungen Verletzungen gegeben.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) übte am Donnerstag Kritik an den Kundgebungen – weil dort antisemitische Äußerungen gefallen und im Vorfeld entsprechende Plakate verbreitet worden sind. “Das ist zu verurteilen”, sagte er am Rande einer Pressekonferenz. Für ein generelles Verbot trete er aber nicht ein, betonte er. Die Prüfung solcher Demonstrationen sei Sache der Exekutive.

“Ich habe größtes Vertrauen in die Arbeit der Polizei”, sagte der Bürgermeister. Auch das Verbot der Kundgebung am Mittwoch sei nicht leichtfertig getroffen worden. Am Abend sei die Polizei dann mit “Augenmaß” vorgegangen. Sie habe sichergestellt, dass Ruhe und Sicherheit in Wien nicht gefährdet seien. “Ich gehe sehr davon aus, dass das in Zukunft so sein wird und bei angekündigten Demonstrationen ebenfalls auf Basis der Gesetze und mit Augenmaß entschieden wird.”

Ludwig hatte am Mittwoch an der Gedenkkundgebung für die Opfer teilgenommen. Er habe auch dort betont, dass jede Form von Antisemitismus abzulehnen sei. Das würden auch alle Religionsgemeinschaften in Wien so sehen, versicherte er. “Es ist alles zu Unternehmen, dass Israel-Fahnen natürlich offen getragen werden können, so wie auch die Kippa, so wie auch das Kopftuch”, fügte Ludwig hinzu. Wien sei eine weltoffene Stadt, Gewalt – auch wenn es eine verbale sei – habe hier keinen Platz.

Scharfe Kritik an Karner übte der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp. Dieser habe die Kontrolle über die Sicherheitslage in Wien und ganz Österreich verloren, meinte er in einer Aussendung: “Sein Versagen, die Durchführung einer illegalen und hasserfüllten Demonstration zu verhindern, hat die Verbreitung von Antisemitismus auf offener Straße ermöglicht.”

Polizeipräsident Gerhard Pürstl hatte am Mittwochnachmittag die für den Abend angemeldete Kundgebung kurzfristig untersagt. Der Schritt sei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit “zulässig und geboten”. Bei einem kurzfristig einberufenen Pressetermin hatte Pürstl das Verbot mit den Worten begründet, dass man verhindern habe müssen, “dass der gewalttätige Konflikt im Nahen Osten auf die Straßen Wiens getragen wird”.