Von: luk
Bozen – Gemäß Landesgesetz Nr. 11 vom 9. Oktober 2020 hat die Kinder- und Jugendanwältin Daniela Höller den Jahresbericht 2020 über die Tätigkeiten ihres Amtes erarbeitet.
“Das vergangene Jahr war geprägt von Monaten voller Herausforderungen und Schwierigkeiten. Unsere Arbeit hat sich insbesondere auf bereits bestehende Härtefälle konzentriert, welche sich durch die Notsituation weiter verschärft haben, und auf Problematiken, welche durch die Pandemie entstanden sind. Im Jahr 2020 verzeichnete mein Büro einen Anstieg neuer Fälle um 39,78 Prozent im Vergleich zum Vorjahr”, so Kinder- und Jugendanwältin Höller.
Im vergangenen Jahr bearbeitete die Kinder- und Jugendanwaltschaft insgesamt 1.173 Akten. Die Themen betrafen vor allem Schule, Zusammenarbeit mit anderen Behörden, Gesundheit, Trennung und Scheidung, unbegleitete ausländische Minderjährige, Situationen mit Mehrfachproblemen, Jugendschutz, Familienkonflikte, Gewalt und Missbrauch, Kindergarten, Mobbing und Cybermobbing, Amtsinternes, Internet, Adoption und Umzug. Der Erstkontakt wird meist von Müttern (28 Prozent) und anderen Kontaktpersonen (15,7 Prozent) aufgenommen.
“Die Themen, mit denen sich das Büro beschäftigte, betrafen vor allem das schulische Umfeld, das von der Pandemie besonders betroffen war. Die Schließung von Schulen und die Organisation des Fernunterrichts stellten eine Herausforderung für alle Schülerinnen und Schüler dar, insbesondere für Kinder und Jugendliche mit einer Beeinträchtigung oder mit besonderen Bildungsbedürfnissen.” Die Kinder- und Jugendanwältin und ihr Team befassten sich auch mit anderen Fragen, die mit dem Lockdown und der Pandemie im Allgemeinen zusammenhingen, wie etwa der Ausübung des Besuchsrechtes infolge von Trennung und Scheidung der Eltern sowohl im Land als auch grenzüberschreitend, der Einhaltung von Schutz- und Quarantänemaßnahmen, Fragen der Kinderbetreuung und der Bewegungsfreiheit von Kindern und Jugendlichen sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf während des Lockdowns.
“Es war mir auch ein Anliegen, die Verantwortlichen und die Öffentlichkeit auf jene Kinder hinzuweisen, die sich bereits vor der Ausbreitung des Virus in einer schwierigen Situation befanden und die in einer Krisenzeit noch mehr Aufmerksamkeit benötigen, d.h. Kinder aus armutsgefährdeten oder armutsbetroffenen Familien, Kinder mit Migrationshintergrund oder mit psychischen Problemen. Nicht zu unterschätzen sind auch die indirekten Folgen der Pandemie: Diskontinuität der medizinischen Dienste, weniger Zugänge bei der Ersten Hilfe und anderen Diensten aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus und damit verbundene Verzögerungen bei der Diagnose, Unterbrechung der Therapien, eingeschränkter Zugang zu Sport- und Freizeitaktivitäten mit damit verbundenem Bewegungsmangel, Verschlechterung des Lebensstils und der Essgewohnheiten sowie Verschärfung der sozialen Ungleichheiten im Allgemeinen”, so Kinder- und Jugendanwältin Höller.
“Sich nur mehr zuhause aufhalten zu können, erhöht ebenfalls das Risiko von Gewaltsituationen; nicht zur Schule gehen zu können, ist ein besonders großes Problem für Minderjährige in schwierigen Situationen oder unbegleitete Minderjährige.
Im letzten Jahr gab es 27 Situationen, in denen sie es für notwendig erachtete, ihren Standpunkt in Form von Stellungnahmen zum Ausdruck zu bringen. Das Büro der Kinder- und Jugendanwältin stellte auch einen Anstieg der Meldungen über Fälle von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche fest, insbesondere nach dem Ende des ersten Lockdowns im vergangenen Frühjahr (von Mitte Mai bis Ende Dezember 2020 gab es 36,4 Prozent mehr Meldungen als im gleichen Zeitraum 2019).
Für das Jahr 2020 hatte die Kinder- und Jugendanwältin zahlreiche Vorträge und Referate in Schulen und Jugendeinrichtungen geplant. Im Januar und Februar konnten diese regulär abgehalten werden, während jene in den Folgemonaten, nach Möglichkeit online abgehalten oder verschoben wurden. Dank dieser Treffen konnte die Kinder- und Jugendanwaltschaft trotzdem 820 Minderjährige erreichen”, heißt es weiter.
Ein weiterer Bereich, in dem sich Daniela Höller und ihr Team engagierten, war der der freiwilligen Vormundschaft: 2020 wurde erstmals ein zweisprachiger Grundkurs für freiwillige Vormunde von nicht begleiteten ausländischen Minderjährigen organisiert. Darüber hinaus wurden drei Monitoringtreffen abgehalten.
Auch die Vernetzung nahm einen wichtigen Raum in der täglichen Arbeit der Kinder- und Jugendanwältin ein, die an zahlreichen Arbeitsgruppen (hauptsächlich online) sowohl auf regionaler, nationaler als auch internationaler Ebene teilnahm. “Die Arbeitsgruppen sind von grundlegender Bedeutung, um Synergien und Strategien zwischen den Akteuren vor Ort im Interesse der Minderjährigen zu schaffen, und noch nie wurde so deutlich wie in diesem Jahr, wie notwendig es ist, dass die Institutionen zusammenarbeiten und ihre Kräfte bündeln, um den Bedürfnissen und Anliegen von Kindern und Jugendlichen Stimme und Gewicht zu verleihen.”
Präsident Josef Noggler bedankte sich daraufhin bei Daniela Höller und übergab das Wort an die Abgeordneten, die ihre Fragen stellten.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) berichtete, dass er von vielen Jugendlichen kontaktiert worden sei, die sich einerseits darüber beklagten, dass sie ihrer Jugend beraubt worden seien, und andererseits, dass ihnen vorgeworfen werde, sich nicht an die Regeln zu halten. Er berichtete auch von übermäßigen Polizeieinsätzen. Eine Erklärung der Verordnungen wäre hilfreich. Brigitte Foppa (Fraktion der Grünen) sagte, sie sei erstaunt über die Daten zu Familien, die wie ein geschützter Bereich erschienen, aber manchmal eine Falle seien, und fragte, wie die Politik eingreifen könne. Landesrat Philipp Achammer bedankte sich bei Höller für ihre gute Arbeit, wies auf die Auswirkungen von Schulschließungen auf die Lebensumstände von Jugendlichen und Kindern hin und fragte Höller, was nun in diesem Bereich geändert werden kann. Franz Locher (SVP) fragte, ob es sich bei den offenen Akten um neue Kinder oder bekannte Kinder handelt. Landesrätin Waltraud Deeg bedankte sich für die Zusammenarbeit auch im Familienbeirat und sprach auch der Gleichstellungsrätin ihren Dank aus. Sie fragte, ob Höller es für notwendig erachte, neue Strukturen zu schaffen. Franz Ploner (Team K) fragte nach dem Bioethik-Kodex für Kinder und Jugendliche und nach den absoluten Zahlen von Gewaltfällen sowie nach Informationen über verspätete medizinische Diagnosen. Gerhard Lanz (SVP) wies darauf hin, dass in vielen Bereichen von Rechten die Rede sei und dabei vergessen werde, dass jedes Recht auch Pflichten gegenüber der Gesellschaft mit sich bringe, und fragte, wie dies vermittelt werden könne.
Daniela Höller bestätigte, dass ihr die von Knoll berichteten Probleme bekannt seien und sagte, dass sie die Möglichkeit hat, Stellungnahmen zu einigen Verordnungen zu veröffentlichen und dies in einigen Fällen auch getan hat. Anschließend berichtete sie über die Zivilcourage von Menschen, die, obwohl sie die Kinder nicht persönlich kennen, von kritischen Situationen berichten. Was die Zeit nach der Pandemie betrifft, so kehrt man jetzt zum Alltag zurück, aber es ist wichtig, darüber zu sprechen, was während der Pandemie passiert ist. Die Angebote sollten dort verbessert werden, wo Mängel festgestellt wurden, wobei Jugendliche und Kinder, insbesondere mit Behinderungen und Migrationshintergrund, besser betreut werden müssten. Jetzt, wo die Schulen wieder offen sind, gibt es mehr Meldungen, während es im Sommer weniger sind; neben neuen Fällen gibt es auch alte Fälle, die wiederkehren. Die bereits bestehenden Projekte für die ersten Jahre der Kindheit, mit Beratung für Eltern, sind positive und geschätzte Angebote, die beibehalten werden müssen. Kinderrechte könnten bereits in Kindergärten besprochen werden. Der Bioethik-Kodex, der im letzten Sommer erarbeitet wurde, enthält verschiedene Rechte in Bezug auf Gesundheit und Gesundheitsdienste, zum Beispiel für die Aufnahme von Jugendlichen mit psychischen Problemen im Krankenhaus, deren Kontakt zu Eltern und Freunden aufrechterhalten werden muss. Vertreter dieses Bereiches bestätigten die Verzögerung bei der Diagnose von Pathologien und bei Impfungen, es gibt immer noch Probleme bei nicht dringenden Therapien, wie Logo- und Ergotherapie. In einer Notsituation gibt es mehrere Rechte, vor allem das auf Gesundheit, Bildung und Gemeinschaft, die natürlich mit einem Kompromiss abgewogen werden müssen.
Die Gleichstellungsrätin Michela Morandini ergriff daraufhin das Wort und wies darauf hin, dass es ein individuelles Recht gibt, aber auch ein Recht, das die Gesellschaft betrifft, und dass es notwendig ist, einen Konflikt zwischen diesen beiden zu vermeiden.