Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute mit dem Beschlussantrag Nr. 886/18: Wahlfreiheit bei Kinderbetreuung und gerechtere Rentenabsicherung von Müttern (eingebracht von den Abg. Atz Tammerle, Knoll und Zimmerhofer am 16.2.2018) befasst.
Laut Antrag beauftragt der Landtag die Landesregierung, erheben zu lassen, wie viele Mütter, die in den letzten drei Jahren ein Kind zur Welt gebracht haben, es vorziehen würden, mehr als sechs Monate weiterhin ganztägig bei ihrem Kind zu bleiben, wenn ihnen dabei ihr Arbeitsplatz garantiert bliebe und die Zeit als Erziehungszeit für die Rentenversicherung angerechnet würde. Außerdem spricht sich der Landtag laut Antrag dafür aus, dass Müttern die Wahlfreiheit bei der Betreuung ihrer Kinder gewährt wird und beauftragt die Landesregierung, sich dafür zu verwenden, dass dieselben finanziellen Mittel, die die Mütter für die externe Betreuung ihrer Kinder erhalten, für einen zu definierenden Zeitraum in die Rentenabsicherung jener Mütter fließen, die über die sechsmonatige Elternzeit hinaus ihre Kinder selbst ganztägig betreuen wollen. Zudem sollte sich der Landtag für die Anerkennung der Erziehungs- und Pflegejahre für die Rentenjahre aussprechen und die Landesregierung beauftragen, gemeinsam mit Vertretern des NISF/INPS die Anrechenbarkeit der Erziehungs- und Pflegejahre zu prüfen und bei Machbarkeit umzusetzen.
“Nach wie vor erhalten Frauen in Berufen wie beispielsweise im Bildungs- und Sozialbereich rund 17 Prozent weniger Lohn als Männer”, stellte Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) fest. “Auf ein ganzes Jahr hochgerechnet, bedeutet dies, dass Frauen für 60 Tage Arbeit im Jahr keinen Lohn beziehen. Dieser Lohnunterschied wirkt sich letztendlich auch auf die Rente aus. Einer Studie des ASTAT zufolge beziehen doppelt so viele Frauen wie Männer in Südtirol eine Rente unter 1000 Euro im Monat, das sind rund 37.000 Südtirolerinnen. Beträgt bei den Löhnen der Unterschied zwischen Männern und Frauen 17 Prozent, zeigen bei der Rente die statistisch erhobenen Zahlen ein noch größeres Ungleichgewicht: Die Rentenbeiträge für Frauen sind um sage und schreibe 51 Prozent niedriger als für Männer. Die Ungleichbehandlung der Frauen wird in mehreren Gegebenheiten deutlich: Frauen werden ihrer Rentenversicherungsjahre beraubt. Frauen wird die Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung verwehrt. Frauen entwickeln ihren Kindern gegenüber Schuldgefühle, wenn sie gegen ihre Überzeugung ihre Kinder aus beruflichen Gründen in die Obhut anderer geben müssen. Frauen verzeichnen auf Grund dieser Schuldgefühle eine Verminderung ihrer Produktivität am Arbeitsplatz. Frauen werden, dadurch dass sie sich mit der Situation nicht identifizieren können, psychischen Belastungen ausgesetzt.”
Maria Hochgruber Kuenzer (SVP) erinnerte an die vielen Begehrensanträge, die der Landtag nach Rom übermittelt habe, um die Rentenabsicherung der Erziehungszeiten zu erreichen. Die Region habe bereits einen Schritt in diese Richtung gesetzt und gebe einen Beitrag zur Rentenbeitragszahlung. Leider würden auch Patronate dazu raten, zu kündigen und anstelle des Regionalbeitrags das Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen. Man werde das Anliegen der neuen Senatorin Unterberger unterbreiten, die seinerzeit einen dieser Begehrensanträge formuliert habe.
Sven Knoll (STF) bedauerte, dass die gesellschaftliche Anerkennung für Frauen, die daheim bei ihren Kindern blieben, nicht hoch sei. Diese Frauen blieben nicht daheim, weil sie nichts gelernt hätten, sondern weil sie eine bewusste Entscheidung getroffen hätten. Erziehungsarbeit sei auch Arbeit, die überdies den Staat viel kosten würde, wenn er sie übernehmen würde.
Ulli Mair (Freiheitliche) erinnerte an die freiheitlichen Anträge von 2004 und 2005 mit derselben Stoßrichtung. Es wäre an der Zeit, einmal zu erheben, wie viele Frauen lieber daheim bei den Kindern bleiben würden. Die SVP habe als Alleinvertreterin in Rom die Pflicht diese Anträge des Landtags dort weiterzubringen.
Die Wahlfreiheit existiere heute nicht, meinte Andreas Pöder (BürgerUnion). Für die Erziehung daheim gebe es 280 Euro, während ein Platz in der Kindertagesstätte 1.500 Euro im Monat koste. Eine ASGB-Umfrage habe ergeben, dass die meisten Mütter lieber daheim bleiben würden, aber das werde von der Landesregierung ignoriert. Viele Eltern würden ihre Kinder auch deswegen in Fremdbetreuung geben, da sie zu faul seien, sie zu erziehen.
Brigitte Foppa (Grüne) bezeichnete Letzteres als Unterstellung. Sie unterstützte den 3. Punkt des Antrags und forderte dazu auf, auch die Väter zu berücksichtigen. Wenn die Betreuungseinrichtungen zu wenig Kinder hätten, könnten sie sich nicht halten, gäbe es sie nicht, gäbe es auch keine Wahlfreiheit.
Manche im Saal hätten verpasst, was sich in den letzten Jahren in dieser Sache getan habe, meinte LR Waltraud Deeg. Der Antrag habe den falschen Adressaten, da die Zuständigkeit für die Renten beim Staat liege. Deeg forderte dazu auf, die Erziehung daheim und in einer Einrichtung nicht gegeneinander auszuspielen. Dass die Politik die Arbeit der Mütter nicht wertschätze, sei nicht wahr. Sie nannte eine Reihe von Unterstützungen, die bereits geboten würden, für eine Mutter, die ihre Kinder daheim erziehe kämen da 18.000 Euro in 24 Monaten zusammen. Eine direkte Einzahlung der Rentenbeiträge vom Land an das Inps sei nicht erlaubt, das Land könne auch die Elternzeiten nicht regeln, das sei Sache der Kollektivverträge. Die Erhebung, die der Antrag fordere, sei bereits in der Familienstudie enthalten. Man werde jedenfalls in Rom am Ball bleiben, um die Rentenabsicherung zu erreichen.
Myriam Atz Tammerle wies darauf hin, dass durch die EEVE eine Verschlechterung auch für die Mütter eingetreten sei. Sie habe ihren Antrag an die Landesregierung gerichtet, weil man in Rom derzeit nicht wisse, wer der Ansprechpartner sei. Die Realität sei derzeit so, dass Mütter gezwungen seien, ihr Kleinkind nach sechs Monaten an eine Einrichtung abzugeben. Die Wahlfreiheit existiere nicht.
Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 883/18: Das Land soll die Mobilität der in Behandlung stehenden Patienten mit seltenen Krankheiten gewährleisten (eingebracht vom Abg. Urzì am 14.2.2018). Die Landesregierung soll verpflichtet werden, sich beim Südtiroler Sanitätsbetrieb für die Ermittlung der wirksamsten Strategien einzusetzen, um die Mobilität der medikamentös behandelten Patienten, die an einer seltenen Krankheit leiden, zu gewährleisten.
“In einem Schreiben vom 16. Januar 2018 forderte das Gesundheitsministerium die Regionen (und auch die Autonome Provinz Bozen) auf, organisatorische Lösungen zu finden, um die Mobilität der medikamentös behandelten Patienten zu gewährleisten, selbst wenn der Therapieplan periodische Kontrollen zwischen den einzelnen Behandlungen vorsieht”, erklärte Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore). “Die in Südtirol wohnhaften Patienten haben auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die benötigten Arzneimittel der Klasse H (im Krankenhaus verabreichte Medikamente, nicht in den Apotheken erhältlich sind) zu erhalten, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum außerhalb Südtirols befinden. Derzeit haben die Südtiroler Patienten, die unter einer chronischen und seltenen Krankheit leiden, keine Möglichkeit, die Medikamente, die sie zur Weiterführung ihrer Therapie brauchen, in anderen Regionen zu bekommen, während die Menge an Arzneimitteln, die sie in Bozen erhalten, nicht ausreicht, um den gesamten Aufenthalt an einem anderen Ort abzudecken.”
Sven Knoll (STF) unterstützte den Antrag. Viele müssten sich auch aus beruflichen Gründen außerhalb Südtirols aufhalten, ebenso gebe es Touristen, die in Südtirol Urlaub machten. Dies mache deutlich, wie wichtig eine europaweite Zusammenarbeit der Krankenhäuser sei. Knoll wies auch auf den verbreiteten Wunsch von Patienten nach Wahlfreiheit hin, so wollten entscheiden, wo sie behandelt werden, und gerade bei Schwerkranken habe das Gefühl, am geeignetsten Ort behandelt zu werden, Auswirkungen auf die Therapie.
Auch Brigitte Foppa (Grüne) plädierte für den Antrag und erinnerte an den gerade Begangenen Tag der seltenen Krankheiten. Ulli Mair (F) fragte, wie viele in Südtirol an einer seltenen Krankheit leiden.
Es seien über 1.000, antwortete LR Martha Stocker. Das Land sei zur Behandlung dieser Krankheiten mit anderen Regionen vernetzt. Die Mobilität dieser Patienten werde auf staatlicher Ebene geregelt, da habe das Land keinen Zugriff. Die Medikamentenabgabe sei streng geregelt, was aber auch gerechtfertigt sei. Bei längerer Abwesenheit von Südtirol müsse wieder eine bestimmte Prozedur eingehalten werden, etwa eine Untersuchung zur Erneuerung der Verschreibung.
Man könne auch eine neue Prozedur aushandeln, meinte Alessandro Urzì und bot an, den Antrag in diesem Sinne neu zu formulieren.
LR Martha Stocker wies darauf hin, dass bei solchen Kranken immer eine genaue Dokumentation vorgeschrieben sei. Sie wüsste nicht, worin die Erleichterung dann bestehen sollte. Der Antrag wurde mit 14 Ja und 16 Nein abgelehnt.