Von: apa
Die im Zuge der Koalitionsverhandlungen eingesetzten Arbeitsgruppen dürften heute ihre Arbeit abschließen. Nächste wichtige Etappe der Koalitionsgespräche sind interne Sitzungen der Parteien, wobei die NEOS ihre Spitzenrepräsentanten bereits heute zusammenzogen. ÖVP und SPÖ folgen dann am Montag. Bis dahin werden wohl schon die erneuerten EU-Zahlen in Sachen Budgetkonsolidierung vorliegen.
Die Stimmung in den Verhandlungen hatte sich zuletzt wieder eingetrübt, was auf Aussagen aus dem Wirtschaftsflügel von ÖVP und NEOS zurückzuführen ist. Wenn SPÖ-Chef Andreas Babler seine “ideologische Brille” nicht ablege, werde es “schwierig sein zusammenzukommen”, meinte etwa Wirtschaftsbund-Obmann Harald Mahrer in den “Salzburger Nachrichten”.
Während ÖVP-Chef Karl Nehammer steuerliche Maßnahmen nicht ausgeschlossen hat, kommt von Mahrer ein kategorisches Nein zumindest zu neuen Steuern. Auch “zusätzliche Sündensteuern auf Zucker, Alkohol und Tabak”, wie sie erwogen werden, lehnt der Kammerpräsident ab: “Ich halte nichts von moralisierenden Vorschriften und einer Gesellschaft, in der von oben herab bestimmt wird, was die Bürger tun dürfen.”
Nicht positiver klingt NEOS-Mandatar Josef Schellhorn, der schon Anfang der Woche im ORF die Chancen auf eine Einigung mit schlanken 25 Prozent eingeschätzt hatte. In den “SN” begründet er das damit, dass sich die SPÖ bei Arbeit und Wirtschaft zu wenig bewege, die ÖVP wiederum in Sachen Föderalismus.
Tatsächlich ist es so, dass sich der für Steuer- und Wirtschaftsfragen zuständige Cluster als jener erwiesen hat, in dem am wenigsten weitergegangen ist. Aus den anderen Bereichen von Soziales über Verkehr bis hin zu Asyl werden guten Fortschritte gemeldet. Geplant ist, die Cluster noch am Freitag abzuschließen. Allerdings wurde ohne allseits anerkannte Budgetzahlen verhandelt, da die ÖVP auf die aktualisierten Daten der EU warten will, die für Sonntag erwartet werden.
Da geht es auch um die Frage, ob es letztlich zu einem Defizitverfahren kommt, wobei die SPÖ dieses sogar bevorzugen würde, weil der unmittelbare Spardruck da geringer wäre. Die FPÖ wandte sich am Freitag per Aussendung vehement dagegen. Um ein EU-Defizitverfahren abzuwehren, soll Wien bis Mitte Jänner entsprechende Maßnahmen nach Brüssel melden. Finanzminister Gunter Mayr bekräftigte dies am Dienstag in Brüssel und betonte, Österreich werde alles daransetzen, ein Defizitverfahren zu vermeiden.
Brüssel will in den nächsten Tagen einen neuen “Referenzpfad” für die Planung der Netto-Ausgaben an Wien übermitteln. Mit der Reform der EU-Schuldenregeln müssen die EU-Länder heuer erstmals Budgetpläne vorlegen. Mit der Reform wird Ländern, die die Maastricht-Kriterien für Budgetdefizit und Staatsschulden nicht erfüllen, mehr Flexibilität beim Erreichen dieser Ziele eingeräumt. Mit welchen Maßnahmen sie das Ziel erreichen wollen, müssen sie in Fiskal-Struktur-Plänen festlegen.
Österreich zählt zu fünf Ländern, die ihren nationalen Plan noch nicht eingereicht haben. Begründet wurde dies mit den laufenden Regierungsverhandlungen. Länder, die die Maastricht-Kriterien überschreiten, erhalten vor der Vorlage ihres Planes Referenzpfade der EU-Kommission. Ein erster Referenzpfad war bereits Ende Juni nach Wien gegangen, da die Frist für die Vorlage der Pläne eigentlich Ende September war.
Die Europäische Kommission erwägt jedenfalls die Eröffnung eines Defizitverfahrens gegen Österreich, da das Budgetdefizit über dem Maastricht-Kriterium von drei Prozent des BIP liegt. Nächster Schritt wäre, dem Rat der Wirtschafts- und Finanzminister zu empfehlen, ein “übermäßiges Defizit festzustellen”. Dies könnte beim nächsten Treffen im Jänner erfolgen. EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis hatte am Dienstag beim letzten Rat betont, die Kommission müsse “konkrete Maßnahmen sehen”, um vom Defizitverfahren abzulassen. Laut Angaben aus der EU-Kommission hat Wien aber nun um Aufschub gebeten.
Was in den Verhandlungen bisher geschah, wird nun jedenfalls in den Partei-Gremien besprochen. Die NEOS berieten sich am Freitag Nachmittag intern. Dabei ging es zunächst einmal darum, dass sich Parteichefin Beate Meinl-Reisinger aus allen Untergruppen berichten ließ, sowohl über erzielte Erfolge als auch über Atmosphärisches. Kommentar gab es nachher keinen, vielmehr wurde auf die Termine nächster Woche mit den anderen Parteien verwiesen. Die interne Meinungsbildung der Pinken werde auch über das Wochenende fortgesetzt. Eigens einen Parteivorstand einzuberufen, sei nicht nötig, seien doch alle Mitglieder ständig bei den Beratungen dabei. Dem Vernehmen nach wünscht man sich mehr Drive bei den Gesprächen.
Die ÖVP kommt am Montag online zu einer informellen Sitzung zusammen. Zwar sind alle Spitzenrepräsentanten der Partei vertreten, ein formeller Vorstand ist es aber nicht. Nicht viel anders ist das Prozedere bei der SPÖ. Dort gibt es zwar ein Präsidium. Doch auch das tagt online und es soll keine Beschlüsse geben.
Über das Wochenende soll davor noch weiter gesprochen werden, allenfalls auch schon die Auswirkungen der neuen Brüsseler Daten eingepreist werden. Wie es in den kommenden Wochen weitergeht, dürfte am Dienstag entschieden werden. Da ist erstmals seit längerem wieder eine Sitzung der Steuerungsgruppe angesetzt.
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