Von: apa
Zwei Tage nach Platzen der blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen dürften nun Gespräche zwischen ÖVP und SPÖ im Laufen sein. Doch man gibt sich in beiden Parteien geheimnisvoll. Aus der SPÖ war auf Anfrage von “intensiven Gesprächen” nicht nur mit der ÖVP die Rede. Ins Detail wolle man fürs Erste nicht gehen. Die Volkspartei betonte, zwar keine Verhandlungen zu führen, allerdings Gespräche und das ebenfalls mit allen Parteien.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte in den vergangenen beiden Tagen die Vorsitzenden aller Parlamentsparteien getroffen und ausgelotet, was für Optionen noch möglich sind. Nun wartet man ab, ob sich einzelne Parteien so weit zusammenfinden, dass sie in Koalitionsverhandlungen gehen. Erst dann wird es weitere Schritte der Hofburg geben.
“Es gibt keine Verhandlungen, aber auf Wunsch des Bundespräsidenten werden wir Gespräche mit den anderen Parteien führen”, hörte man aus der ÖVP am Freitag. Mit wem und wann genau gesprochen wird, wurde aber nicht bekannt gegeben.
Stelzer hofft auf erfolgreiche Regierungsbildung
Ausführlicher äußerte sich der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), der am Vortag VP-Chef Christian Stocker in die Hofburg begleitet hatte. Bei einem Pressetermin meinte er, dass die ÖVP in den letzten Monaten gezeigt habe bereit zu sein, “über unseren sogenannten ideologischen Schatten zu springen, dass wir auch an pragmatischen Lösungen interessiert sind”. Er hoffe, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen sei, dass dann auch einmal eine Regierung dabei herausschaue: “Wichtig ist, dass jetzt alle auch erkennen, dass es für politische Spielchen oder ideologischen Zinnober nicht mehr Zeit und Spielräume gibt.”
Neuwahlen würden dem Land jedenfalls “massiv schaden”. Was es brauche, sei eine Regierung mit einer Mehrheit. Dies gilt für Stelzer auch, wenn sie nur ein Mandat Überhang hat: “Mehrheit ist Mehrheit.”
Scheitern würde es für Stelzer nicht daran, dass der in der ÖVP wenig beliebte Andreas Babler SPÖ-Verhandlungsführer ist: “Wer für eine Partei spricht oder dort auftritt, das muss auch die jeweilige Partei für sich selber entscheiden.” An VP-Chef Stocker hält der Landeshauptmann fest. Dieser werde, je nachdem wozu es komme, auch der Spitzenrepräsentant der ÖVP sein.
Mattle weiter für Dreierkoalition, Babler-Rückzug “klare Empfehlung”
Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) trat unterdessen in der “Tiroler Tageszeitung” (Freitagsausgabe) erneut für eine Dreierkoalition zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS ein. Er sei davon überzeugt, dass “ein rascher Abschluss einer Koalition der Mitte unter Führung der Volkspartei möglich” sei, erklärte Mattle. Indes blieb Tirols Landeschef bei seiner Ablehnung einer Beteiligung von SPÖ-Chef Babler an einer solchen künftigen Koalition, schwächte seinen kürzlichen Vorstoß aber von der Tonalität her ein klein wenig ab: “Mein Vorschlag, dass sich Babler aus dem Verhandlungsteam zurückzieht und einen Schritt zur Seite macht, war keine Bedingung, aber eine klare Empfehlung.”
SPÖ will verhandeln
Babler hatte sich gestern in zwei Medien-Auftritten eher kryptisch geäußert. In weiten Teilen der Partei wird aber versichert, dass man sehr wohl Interesse hat, es mit der ÖVP noch einmal zu versuchen. Nicht umsonst hat die SPÖ ein Verhandlungsteam aufgestellt, dem neben Babler unter anderem auch die Dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures angehört, die als Vertraute von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig auch bei der ÖVP als Verhandlungspartnerin wohl gelitten ist. Sie weilt allerdings noch bis Samstag in New York.
Derzeit wird eher davon ausgegangen, dass es Volkspartei und Sozialdemokraten auf eine Zweier-Koalition anlegen und quasi Themen-Partnerschaften mit NEOS und allenfalls Grünen suchen, um die schwache Mehrheit von einem Mandat abzusichern. Erstmals heikel wird das beim Budget-Beschluss, wo ja sogar ein Doppel-Budget in Planung ist. Auch VP-Chef Christian Stocker war zuletzt vage geblieben, hatte aber zumindest klar gemacht, dass man eine Absicherung brauchen werde.
NEOS und Grüne warten ab
Die NEOS hatten am Freitag noch keine konkreten Pläne für die kommenden Tage. Erst einmal gelte es, die weiteren Entscheidungen des Bundespräsidenten abzuwarten, hieß es auf APA-Anfrage. Telefonisch sei man mit anderen Parteien aber durchaus in Kontakt.
Jetzt müssten sich einmal ÖVP und SPÖ finden, hieß es seitens der Grünen. Das sei die Basis für eine konstruktive Mehrheit – “und dann schauen wir weiter”. Die Grünen stünden selbstverständlich für weitere Gespräche bereit. Auch jetzt sei man auf unterschiedlichen Ebenen im regelmäßigen informellen Austausch. Das parteipolitische Schachspiel auf dem Rücken “unserer Heimat” müsse jedenfalls beendet werden.
Kickls Ärger über Scheinverhandlungen
Ob und wie die FPÖ in kommende Gespräche über mögliche Regierungsformen eingebunden sein wird, blieb vorerst offen. Parteichef Herbert Kickl nutzte vorerst Facebook als Plattform, um seinen Frust über die geplatzten Verhandlungen mit der ÖVP zu kanalisieren und über das letzte Offert der Türkisen zur Ministerien-Aufteilung zu wettern. “Dieses Angebot zeigt viel mehr, dass die ÖVP wohl nur zum Schein mit uns verhandelt hat und bereits im Hintergrund mit anderen Parteien gepackelt hat. Es kommt immer mehr ans Tageslicht, wie absurd der Verhandlungsstil der ÖVP war und was diese Partei wirklich will.”
“Entsetzt” über die Gründe des Scheiterns hatte sich zuvor auch der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, in einem “Kurier”-Interview gezeigt – “aufgrund einer Postendiskussion”. Der Aussage von ÖVP-Verhandler und Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer, die FPÖ hätte sich in einem “Machtrausch” befunden, kann er nichts abgewinnen. “Diese oder eine ähnliche Ressortaufteilung wird die ÖVP in Zukunft nicht mehr so rasch haben. Der Volkspartei droht bei der nächsten Wahl Platz drei. Bei diesen Voraussetzungen von Machtrausch zu sprechen – das finde ich einigermaßen skurril.”
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