Von: mk
Bozen – Die gründliche, auf breiter Stichprobenbasis durchgeführte Studie Kolipsi II zeigt für die Grünen ein ebenso glasklares wie bittereres Ergebnis: Die Kenntnis des Deutschen bei italienischen Schülerinnen und Schülern ist ebenso rückläufig wie bei ihren deutschsprachigen Alterskollegen.
Der in den letzten Jahren erfolgte Einbruch, wonach 20 Prozent der Deutschsprachigen die zweite Landesprache kaum bis notdürftig und gut 50 Prozent nur passabel beherrschen, unter italienischen Schülerinnen und Schülern sogar 45 Prozent des Deutschen kaum mächtig sind, sei mehr als eine Einbuße von Bildungskompetenzen, schreiben die Landtagsabgeordneten Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba und Hans Heiss in einer Aussendung. Der dramatische Rückgang gegenüber 2007/08 verweise auf Schwächen von Bildungspolitik und Sprachunterricht und bedeute eine Niederlage der Autonomie. „Denn Sprachkenntnisse sind Grundvoraussetzungen des Zusammenlebens und die Basis einer gemeinsam gestalteten Zukunft“, erklären die Grünen
Das Resultat der Studie im Vergleich mit den Ergebnissen 2007/08 lasse sich nicht schön reden, sondern verlange umsichtiges und zielorientiertes Handeln. „Notwendig ist eine systematische Überprüfung der Unterrichtsqualität, der Aus- und Fortbildung von Lehrenden samt anschließender Verbesserung. Schulen und Zweitsprachlehrenden muss mehr denn je bewusst sein, dass Sprachunterricht eine grundlegende Südtirol-Qualifikation bildet und sie daran hohe Verantwortung tragen. Der Sach-Fach-Unterricht CLIL hat dann Erfolg, wenn er sorgsam vorbereitet, planvoll praktiziert und bewertet wird und die nötige gesellschaftliche Achtung erhält, nicht aber als hektische Kosmetik betrieben wird“, betonen die Grünen.
Unumgänglich sei laut den Grünen eine veränderte Haltung von Eltern und Familie: Falls sie die zweite Sprache nur als Qualifikation für Arbeitsmarkt und beruflichen Erfolg betrachten, sei dies zu wenig – die zweite Sprache verdiene es, mit Freude gelebt, als umfassender Gewinn erkannt und praktiziert zu werden.
„Auf der Seite der politischen Verantwortungsträger, vorab der Mehrheit, verdient dieses Alarmzeichen schrumpfender Zweitsprachkompetenz keine Schönfärberei oder Aktivismus, sondern eine grundsätzliche Überlegung: Politik, Wissenschaft, Schulämter und Schulen sollten in kurzer Frist eine gemeinsame Bewertung der Kolipsi-Ergebnisse vornehmen und einen wirkungsvoller Reformkatalog mit klaren Zielen und Zeiten entwickeln“, fahren die Grünen fort.
„Als wichtiges politisches Handlungsfeld wurde bereits bei der Vorstellung der Studie die Sozialpolitik genannt: Sozial schwache Familien sind die benachteiligtsten Mehrsprachigkeitsverlierer im Lande – ihnen muss eine besondere Unterstützung gewährt werden. Eine ewige Forderung der Grünen gewinnt unter dem Eindruck des Kolipsi-Kollapses neues Gewicht: Die Option einer mehrsprachigen Schule zumindest als Versuch und Wahlchance sollte endlich als ernsthafte Option in Betracht gezogen werden. Und wenn es stimmt, dass Begegnung, Kennenlernen und Gelegenheit zu Kontakt und Kommunikation Schlüsselbedingungen für Zwei- und Mehrsprachigkeit sind, dann ist es umso notwendiger, den vom Landtag 2014 genehmigten grünen Beschlussantrag zur Schaffung gemeinsamer Schulgebäude umzusetzen“, erklären die Grünen.
Der „Weckruf der Studie, für die den EURAC-Wissenschaftlerinnen großer Dank gebührt“, sei hörbar genug. „Auf dem Spiel stehen nicht nur Sprachkompetenzen, sondern die Zukunft der Autonomie und des Zusammenlebens“, sind die Grünen überzeugt.
BürgerUnion: „Achammers verhaute Schularbeit“
Anders sieht es die BürgerUnion. „Um in der Schulterminologie zu reden hat Bildungslandesrat Philipp Achammer in Sachen Italienischunterricht seine Schularbeit gründlich verhaut“, so der Landtagsabgeordnete Andreas Pöder.
„Die so genannte Kolipsi-Studie aus den Jahren 2014/2015 offenbart schwere Mängel beim Zweitsprachenunterricht an den Oberschulen. Schullandesrat Achammer kann sich nicht aufgrund der Bezugsjahre aus der Affäre ziehen, denn er hat in seiner Amtszeit seit Jänner 2014 keine Trendumkehr eingeleitet, weil die entsprechenden Maßnahmen sich nicht wesentlich von den bisherigen unterscheiden“, so der Abgeordnete.
Pöder wirft Achammer auch vor, dass unter den Augen der SVP Verantwortliche im Schulbereich bewusst den Zweitsprachenunterricht an die Wand fahren ließen, um letztlich das „PD-Lieblingsprojekt der gemischten Schule“ einzuführen.
Die Hauptkritik auch am aktuellen Zweitsprachenunterricht in den Oberschulen sei seit Jahren dieselbe und hat auch heute nach dreieinhalb Jahren Amtszeit von Philipp Achammer als Bildungslandesrat noch Gültigkeit.
„Es wurden und werden alle möglichen Projekte gestartet, um die Italienischkenntnisse zu verbessern (Clil, Teamunterricht …), die durch die Studie selbst in Bausch und Bogen verworfen werden. Dabei wird das Kernproblem nicht wirklich angegangen und gelöst: Die Italienischlehrer unterrichten zum großen Teil immer noch nach dem Muster das es bereits vor 50 Jahren gab. Moderne Sprachdidaktik wie beispielweise im Englischunterricht wird zu wenig praktiziert. Aus den Oberschulen wissen wir, dass offene und moderne Italienischlehrerinnen und -lehrer, die ihre Sprache als Fremdsprache (mit entsprechender Methodik) unterrichten und den reinen Literaturanteil zurückgefahren sehr gute Resultate erzielen. Andere, die Italienisch noch nach Uralt-Muster mit hohem Literaturanteil unterrichten, sollen sich daran ein Beispiel nehmen und sich auch von der Sprachdidaktik der Englischlehrer eine Scheibe abschneiden“, so Pöder.
Schützenbund: „CLIL hat versagt“
Der Südtiroler Schützenbund nimmt die Ergebnisse der jüngsten „Kolipsi“-Studie der EURAC mit Besorgnis zur Kenntnis. Es sei sehr bedauerlich, dass sich die Kenntnisse in der jeweiligen anderen Landesprache über die Jahre wesentlich verschlechterten. Vor allem zeige die „Kolipsi“-Studie auch ganz deutlich auf, dass die Landesregierung mit ihren Maßnahmen zur Förderung des Fremdsprachenunterrichts gescheitert sei.
„Insbesondere dem von der Landesregierung als „Allheilmittel“ gepriesenen CLIL-Projekt wird von den EURAC-Forschern völlige Nutzlosigkeit attestiert. Nun ist es also auch wissenschaftlich erwiesen, dass Vermischungsprojekte, die unsere deutsche Schule in eine gemischte Schule verwandeln sollen, nichts fruchten“ heißt es aus der Schlernstraße, wo der Südtiroler Schützenbund seinen Sitz hat. Die Landesregierung, die nach Medienberichten schon damit gedroht habe, die „wissenschaftlichen Erkenntnisse konsequent zu ignorieren und weiter an ihrem gescheiterten CLIL-Projekt festhalten zu wollen“, wurde deshalb vom Schützenbund in einer Aussendung aufgefordert, endlich die ideologischen Scheuklappen abzunehmen.
Wie die EURAC-Forscher betonen, werde eine Fremdsprache am besten im außerschulischen Umgang erlernt. Und genau das fordere der Schützenbund seit Jahren: „Hände weg von der deutschen Schule, Schluss mit sinnlosen und teuren Projekten wie CLIL, die nur dazu dienen, an einer Grundsäule der Autonomie zu sägen! Schluss mit den Plänen für gemischte Schulen – deren Ergebnis kann man bekanntlich in der Region Aosta „bewundern“, wo nur mehr zwei Prozent der Schüler Französisch als Muttersprache sprechen.“
Stattdessen schlägt der Schützenbund Förderung des außerschulischen Angebots und eine Förderung von Begegnung zwischen der deutschen und der italienischen Schule, die beide Kulturträger ihrer jeweiligen Sprach- und Kulturräume bleiben sollen, vor
Wie eine gelungene Förderung des sprachlichen Austausches in der Freizeit aussieht, kenne der Schützenbund aus langjähriger Erfahrung: die Zusammenarbeit und die Kameradschaft zwischen Welschtiroler und Südtiroler Schützen funktioniere stets einwandfrei. Sprachliche Barrieren würden im gegenseitigen Respekt überwunden.
Der Schützenbund lädt die Landesregierung ein, sich bei einer der nächsten Veranstaltungen von dieser sprach- und länderübergreifenden Kameradschaft zu überzeugen.