Von: mk
Bozen – Zu Beginn der Sitzung hat der Landtag heute in einer Schweigeminute des kürzlich verstorbenen Landtagsabgeordneten Carlo Willeit gedacht, der dem Landtag 1993 bis 2003 angehörte. „Willeit hielt seine Antrittsrede 1993 auf Ladinisch, was von der Geschäftsordnung nicht vorgesehen war, und er wies auch auf ein weiteres Manko hin: Ein Ladiner konnte nicht Präsident oder Vizepräsident des Landtags werden”, erklärte Landtagspräsident Josef Noggler. “Auch dank seines stetigen Einsatzes wurden die Regeln geändert, und Willeit wurde 2001 der erste ladinische Vizepräsident des Landtags. Damit hat er den Weg für andere geöffnet und seiner Sprachgruppe ihr politisches Recht gesichert.“
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) fragte, wann der Landtag wieder in Präsenz tagen könne. Derzeit würden die Kinder gezwungen, in die Schule zu kommen und in Klassenräumen Platz zu nehmen, die so eng wie Hühnerställe seien. Und der Landtag müsse in dieser prekären Situation über Gegenstände wie das 500-Millionen-Hilfspaket entscheiden. Hier werde die Demokratie beschnitten. Präsident Josef Noggler teilte mit, dass laut geltenden Bestimmungen bis zu 22 Personen im Plenarsaal Platz nehmen dürften. Man habe den Landeshauptmann ersucht, mitzuteilen, welche Möglichkeiten es für eine Sitzung in Präsenz gebe.
Anschließend gab die Landesregierung Auskunft über die Entwicklungen der Corona-Pandemie und über eventuell anstehende Entscheidungen.
Landeshauptmann Arno Kompatscher erklärte, die Lage sei stabil, es sei aber eine prekäre Stabilität. Die Zahl der Intensivpatienten sei kontinuierlich gesunken. Auch auf den Normalstationen gebe es einen Rückgang. Der Rückgang sei allerdings flacher geworden als in den vergangenen Wochen. Entwarnung könne man noch nicht geben, man habe gesehen, wie schnell Sardinien und Aosta wieder rot geworden seien, ebenso gebe es wieder hohe Zahlen in Osttirol und in anderen deutschen und österreichischen Bundesländern. Das sei auch der britischen Variante geschuldet, die sich schneller verbreite, auch bei Kindern. Man müsse weiter Vorsicht walten lassen und das, was man zulassen könne, mit Tests begleiten, bis genügend Impfstoff für eine Herdenimmunität zur Verfügung stehe.
Derzeit sei in Italien die orange Zone Mindeststandard. Südtirol sei deswegen orange eingestuft, obwohl die Zahlen seit vier Wochen einer gelben Zone entsprechen würden. Die neuen Infektionsherde gingen tendenziell zurück, der RT-Wert liege stabil unter 1, auch wenn er in letzter Zeit aufgrund der Öffnungen (Schulen und Gemeindegrenzen) wieder leicht gestiegen sei. Daher habe man gleich nach Inkrafttreten des Dekrets den Antrag gestellt, die vorgesehene Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen zu können. Der Antrag müsse bewertet und von der Regierung genehmigt werden. Dem Antrag habe man auch die Daten zu Impfungen und Tests beigelegt. Die Regierung habe bislang nicht Stellung genommen, sie werde möglicherweise diese Woche darüber befinden.
Kompatscher lobte LR Widmann und seine Mitarbeiter für die gute Organisation der Impfkampagne. Südtirol wäre in der Lage, sehr viel mehr zu verimpfen. Man habe auch einige Zusatzlieferungen bekommen, wie versprochen, aber das reiche noch nicht. Diese Woche werde voraussichtlich auch Johnson & Johnson verimpft, es laufe aber noch eine Prüfung zu diesem Impfstoff. Die Empfehlung, AstraZeneca jetzt ab 65 zu impfen, sei für die Impfstrategie leichter zu handhaben, habe aber auch für Verwirrung gesorgt. Die Impfprioritäten würden vom Staat geregelt, daran müsse sich das Land halten. Südtirol habe insgesamt das Potenzial, schneller zu werden, und viele Risikogruppen seien bereits geimpft.
Man verweise oft auf das “Wunder von Madrid”, wo man angeblich ohne Maßnahmen niedrige Werte erreicht habe. Dort werde massiv getestet, und die Menschen nähmen zahlreich daran teil. Auch Südtirol verfolge diese Strategie, die vom Gesundheitsministerium begrüßt werde. Der Schnelltest, den Südtirol verwende, sei in vielen Ländern für Selbsttests zugelassen, in Italien nicht. Er habe in der Staat-Regionen-Konferenz eine entsprechende Regelung gefordert. In den letzten Tagen habe es übrigens keine Falsch-Positiven gegeben, was zeitweise behauptet worden war. Manche Eltern, aber auch einzelne volljährige Schüler würden sich den Tests an den Schulen verweigern, aber die allermeisten seien damit einverstanden. Die Gewerkschaften verlangten auch mehr Sicherheit für die Arbeiter, aber wehrten sich gegen Pflichttests. Auch hier wäre mehr Zusammenarbeit sinnvoll. Bezüglich der Landtagssitzungen in Präsenz verwies Kompatscher auf den Sanitätsbetrieb. Wenn dieser einverstanden sei, werde er ein entsprechendes Dekret erlassen. Die Schnellhilfen stünden weiter zur Verfügung, für die Kapitalbeiträge an die Kleinbetriebe habe man nun die Kriterien erarbeitet, ebenso jene für die Fixkostenbeiträge, die schon bald ausbezahlt werden könnten.
Man bemerke, dass die Bevölkerung müde sei, erklärte LR Thomas Widmann. Aber man dürfe noch nicht unvorsichtig sein. Wenn man öffne, werde es automatisch mehr Infektionen geben; ein, zwei Zehntelpunkte, und der RT-Wert sei wieder über 1. Man bemerke jetzt zwei Bestrebungen, die schwer in Einklang zu bringen seien: Manche wollten bald alles öffnen, andere verweigerten die Mitarbeit bei der Eindämmung, etwa bei den Tests. Ziel sei es, 200.000 Bürger zweimal pro Woche zu testen. Mittlerweile seien fast alle über 80 geimpft, bei den Personen über 70 seien es 49 Prozent bzw. 60 Prozent, wenn man die Geheilten einrechne. Bald komme der Impfstoff von Johnson & Johnson, aber nicht in großen Mengen. Durch das Contact Tracing habe man die Verbreitung der brasilianischen Variante eindämmen können. Einige dieser Varianten seien aggressiver und beträfen auch die Jüngeren. Widmann appellierte an alle Abgeordneten, diese Maßnahmen als Gemeinschaftsprojekt zu unterstützen. In den nächsten drei Wochen käme genug Impfstoff für die Erstimpfung von weiteren 30.000 Personen.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) kritisierte die Drohbotschaften der Landesregierung gegenüber der Bevölkerung. Man sollte den Leuten mehr die Chancen vermitteln. Er fragte auch, ob es sicher sei, AstraZeneca für die Zweitimpfung zu verwenden, wies auf das weiter bestehende Problem hin, dass Verwandtenbesuche über die Grenzen nicht möglich seien. Er fragte auch nach der Strategie für den Sommer und nach der Öffnung von Bars und Restaurants.
Brigitte Foppa (Grüne) mahnte, bei der Teststrategie nicht zu polarisieren, um den Widerstand nicht noch zu verstärken. Man müsse den Jugendlichen die Chance bieten, sich in Sicherheit zu treffen. Zum Green Pass regte sie eine Besprechung im Fraktionssprecherkollegium an.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) fragte nach Details zur Testpflicht für den Sport und in den Schulen. Besonders in den italienischen Schulen sehe man ein Desaster.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) fragte, ob die Öffnung der Gastlokale im Freien ein Thema sei. Er verwies auf die Empfehlungen der Aerosolforscher und fragte, ob deren Erkenntnisse in die Maßnahmen einfließen würden. Er fragte auch, ob die Hundetests in den nationalen Plänen vorgesehen seien, und wies darauf hin, dass man lange auf eine sportärztliche Untersuchung warten müsse, die für viele Sportarten Voraussetzung sei. Er fragte auch, ob die Förderung der Fassadenmalerei an den WOBI-Gebäuden zugunsten lokaler Künstler sei.
Franz Ploner (Team K) wies auf divergierende Inzidenzdaten zwischen Zivilschutz und anderen Stellen hin und fragte, ob nur mehr positive PCR-Tests nach Rom gemeldet würden. Er fragte, ob Südtirol nun weniger Dosen, AstraZeneca bekomme, weil die ältere Generation bereits zu großen Teilen geimpft sei.
Die italienische Schule werden allein gelassen, kritisierte Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung). Er frage sich, wie man Schüler vom Präsenzunterricht ausschließen könne, bevor der Test angeboten werde. Nicht alle lebten in Bozen, wo man sich gratis testen lassen könne, um z.B. danach Sport ausüben zu können. Er forderte, das Umsatzlimit für die Hilfen auf unter 30.000 Euro zu senken, viele Betriebe lägen knapp darunter.
Paul Köllensperger (Team K) kritisierte, dass lange Zeit die falschen Daten nach Rom übermittelt wurden, und das habe zu einer dunkleren Einstufung geführt, als Südtirol zugestanden hätte.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) wies darauf hin, dass viele im Landtag den Nasenflügeltest gefordert hätten und ihn nun kritisierten. Man müsse zwischen Recht auf Bildung und auf Gesundheit abwägen. Er sei für die Impfung, aber auch für die Wahlfreiheit. Es sei nicht zu verantworten, die Kinder vom Unterricht fernzuhalten. Es gehe auch nicht an, dass die Schulen nun nach Sanitätspersonal für die Tests suchten.
Josef Unterholzner (Enzian) plädierte dafür, von der Impfpflicht abzugehen. Jeder müsse selber entscheiden können, und die Mitarbeiter in den Pflegeheimen und Krankenhäusern würden die Nebenwirkungen sehen. Unterholzner sah die angekündigte Testung von 30.000 pro Tag nicht mehr im Einklang mit einer Kosten-Nutzen-Rechnung. Es sei auch unsinnig, wenn getestete Schüler die Maske anbehalten müssten. Grundsätzlich sollte man die Gesunden arbeiten lassen.
LH Arno Kompatscher erinnerte an der Vorwurf aus dem Landtag im Herbst, dass man den Testzwang einführen wolle. Man wolle nicht mit Zwang arbeiten, auch Impfen bleibe eine Entscheidung. Jede Entscheidung könne aber auch Folgen haben. Manche Staaten würden mit der Impfung gewisse Berechtigungen verknüpfen. Schüler, die keinen Test machten, würden nicht vom Unterricht ferngehalten, sie erhielten Fernunterricht. Vorher habe man bei einem positiven Test die ganze Klasse in Quarantäne schicken müssen, das sei nun nicht mehr nötig. Man bewundere immer Staaten wie Neuseeland, die konsequent vorgegangen seien und die Zahlen senken konnten: Diese Staaten hätten strenge Maßnahmen ergriffen. In einer liberalen Gesellschaft sei es ein vernünftiger Ansatz, dass man die Entscheidung den Bürgern überlasse; dafür müssten sie aber auch die Konsequenzen ihrer Entscheidungen tragen. Man rede in diesem Zusammenhang leichtfertig von Freiheitsberaubung, auch wenn es nur um ein Wattestäbchen im Nasenflügel gehe. Auch die Gurtpflicht habe man anfangs als Freiheitsberaubung gesehen, ihr Nutzen sei aber wissenschaftlich erwiesen. Impfen und Testen würden beitragen, dass man die angestrebte Freiheit bald wieder erreichen könne. Ein Großteil der Lehrpersonen in der italienischen Schule sei nicht zur Mitarbeit bei den Tests bereit, in der deutschen Schule habe man kein Problem damit. Kriegsrhetorik helfe hier nicht weiter. Man habe mit den Gewerkschaften gesprochen, aber es gebe eine bestimmte Haltung, die Krisenbewältigung erschwere. In Krisen sei oft etwas Außergewöhnliches gefragt.
Zur Sommersaison erklärte Kompatscher, man arbeite daran, Gastbetriebe bereits früher zu öffnen. Dazu seien die Tests sicher hilfreich. Eine Art Green Pass habe man bereits dadurch, dass die Schultests auch für den Sport am Nachmittag gälten. Anstatt nach juridischen Problemen an der italienischen Schule zu suchen, sollte man mithelfen, damit dort die Tests geboten werden könnten.
In den letzten zehn Tagen seien alle PCR-Nachtests zu den Nachtests übereinstimmend gewesen; daher habe man eine hohe Zuverlässigkeit. Bei den Tätigkeiten, die bald wieder zugelassen werden könnten, denke man auch an die Fortbildung, wie auch an andere. Die Verfügbarkeit der verschiedenen Impfstoffe könne man der entsprechenden Webseite der Regierung entnehmen. Bei den zusätzlichen Lieferungen für Südtirol würden AstraZeneca und Biontech Pfizer dabei sein. Die Zweitimpfung werde in Italien mit demselben Impfstoff durchgeführt. Er wäre dafür, dass man den Schnelltest in Italien auch in Eigenregie durchführen könnte, wie in anderen Staaten auch. Bei den Hilfszahlungen seien die 30.000 Euro die Obergrenze der Beiträge, nicht die Umsatzgrenze. Kompatscher stellte in Abrede, dass Südtirol wegen falscher Zahlen rot gewesen sei. Diskrepanzen zwischen PCR- und Antigentests seien im einstelligen Bereich gewesen, außerdem seien diese Zahlen nicht das einzige Kriterien für die staatliche Farbeinstufung, im Unterschied zur EU-Einstufung. Zum Recht auf Gesundheit hätten die Gerichte bisher im Sinne des Landes entschieden. Das Recht auf Unterricht bleibe ja gewährt. Es sei schwer nachvollziehbar, dass man sich gegen solche Tests wehre. Unterholzner fordere, mit der Impfpflicht aufzuhören – es gebe keine allgemeine Impfpflicht, vor allem keine, die das Land eingeführt habe. Man verlange aber von Personen in Kontakt mit Risikogruppen einen Beitrag zur Lösung. Die Maske und ein negativer Test seien kein absoluter Schutz, daher sei weiterhin Vorsicht nötig. Das Ansteckungsrisiko bei Geimpften sei gering, aber nicht gebannt.
Zu den grenzüberschreitenden Partnerbesuchen erklärte Kompatscher, er sei für eine einheitliche europäische Regelung. Er werde der Sache weiter nachgehen. Derzeit gelte für Tirol ein strengerer Standard, obwohl es eher besser aufgestellt sei als andere Bundesländer. Derzeit sei die einzige Hoffnung der Green Pass. Bei der Öffnung der Gastbetriebe sei die Kartenzahlung weniger das Thema in der Regionenkonferenz, das derzeit diskutiert werde, eher die Öffnung im Freien. Zu den Schnelltests in der Schule antwortete Kompatscher, dass das Prozedere im Sicherheitsprotokoll festgelegt sei, das vom Gesundheitsministerium genehmigt worden sei. Der Hersteller empfehle für Italien die Durchführung durch geschultes Personal, weil das die italienischen Vorschriften seien; in anderen Ländern seien sie als Selbsttests zugelassen. Er habe gegenüber dem Staat für eine solche Lösung plädiert.