Von: APA/dpa/Reuters
Nach dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj lehnt auch Kremlchef Wladimir Putin eine mögliche Feuerpause im Ukraine-Krieg ohne Vorbedingungen ab. Die Ukraine könne eine Feuerpause nutzen, um sich für neue Angriffe zu rüsten, deshalb müsse erst eine haltbare Lösung des Konflikts ausgehandelt werden, sagte Putin. Der russische Präsident verwies auf frühere Abmachungen zum Ukraine-Konflikt aus Zeiten vor der russischen Invasion, die schließlich “im Mülleimer” landeten.
Die von Putin erwähnten Vereinbarungen bezogen sich auf mehrere Waffenstillstände, die zwischen den von Moskau unterstützten Rebellen in den von ihnen kontrollierten Gebieten der Ostukraine und ukrainischen Truppen galten. “Deshalb können wir jetzt nicht einfach eine Feuerpause ausrufen, in der Hoffnung, dass die andere Seite einige positive Schritte unternimmt”, betonte Putin zum Ende des Gipfels der für Sicherheitsfragen gegründeten Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in der kasachischen Hauptstadt Astana.
China und Russland haben an die Mitglieder der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit appelliert, ihre Zusammenarbeit deutlich auszudehnen. Chinas Staatschef Xi Jinping forderte in seiner Rede beim SCO-Gipfel in Kasachstans Hauptstadt Astana, “externe Einmischungen” abzuwehren. “Angesichts der realen Risiken, dass kleine Höfe mit hohen Zäunen geschützt werden, müssen wir das Recht auf Entwicklung schützen”, zitierte ihn Chinas Staatsfernsehen CCTV am Donnerstag.
Xi spielte damit offensichtlich auf einen sich ausbreitenden Protektionismus auch in westlichen Ländern gegenüber China. Der russische Präsident Wladimir Putin nahm ebenfalls an dem Treffen teil. Russischen Angaben zufolge wollte er der Gruppe vorschlagen, eine Reihe neuer eurasischen kollektiven Sicherheitsverträgen zu diskutieren. Putin hatte vergangenen Monat gesagt, dass ein neues regionales Sicherheitssystem notwendig sei. In einem vom Kreml veröffentlichten Teil seiner Rede vor der SCO begrüßte Putin zudem die zunehmende Verwendung nationaler Währungen – anstelle des Dollars – im Handel zwischen den SCO-Ländern und forderte die Schaffung eines neuen Zahlungssystems innerhalb der Gruppe.
Wie XI strebt auch Putin in Konfrontation mit dem Westen den Aufbau einer neuen Weltordnung an – anstelle “eurozentrierter oder euroatlantischer Modelle”, die zu einer wachsenden Zahl an Krisen in der Welt geführt hätten, wie er in Astana sagte. “Die multipolare Welt ist schon Realität geworden.” Putin zeigte sich überzeugt, dass die SCO und die Gruppe der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sowie weitere Länder) zu den Grundpfeilern der neuen Weltordnung würden.
Auch China versucht seit längerem Staatenbünde wie die BRICS-Schwellenländergruppe oder die SCO zu einer geschlossenen Haltung gegenüber den USA zu bewegen. Der SCO-Block mit seinen zehn Mitgliedern müsse “interne Differenzen” friedlich bewältigen, Gemeinsamkeiten suchen und Kooperationsschwierigkeiten lösen, sagte Xi. Der chinesische Präsident betonte laut CCTV auch die Notwendigkeit, gemeinsam wissenschaftliche und technologische Innovationen zu fördern und die Stabilität der internen Industrie- und Lieferketten zu sichern.
Der SCO gehören China, Indien, der Iran, Kasachstan, Kirgistan, Pakistan, Russland, Tadschikistan, Usbekistan und nunmehr Belarus an. Die Gruppe vereint damit auch die neuen Hauptabnehmer für russische Rohstoffe wie Öl und Gas, nachdem westliche Staaten ihre Importe nach dem russischen Angriff auf die Ukraine deutlich zurückgeschraubt haben.
Das autoritär regierte Belarus ist neues Mitglied der SCO. Putin, Xi Jinping und Kollegen unterzeichneten beim Gipfel die Beitrittsdokumente. Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew als derzeitiger SCO-Vorsitzender gratulierte dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko.
Indiens Premierminister Narendra Modi nimmt nicht am Gipfel teil, er will gleich danach nach Kreml-Angaben am Montag und Dienstag Russland besuchen, ehe er anschließend Wien kommt. Die SCO will sich künftig deutlich breiter thematisch aufstellen und auch eine Afghanistan-Kontaktgruppe einrichten.