Grönland soll nicht amerikanisch werden

Deutscher Kanzler weist Trump-Vorstoß zu Grönland zurück

Mittwoch, 08. Januar 2025 | 18:17 Uhr

Von: APA/AFP/dpa/Reuters

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Gelüste des künftigen US-Präsidenten Donald Trump auf Grönland in scharfen Worten zurückgewiesen. “Das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen gilt für jedes Land – egal ob es im Osten von uns liegt oder im Westen”, sagte Scholz am Mittwoch in Berlin in klarer Anspielung auf den russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine. “Daran muss sich jeder Staat halten – egal ob es ein kleines Land ist oder ein sehr mächtiger Staat.”

Scholz berichtete, dass er mit europäischen Kollegen über die Frage gesprochen habe. Dabei sei “ein gewisses Unverständnis deutlich geworden, was aktuelle Äußerungen aus den USA angeht”. Wie es später hieß, telefonierte Scholz mit EU-Ratspräsident António Costa, der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und dem polnischen Premier Donald Tusk. Auch mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron war er in Kontakt. “Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben werden”, sagte Scholz, ohne Trump beim Namen zu nennen. Es “kann und darf kein Rütteln” am Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen geben, weil dieses zum Kernbestand dessen zähle, “was wir westliche Werte nennen”.

Blinken nennt Debatte Zeitverschwendung

Zuvor hatte bereits der französische Außenminister Jean-Noël Barrot klar gegen Trumps Bestrebungen Position bezogen, die Kontrolle über das völkerrechtlich zum EU-Staat Dänemark gehörende Territorium zu erlangen und explizit die EU ins Spiel gebracht. Es stehe außer Frage, dass die Europäische Union es nicht zulassen würde, dass andere Nationen der Welt ihre souveränen Grenzen angreifen würden, “wer auch immer sie sind”, sagte Barrot am Mittwoch dem Radiosender France Inter. “Wir sind ein starker Kontinent.” Er glaube nicht, dass die USA Grönland überfallen würden, das seit mehr als 600 Jahren zu Dänemark gehört, aber politisch weitgehend eigenständig ist.

Der scheidende US-Außenminister Antony Blinken spielte die Anschlussdrohungen herunter. “Es ist keine gute Idee. Aber noch wichtiger: Es wird nicht geschehen”, sagte Blinken am Mittwoch in Paris. “Deswegen sollten wir möglichst wenig Zeit verschwenden, darüber zu reden”, fügte er hinzu.

EU-Kommission bezeichnet Drohungen als “sehr hypothetisch”

Als “sehr hypothetisch” bezeichnete eine Sprecherin der EU-Kommission die Drohungen Trumps. Es geht glücklicherweise um eine sehr hypothetische Frage”, sagte die Kommissionssprecherin Paula Pinho am Mittwoch vor Journalisten in Brüssel. Sie stellte allerdings klar, dass auch im Falle eines Angriffs auf Grönland eine gegenseitige Verteidigungsklausel der 27 EU-Mitgliedsländer greifen würde. “Für uns ist klar, dass die Souveränität der Staaten respektiert werden muss”, fügte die für Außenpolitik zuständige Sprecherin Anitta Hipper hinzu.

Trump hatte zuvor selbst den Einsatz von militärischem oder wirtschaftlichem Druck nicht ausgeschlossen, um sich Grönland sowie den Panamakanal anzueignen. Dazu äußerten die Betroffenen Kritik. “Die Souveränität unseres Kanals ist nicht verhandelbar”, sagte Panamas Außenminister Javier Martínez-Acha. Der grönländische Regierungschef Múte B. Egede betonte: “Grönland gehört den Grönländern.”

Egede hielt sich am Mittwoch in Dänemark auf, wo er am Nachmittag auch den dänischen König Frederik X. in Schloss Amalienborg traf. “Grönland gehört den Grönländern. Das möchte ich einfach wiederholen”, sagte der Politiker von der größten Insel der Erde dem Rundfunksender DR bei seiner Ankunft am Flughafen von Kopenhagen. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte dem Sender TV2, sie habe nicht die Fantasie, sich vorzustellen, dass Trumps Pläne für Grönland jemals umgesetzt werden könnten. Auch sie erinnerte daran, dass “Grönland den Grönländern gehört”.

Panama will Kanal nicht aus der Hand geben

Aufgabe des Kanals sei es, der Menschheit und dem Welthandel zu dienen, erklärte indes Martínez-Acha auf einer Pressekonferenz in Panama. “Die einzigen Hände, die den Kanal kontrollieren, sind panamaisch und das wird auch so bleiben.” Trump hatte am Dienstag auf einer Pressekonferenz auch den Einsatz des Militärs nicht ausgeschlossen, um die Kontrolle über den Kanal zu erlangen. Der Panamakanal und Grönland würden für die “wirtschaftliche Sicherheit” benötigt, so Trump.

Trump hat zuletzt wiederholt über eine Ausweitung des US-Territoriums gesprochen. So bezeichnete er vor zwei Wochen den Besitz und die Kontrolle über Grönland als “eine absolute Notwendigkeit”. Das weitgehend autonome dänische Gebiet mit 57.000 Einwohnern verfügt über Bodenschätze sowie Öl- und Erdgasvorkommen. Trump argumentiert zudem mit einer sicherheitspolitischen Bedeutung der Insel. Er hatte bereits während seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 Interesse am Kauf Grönlands bekundet, war jedoch von den grönländischen und dänischen Behörden zurückgewiesen worden. Am Dienstag besuchte Trumps Sohn Donald Trump Jr. die Insel – offiziell handelte es sich um eine private Reise. Kurz vor Weihnachten sprach Trump auch davon, die Kontrolle über den Panamakanal übernehmen zu wollen und warnte dabei vor einer Einflussnahme Chinas, weil ein chinesisches Unternehmen zwei Häfen an den Kanaleingängen verwaltet.

Kanada wies Vorstoß zurück

Der Republikaner hat zuletzt auch wiederholt Anspielungen gemacht, dass Kanada der 51. Bundesstaat der USA werden sollte. Auf eine Folgefrage zur Ausübung von Druck in diesem Zusammenhang sagte Trump am Dienstag, bei Kanada würde er wirtschaftliche Maßnahmen erwägen. Aus Kanada kam umgehend eine Ablehnung des scheidenden Ministerpräsidenten Justin Trudeau von den Liberalen wie auch des konservativen Oppositionschefs Pierre Poilievre.

Auf dem Kurznachrichtendienst X des Trump-Beraters Elon Musk erklärten die beiden, dass Kanada niemals Teil der USA werden wird. “Die Wahrscheinlichkeit, dass Kanada Teil der Vereinigten Staaten wird, ist kleiner als die für einen Schneeball in der Hölle,” schrieb Trudeau, der am Montag seinen Rücktritt angekündigt hatte. Trump hat Zölle von 25 Prozent auf alle Einfuhren aus Kanada angekündigt. Kanada hat 40 Millionen Einwohner, etwa so viele wie Kalifornien.

Wahlkampf auf Grönland

Grönland gehört seit 600 Jahren zu Dänemark, regelt aber die meisten inneren Angelegenheiten mittlerweile selbst. Die Beziehungen zwischen Grönland und Dänemark waren in letzter Zeit wegen des Vorwurfs der Misshandlung von Grönländern während der Kolonialzeit angespannt. Egede hatte erklärt, dass die Insel nicht zum Verkauf stehe, will aber die Unabhängigkeit von Dänemark verstärken. Seit einem Referendum in den 1980er Jahren gehört Grönland nicht mehr der EU an. Regierungschef Egede hielt sich am Mittwoch nur etwa 40 Minuten in Schloss Amalienborg auf, um den dänischen Monarchen zu treffen. Weder vor dem Gespräch noch danach äußerte er sich vor der Presse. Er hatte sein ursprünglich für den Vormittag angesetztes Treffen mit König Frederik X. auf den Nachmittag verschoben, was in Kopenhagen als Machtdemonstration von grönländischer Seite wahrgenommen wurde. Noch im Frühjahr wird in Grönland ein neues Parlament gewählt. Die Unabhängigkeit von Dänemark ist ein großes Thema im Wahlkampf.

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