Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute mit dem Beschlussantrag Nr. 678/16 befasst: Das Verhältnis der Sprachgruppen darf sich nicht zu Ungunsten der Südtiroler verändern (eingebracht von den Abg. Knoll, Atz-Tammerle und Zimmerhofer am 16.9.2016): Die Südtiroler Landesregierung wird beauftragt, Maßnahmen zu ergreifen, damit Ausländerkinder vermehrt und gezielt in die deutsche und ladinische Sprachgruppe integriert werden.
Der überwiegende Teil der Ausländer in Südtirol lebt in einem italienischen Umfeld und integriert sich, auch über die Schule, in die italienische Sprachgruppe, erklärte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). “Wenn diese Entwicklung unkontrolliert so weitergeht, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Städte in Süd-Tirol, in denen die Ausländer hauptsächlich leben, mehrheitlich italienisch werden und die Süd-Tiroler zur Minderheit im eigenen Land werden. Diese Entwicklung muss gestoppt werden!”
Der Antrag hätte vor fünf Jahren noch Sinn gehabt, meinte Dieter Steger (SVP), aber die SVP habe sich beizeiten diesem Thema gestellt, und inzwischen würden sich weit mehr Ausländerkinder in die deutsche Schule einschreiben, auch dank einer besseren Information.
Es gebe derzeit tatsächlich einen starken Andrang an die deutschen Schulen, meinte Andreas Pöder (BürgerUnion), man sollte sie daher nicht noch weiter belasten.
Früher sei die SVP froh gewesen, dass das Problem von der italienischen Schule gestemmt wurde, erklärte Ulli Mair (Freiheitliche). Heute sehe man, dass die deutsche Schule nicht auf den Andrang vorbereitet wurde. Knoll übertreibe mit seiner Befürchtung, die durch die Statistik nicht gestützt werde, meinte Hans Heiss (Grüne). Heute sehe man einen Ausgleich zwischen italienischer und deutscher Schule, letztere habe sich übrigens gut auf die neue Situation vorbereitet. Vor zwanzig Jahren seien viele Albaner eingewandert, und diese hätten mehr Affinität mit dem Italienischen, stellte Pius Leitner (F) fest, heute hätten die Einwanderer verstanden, dass es sich auszahlt, die deutsche Schule zu besuchen. Wie Mair kritisierte Leitner am Antrag, dass er nur Deutsche und Ladiner als Südtiroler führe, die Italiener gehörten genauso dazu.
Auch Oswald Schiefer (SVP) fand den Antrag überholt. Wenn die Ausländer von heute die Italiener von morgen wären, wie Knoll befürchte, dann wäre ein großer Schritt der Integration bereits vollzogen. Im Unterland könne er heute eine Ausgewogenheit zwischen den zwei Schulen feststellen, Ausländer besuchten die deutsche Schule und wollten, wie in Salurn, auch für die SVP kandidieren. Alessandro Urzì (Alto Adige nel cuore) bezeichnete die Diskussion als befremdend. Bei einer mehrsprachigen Schule hätte man das Problem gar nicht.
Bei Bewerbungen um Saisonsstellen merke man, dass Saisonarbeiter etwas Italienisch sprächen, aber nicht wüssten, dass die Mehrheit hier Deutsch spreche, erklärte Myriam Atz Tammerle (STF). So entstünden Unverständnis und Konflikte. Daher sei es wichtig, Ausländer in die deutsche Kultur zu integrieren, damit öffne sich ihnen auch der Arbeitsmarkt Deutschland.
Landesrat Philipp Achammer wies auf den Ausländeranteil bei den Südtiroler Teilnehmern an den World Skills hin, um auch einmal ein positives Beispiel zu nennen. Das größere Problem bestehe darin, dass es auch Migranten zweiter oder dritter Generation gebe, die keine der Landessprachen beherrsche. Integration müsse Aufgabe aller drei Sprachgruppen sein. In den italienischen Kindergärten habe der Ausländeranteil seit 2013 leicht abgenommen, in den deutschen stark zugenommen, dies sei auch aussagekräftig für die Zukunft. Die deutsche Schule habe sich zugegebenermaßen spät vorbereitet, inzwischen seien aber z.B. die Sprachkurse eingerichtet worden. Nachholbedarf gebe es in anderen Bereichen, etwa bei der staatlichen Auflage, Einwanderer müssten Italienisch lernen.
Landesrat Florian Mussner gab einen Überblick über die Situation an den ladinischen Schulen. In den Kindergarten betrage der Anteil rund sieben Prozent. Insgesamt könne man behaupten, dass es keine Probleme gebe, die Migranten fühlten sich in der paritätischen Schule wohl.
Er schreibe in seinem Antrag keinen Zwang vor, betonte Sven Knoll. Es sei aber die Frage, ob man alles dem Zufall überlassen wolle. Die Zahlen, die Landesrat Achammer genannt habe, entsprächen noch nicht dem Proporz. Er zeigte sich aber mit dem Vorschlag Achammers einverstanden, den Antrag zu vertagen und umzuformulieren.
Beschlussantrag Nr. 682/16: Anerkennung von zusätzlichen Punkten für die Betreuung von Pflegebedürftigen in Institutswohnungen (eingebracht vom Abg. Köllensperger am 19.9.2016). Die Landesregierung solle verpflichtet werden, 1. die zuständigen Ämter und das Wohnbauinstitut zu beauftragen, Maßnahmen vorzuschlagen, um die Anerkennung von zusätzlichen Punkten für die Betreuung von älteren Angehörigen oder Pflegebedürftigen in der eigenen Wohnung vorzusehen; 2. die zuständigen Ämter und das Wohnbauinstitut zu beauftragen, spezifische Richtlinien für die Sanierung der schon bestehenden Immobilien und den Bau neuer Wohnungen auszuarbeiten, damit von vornherein geeignete Maßnahmen für die Aufnahme von älteren oder pflegebedürftigen Personen in den Wohnungen getroffen werden können.
“Dadurch würde man einerseits die öffentlichen Einrichtungen entlasten, da diese Person nicht in einem Heim untergebracht werden muss, andererseits würde es dem Pflegebedürftigen ermöglicht, in ihrer Familie zu leben, was sich positiv auf sein psychisches Wohlbefinden auswirkt”, erklärte Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung). “Daraus ergibt sich, dass alle WOBI-Wohnungen künftig so ausgestattet sein müssen, dass Pflegebedürftige bei Bedarf aufgenommen werden können. Dafür müssen so bald als möglich geeignete Richtlinien für den sozialen Wohnbau ausgearbeitet werden, welche die einzuhaltenden Standards definieren, damit die künftigen Wohnungen schon dementsprechend ausgestattet werden (z. B. mit behindertengerechten Badezimmern, damit die Betreuung von älteren Personen oder von Menschen mit Behinderung einfacher ist, oder mit barrierefreien Balkontüren und vieles mehr).”
Landesrat Christian Tommasini wies darauf hin, dass die Anpassung der Institutswohnungen für Pflegebedürftige bereits vorgesehen sei. Diese würden auch ohne architektonische Barrieren gebaut. Auch dem ersten Punkt des Antrags konnte der Landesrat etwas abgewinnen, dies sollte man bei der Reform des Wohnbaugesetzes berücksichtigen.
Paul Köllensperger legte eine Neuformulierung des Antrags vor, die sich auf den ersten Punkt beschränkt (Punkte für die Pflege).
Der Antrag wurde einstimmig genehmigt.
Begehrensantrag Nr. 69/16: Ausweisung krimineller Ausländer (eingebracht von den Abg. Leitner, Blaas, Mair, Tinkhauser, Stocker S. und Oberhofer am 25.5.2016) (Beginn Behandlung am 29.6.2016). Die Debatte dazu hatte bereits im Juni begonnen. Pius Leitner hat inzwischen gemeinsam mit LR Stocker eine neue Formulierung vorgelegt: man solle dafür Sorge tragen, dass Personen, deren Abschiebung verfügt wurde oder die sich ohne Aufenthaltstitel hier aufhalten, effektiv und umgehend das Staatsgebiet verlassen.
Auf Nachfrage von Ulli Mair erklärte LR Martha Stocker, dass sie die geforderten Abschiebezentren (CIE) lieber außer Landes habe. Damit die Abschiebungen effektiv durchgeführt werden, müsse ganz Europa an einem Strang ziehen, was nicht leicht sei. Mit dem Antrag wolle man einfach eine Position unterstreichen. Der Antrag wurde in der neuen Fassung mit 27 Ja und zwei Nein genehmigt.
Beschlussantrag Nr. 680/16: Neues Verkehrskonzept fürs Pustertal (eingebracht von den Abg. Zimmerhofer, Knoll und Atz-Tammerle am 16.9.2016). Die Landesregierung wird aufgefordert, 1. die Einführung eines zeitgemäßen Mautsystems für die Autobahn nach dem Vorbild Österreichs oder der Schweiz umzusetzen; 2. anstatt der Tunnelvariante in Kiens die Möglichkeit einer Galerie entlang der Rienz zu überprüfen und bei positivem Befund zu verwirklichen; 3. die verbliebenen Bahnschranken in Bruneck und Vierschach durch Straßenunterführungen zu beseitigen; 4. die Engstelle am derzeitigen Grenzübergang Winnebach zu beseitigen; 5. das Projekt Tauferer-Bahn in den Landesbautenplan aufzunehmen und nach Priorität umzusetzen; 6. mit der Tiroler Landesregierung in Kontakt zu treten, um das Projekt Verbindung Zillertal- und Taufererbahn gemeinsam zu planen und nach Priorität umzusetzen; 7. die Voraussetzungen für den Güterverkehr auf der Pustertaler Schiene zu schaffen.
“Wie jedes Jahr kam es auch in der vergangenen Sommersaison wieder fast täglich zu zähflüssigem Verkehr und Staus auf Südtirols Straßen, insbesondere im Pustertal”, erklärte Bernhard Zimmerhofer(Süd-Tiroler Freiheit). “Dies ist schlecht für die Verkehrsteilnehmer, für die Anrainer, für die Umwelt und nicht zuletzt für die Wirtschaft. Eine optimale Lösung kann nur ein Mix aus verschiedenen Maßnahmen sein, nachdem eine Schnellstraße à la Mebo für das Pustertal nicht mehr in Frage kommt”, erklärte Zimmerhofer, der die derzeitigen Probleme einzeln und ausführlich darstellte.
Andreas Pöder (BU) warnte, dass einige vorgeschlagene Lösungen den Durchzugsverkehr vielleicht attraktiver machen würden, zeigte sich mit einigen aber einverstanden, etwa mit einem neuen Mautsystem für die Autobahn, der Beseitigung der Bahnschranken und der Engstelle bei Winnebach. Für die Verbindung von Zillertal- und Taufererbahn fehle ihm die Vorstellung, was diese kosten würde.
Wie für Gesetzentwürfe sollte man auch für Beschlussanträge eine Finanzierungsklausel einfordern, meinte Dieter Steger (SVP) und verwies ebenfalls auf die Bahnverbindung ins Zillertal. Dieser Tunnel wäre ein Drittel so lang wie der Brennerbasistunnel, die Kosten wären dementsprechend. An der Umfahrung Kiens arbeite man schon seit vielen Jahren, die Galerie komme für die Gemeinde nicht in Frage, auch aus technischen Gründen. Zimmerhofer sollte sich besser vorbereiten.
Pius Leitner (F) fand es schwierig, so viele Einzelpunkte auf einmal zu behandeln. Der Eisenbahntunnel dürfte zu teuer sein, die Tunnelvariante in Kiens sei bereits gegessen, die Taufererbahn würde er befürworten, ebenso den Güterverkehr auf der Schiene. Leitner plädierte für Überholspuren auf der Pustertaler Straße, eine Lösung mit wenig Aufwand.
Hans Heiss (Grüne) sah im Antrag interessante Ansätze, er sei nicht einfach so abzukanzeln. Insgesamt sei er aber unklar in der Zielrichtung. Der Zukunftstrend müsste eigentlich die Schiene und nicht die Straße sein.
Der Antrag enthalte eine ganze Reihe von Problemlösungen, meinte Sven Knoll (STF), da auch die Problemstellung vielfältig sei. Zur Bahnverbindung ins Zillertal gebe es drei Varianten, ein Vergleich mit dem BBT sei nicht sinnvoll, denn es gehe um eine Schmalspurbahn mit nur einem Tunnel. Straßentunnels seien wesentlich teurer. Eine Variante wäre nur zwölf Kilometer lang.
Prof. Knoflacher habe gesagt, dass es Zeit wäre, auch einmal die Erfolgsprojekte vorzustellen, denn zu verschiedenen Projekten gebe es immer wieder Widerstand, berichtete ChristianTschurtschenthaler (SVP). Das Projekt für Kiens habe den Konsens von Land, Gemeinde und Bevölkerung, bei Bruneck würde eine zweite Ausfahrtsspur Staus vermeiden helfen.
Roland Tinkhauser (F) sah auch einen positiven Aspekt an den Staus, diese zeigten das große Touristenaufkommen im Tal. Wenn man den Verkehr im Pustertal wirklich entflechten wolle, brauche es eine neue Schnellstraße, alles andere sei Flickwerk.
Das italienische Mautsystem sei eines der besten in Europa, befand LR Florian Mussner, es beruhe auf dem Verursacherprinzip. Die EU arbeite gerade an einem einheitlichen Mautsystem, das sicher auch Verbesserungen bringen werde. Die Galerie für Kiens sei technisch nicht machbar, sie würde auch eine Reihe von neuen Problemen bringen. Die Beseitigung der Bahnschranken wäre sinnvoll, aber hier gebe es noch viele Probleme zu lösen. Die Taufererbahn sei nicht in das aktuelle Bautenprogramm aufgenommen worden, zuvor müssten sich die Gemeinden um die Finanzierung kümmern, wobei auch EU-Gelder zur Verfügung wären. Der Güterverkehr auf Schiene liege im Entscheidungsbereich von RFI; der Verladebahnhof existiere nicht mehr, und ohne diesen wäre das Unternehmen nicht sinnvoll. Für Überholspuren auf der Pustertaler Straße habe man keine geeignete Stelle gefunden.
Von einem Wirtschaftsvertreter wie Steger hätte er sich mehr Visionen erwartet, erklärte Bernhard Zimmerhofer in seiner Replik. Was die Finanzierung des Bahntunnels betreffe, so sollte man sich das Beispiel Schweiz anschauen. Die Zielrichtung seines Antrags sei klar: die Entlastung der Pustertaler Straße und die Verlagerung auf die Schiene. Zimmerhofer sprach sich eindeutig gegen eine neue Schnellstraße aus, wie sie von Tinkhauser gefordert wurde. Punkt 3 zu den Bahnunterführungen wurde bei 1 Enthaltung genehmigt, die anderen Punkte wurden mehrheitlich abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 204/14: Statut: politische Debatte muss angestoßen werden (eingebracht von der Abg. Artioli am 18.8.2014): Der Landtag möge sich verpflichten, den Sonderausschuss zwecks Prüfung allfälliger Anträge auf Abänderung des Autonomiestatuts oder als Alternative eine gleich zusammengesetzte politische Arbeitsgruppe einzuberufen, um die politische Debatte im Landtag über dieses Thema anzustoßen. Einbringerin Elena Artioli (Team Autonomie) betonte, dass sie den Antrag eingereicht habe, bevor die Absicht zu einem Autonomiekonvent bekannt war. Eine politische Kommission sei nun aber wieder aktuell, da die Situation derzeit verfahren scheine. Der Prozess sei voriges Jahr mit dem Konvent angestoßen worden, erklärte Landesrat Christian Tommasini, daher habe der Antrag keinen Sinn mehr.
Den Sonderausschuss, der Anträge auf Änderung des Statuts prüfe, gebe es schon seit immer, gab Pius Leitner (F) zu bedenken, was auch Präsident Roberto Bizzo bestätigte. Artioli zog ihren Antrag zurück. Die Arbeiten werden morgen wieder aufgenommen.