Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute mit dem Beschlussantrag Nr. 885/18: Ehrenamt in Südtirol und betriebliche Freiwilligenarbeit (eingebracht von der Abg. Artioli am 16.2.2018) befasst. Die Landesregierung wird aufgefordert, – die für das Ehrenamt in Südtirol verfügbaren Mittel aufzustocken; – eine Informationskampagne über das Ehrenamt, einschließlich der betrieblichen Freiwilligenarbeit, in die Wege zu leiten.
“Der freiwillige Zivildienst bietet jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren die Möglichkeit, ein Jahr ihres Lebens in den Dienst von Kindern, Jugendlichen und älteren Menschen zu stellen oder sich für Tätigkeiten im Sozial-, Kultur- und Umweltbereich zu engagieren”, bemerkte Elena Artioli (Team Autonomie). “Darüber hinaus gibt es den fast unerforschten Bereich der betrieblichen Freiwilligenarbeit: Dabei entscheiden sich immer mehr Betriebe für diese Form der sozialen Verantwortung und gewähren dem eigenen Personal die Möglichkeit, im Durchschnitt drei Tage ihrer Gemeinschaft und ihrem Umfeld zu widmen und sich dadurch neue Kompetenzen anzueignen.”
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) begrüßte den Antrag, wies jedoch auf die rechtliche Unsicherheit hin, der Freiwillige ausgesetzt seien. Unter diesem Aspekt sei noch viel zu tun. Er bat die Landesregierung um Auskunft über den Stand der Dinge.
LR Martha Stocker teilte das Anliegen, das Ehrenamt zu stärken. Das Ehrenamt liege in den Genen dieses Landes, das versuche sie auch immer, den Asylwerbern bei der Vorstellung des Landes zu vermitteln. Das Land unterstütze das Ehrenamt, heuer mit 2,2 Mio. Euro, wobei man sich vor allem auf den freiwilligen Zivildienst konzentriere. Vor allem die ehrenamtlichen Organisationen seien auf öffentliche Hilfe angewiesen. Wenn man nun die Privaten mit hinein bringe, dann müssten die nicht gewinnorientierten Organisationen um ihre Unterstützung bangen. Sie schlug Artioli vor, den Antrag in diesem Sinne abzuändern, womit diese sich einverstanden erklärte. Zur rechtlichen Unsicherheit erklärte Stocker, dass das Land derzeit an einem Absicherungsfonds arbeite. Der Antrag wurde vertagt.
Beschlussantrag Nr. 875/18: Ehrenamt und Haftung: Einführung eines Landesgarantiefonds (eingebracht vom Abg. Köllensperger am 22.1.2018). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. die Bürokratie für die Vereine bei der Umsetzung der Reform des dritten Sektors so weit als möglich abzubauen; 2. einen neuen Landesgarantiefond zu erstellen, der gesetzliche Vertreter und Ausschussmitglieder von neugegründeten Vereinen vor dem Risiko bewahrt, das eigene Privatvermögen für Verpflichtungen des Vereins im ersten Tätigkeitsjahr zu verlieren, und die Voraussetzungen für die Anwendung der genannten Maßnahme festzulegen.
“Der im Sommer 2017 veröffentlichte gesamtstaatliche Kodex des Dritten Sektors enthält eine Reihe von Bestimmungen, die sowohl die Verwaltung als auch die Organisationen vor große Herausforderungen stellen”, erklärte Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung), der das Ehrenamt als Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens in Südtirol bezeichnete. “Ein Problem für neugegründete Vereine im ersten Tätigkeitsjahr bleibt ungelöst: Ihre gesetzlichen Vertreter und die Ausschussmitglieder von Vereinigungen, die keine juristischen Personen des Privatrechts sind, sind dem Risiko ausgesetzt, mit dem eigenen Privatvermögen für Verpflichtungen des Vereins uneingeschränkt zu haften. Eine Eintragung ins Landesregister ist erst nach einem Jahr möglich. Abhilfe schaffen könnte man mit der Einführung eines nur im ersten Tätigkeitsjahr geltenden Landesgarantiefonds. Die finanzielle Deckung und der Höchstbetrag sollten – wie für den Garantiefonds für eingetragene Vereine – fallweise aus dem Reservefonds für nicht vorhersehbare Ausgaben aus dem laufenden Landeshaushalt entnommen werden. Dazu könnte die Landesregierung die bürokratischen und statutarischen Mindestvoraussetzungen der Vereine sowie den Höchstbetrag des neuerstellten Landesgarantiefonds festlegen. Nach der Eintragung in das Landesregister können Vereine dann weiterhin nur für den Landesgarantiefonds in der traditionellen Form ansuchen. Dazu würde ein entsprechendes Formular ausreichen, das vom gesetzlichen Vertreter bei der Gründung ausgefüllt wird. Die Landesbeobachtungsstelle könnte die Landesregierung bei der Kontrolle über die Erfüllung der Kriterien bei einem Ansuchen für den neuen Landesgarantiefonds unterstützen.”
Südtirol lebe von den Vereinen, meinte Hannes Zingerle (Freiheitliche), daher müssten sie auch unterstützt werden. Er wies darauf hin, dass ein Verein für die Eintragung ins Landesverzeichnis den Sitz nicht beim jeweiligen Obmann haben dürfe, sondern einen festen Sitz haben müsse. Mit solchen und anderen bürokratischen Auflagen werde das Vereinswesen belastet. Im ersten Jahr könnten Vereine auch keine Spendenquittung ausstellen. Wenn man das Vereinswesen den Asylwerbern schmackhaft machen wolle, dann müsse man neben Italienisch- auch Deutschkurse anbieten.
Trotz der schweren Last, die ihnen von der Politik aufgebürdet werde, würden sich immer noch sehr viele ehrenamtlich betätigen, erklärte Bernhard Zimmerhofer (STF), der eine bürokratische Entlastung dennoch als dringend bezeichnete. Eine weitere Belastung sei durch die Musiksteuer SCF neben den SIAE-Gebühren gekommen. Mit dem vorgeschlagenen Fonds laufe man dem Problem nur hinterher. Südtirol sollte die Landeskompetenz für das Ehrenamt anstreben.
Tamara Oberhofer (F) sah ebenfalls die bürokratischen Auflagen als Hauptproblem für die Vereine, die vielen Menschen ein Auffangbecken und ein gesellschaftliches Leben bieten würden.
Sigmar Stocker (F) riet Köllensperger, sich an die neue Fünf-Sterne-Regierung in Rom zu wenden. Er bat um Auskunft über den geplanten Landesgarantiefonds. Er stimme der Aufforderung zu, dass Vereine vermehrt Einwanderer aufnehmen sollten. Aber wenn es nicht klappe, dann dürfe man nicht gleich mit der Rassismuskeule kommen – auch Einheimische würden oft ausgeschlossen, wenn die Chemie nicht stimme.
Das Vereinswesen, die Säule der Südtiroler Gesellschaft, sei hier anders organisiert als in anderen Regionen Italiens, meinte Dieter Steger (SVP). Der neue Kodex fürs Ehrenamt habe gute Prinzipien, enthalte aber auch problematische Details, für deren Lösung der Landeshauptmann sich einsetze. Die Stoßrichtung des Antrags sei richtig, wenn man etwas tun könne, um die Vereine zu entlasten, solle man es tun.
Die staatliche Reform sei erst in der Umsetzungsphase, erklärte LH Arno Kompatscher, es fehlten noch 30 Dekrete. Es sei inzwischen gelungen, eine Schutzklausel einzufügen, welche die Südtiroler Feuerwehren als Freiwilligenorganisationen rette, wenngleich sie die öffentliche Funktion des Zivilschutzes ausübe. Dasselbe gelte für Weißes und Rotes Kreuz, auch für die fest Angestellten. Die Reform bringe auch Vorteile, etwa Steuererleichterungen, das sei den Vereinen auch aufgefallen. Vorgesehen sei auch ein Dienstleistungszentrum für das Ehrenamt, das von den Vereinen getragen wird. In Südtirol sei dazu bereits eine Dachorganisation gegründet worden, an der 37 der größten Vereine beteiligt seien. Einer der ersten Aufgaben, die sich der Dachverband gestellt habe, sei die weitere rechtliche Absicherung der Ehrenamtlichen. Mit einem Sonderfonds soll eine generelle Grundversicherung geboten werden. Kompatscher schlug Köllensperger vor, den zweiten Punkt des Antrags allgemeiner zu formulieren, damit die angepeilte Lösung darunter fallen könne.
Paul Köllensperger legte einen dementsprechenden Änderungsantrag vor. Die beteiligten Vereine würden sicher eine gute Lösung finden.
Der so geänderte Antrag wurde einstimmig angenommen.