Von: mk
Bozen – Am Nachmittag wurde im Landtag die Debatte zum Beschlussantrag Nr. 758/17: „Räumung des Flüchtlingsaufnahmezentrums Ex-Alimarket“ von Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) wieder aufgenommen. Die Forderungen: Die Landesregierung solle verpflichtet werden, im Rahmen der eigenen Zuständigkeiten Initiativen zu ergreifen zur sofortigen Räumung des Flüchtlingsaufnahmezentrums Ex-Alimarket und jeglicher weiterer überfüllten Aufnahmezentren; zur gleichmäßigen Verteilung von Asylbewerberquoten im Verhältnis zur ansässigen Bevölkerung in allen Gemeinden Südtirols und somit die Spannungsherde in der Landeshauptstadt zu beseitigen; zur Beanstandung der Untätigkeit der italienischen Regierung hinsichtlich der politischen Interventionsmaßnahmen auf europäischer Ebene zur Einschränkung der Ankünfte von Flüchtlingsbooten. Die in Italien angekommenen Bootsflüchtlinge sollen auf EU-Ebene verteilt werden, in Abweichung von den derzeitigen vertraglichen Vorgaben. Urzì beanstandete außerdem „die Unfähigkeit der Regierung mit der Notstandssituation fertig zu werden und diese zu lösen – eine Lage, die Italien (und Teile Südtirols) zunehmend in ein großes Flüchtlingslager unter freiem Himmel verwandelt.“
Alessandro Urzì kritisierte in seiner Replik die mangelnde Initiative der römischen Regierung, um von Brüssel Solidarität einzufordern. Er wies darauf hin, dass das Ex-Alimarket vom Land für viel Geld für drei Jahre angemietet wurde. Dort seien auch jene 35 angekommen, die ein norwegisches Schiff vor kurzem an die italienische Küste gebracht habe. Jedes Land, jede Gemeinde müsse einen Teil beitragen. Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.
Die Freiheitlichen haben eine neue Fassung ihres am Vormittag behandelten Antrags Beschlussantrag Nr. 709/16: Ethnische Herkunft von Flüchtlingen identifizieren – Asylverfahren und Ausweisungen beschleunigen“. (eingebracht von den Abg. Mair, Leitner, Stocker S., Blaas und Oberhofer am 16.11.2016) vorgelegt. Demnach soll die Landesregierung in Rom weiter zugunsten einer Beschleunigung des Asylverfahrens intervenieren, Möglichkeiten für Konventionen mit sicheren Drittstaaten prüfen, in Rom und Brüssel intervenieren, dass Asylbewerber über ihre Handynutzung identifiziert werden können und dass technische Spracherkennungsverfahren angewendet werden können. Außerdem solle der Landeshauptmann eine Volksabstimmung darüber zulassen, ob Südtirol noch weitere Asylbewerber ohne Aussicht auf Anerkennung aufnehmen will. Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 761/17: Offenlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse für Führungskräfte im Landesdienst (eingebracht vom Abg. Pöder am 19.4.2017). Der Landtag spricht sich für die Anwendung der Transparenzbestimmungen zur Offenlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse für Führungskräfte im Landesdienst aus und verpflichtet die Landesregierung, diese Offenlegung mit Nachdruck zu vertreten und zu betreiben.
“Die gemäß dem Dekret Nr. 33/2013 vorgesehene Verpflichtung zur Offenlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse für Führungskräfte im öffentlichen Dienst wurde aufgrund von Rekursen betroffener Kategorien ausgesetzt”, stellte Andreas Pöder (BürgerUnion) fest. “Es erscheint jedoch durchaus angebracht, dass ähnlich wie für politische Mandatsträger auf Landesebene vorgesehen, auch für Führungskräfte im Landesdienst die Verpflichtung zur umfassenden Offenlegung der Einkommen und der Besitzverhältnisse erfolgt. Bekanntlich müssen Mandatsträger auf Landesebene Jahr für Jahr ihre Besitz- und Einkommensverhältnisse offenlegen und sie sind für jeden einsehbar.” Wenn keine staatlichen Bestimmungen dazu verpflichteten, dann müsse man entsprechende Landesbestimmungen erlassen.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sprach sich gegen den Antrag aus. Es sei richtig, dass das Einkommen von Abgeordneten und Beamten offengelegt wird, es sei ja Steuergeld, aber was sie sich damit kaufen, sei Privatsache. Die Offenlegung der Vermögenslage sollte folgerichtig bei den Abgeordneten, für die sie bereits gelte, gestrichen werden.
Die Leute würden sich über die Abgeordneten immer das Maul zerreißen, das könne man nicht verhindern, meinte Walter Blaas (F). Beim Vermögen anderer sei man immer neugierig, beim eigenen sei man weniger auskunftsfreudig, wie auch die Acli bei der Diskussion über die Leibrenten gezeigt hätten.
Dieter Steger (SVP) teilte die Meinung Knolls. Das Einkommen sollte öffentlich sein, das Vermögen nicht. Man könne durchaus eine Einkommensoffenlegung für Spitzenkräfte einfordern, denn diese hätten oft mehr Einfluss als die Abgeordneten. Eine Vermögensoffenlegung sei überdies keine wirksame Hilfe bei der Korruptionsbekämpfung. Steger kündigte die Gegenstimme seiner Fraktion an.
Brigitte Foppa (Grüne) plädierte für eine Unterscheidung zwischen Gewählten und nicht Gewählten. Bei den Gewählten habe weitgehend Transparenz zu herrschen. Bei Amtsdirektoren etwa sei diese Notwendigkeit weniger ersichtlich.
Roland Tinkhauser (F) sprach sich gegen die Offenlegungspflicht für die Abgeordneten aus. Das Vermögen sollte dem Rechnungshof gegenüber offengelegt werden müssen, aber nicht der Öffentlichkeit. Die derzeitige Vermögenserklärung sei übrigens eine Farce, man könne z.B. über eine Firma alles Mögliche verstecken.
LR Waltraud Deeg erklärte, dass das Einkommen der Führungskräfte bereits veröffentlicht werde, aufgrund der geltenden Bestimmungen. Genau letztere seien aber einer besseren Lesbarkeit nicht dienlich. Die Landesregierung habe bei den Führungskräften bereits alle Informationen zum Vermögen eingeholt, dann aber sei das Dekret vorerst vom Gericht ausgesetzt worden. Wenn eine definitive Entscheidung falle, werde man die Bestimmung anwenden. Die Verwaltung habe nichts zu verstecken, die Transparenz helfe auch, das verständlich zu machen, was geleistet werde. Aus den genannten Gründen könne sie nicht für eine Annahme des Antrags plädieren.
Andreas Pöder betonte, dass auch Führungskräfte des Landes großen Einfluss hätten, sie würden z.B. über Bauaufträge entscheiden, und da sei eine Vermögenserklärung schon sinnvoll. Der Antrag wurde mit vier Ja, 17 Nein und acht Enthaltungen abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 764/17: Aufnahmestopp für weitere Asylwerber in Südtrol (eingebracht von den Abg. Knoll, Atz Tammerle und Zimmerhofer am 20.4.2017). 1. Die Landesregierung wird aufgefordert, bei den zuständigen Stellen des Staates dahingehend zu intervenieren, dass straffällige Asylwerber umgehend abgeschoben werden und nicht mehr nach Süd-Tirol zurückkehren dürfen. 2. Der Südtiroler Landtag spricht sich für einen Aufnahmestopp weiterer Asylwerber in Südtirol aus und fordert die Landesregierung auf, den staatlichen Verteilungsschlüssel auszusetzen.
In den letzten Wochen ist es in Südtirol vermehrt zu Gewalttaten gekommen, in die fast immer Ausländer verwickelt waren”, erklärte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). “Insbesondere in Bozen eskaliert die Situation zunehmend. Menschen werden auf offener Straße verprügelt und beraubt, in der Ersten Hilfe des Krankenhauses kommt es zu Tumulten, in öffentlichen Verkehrsmitteln finden Auseinandersetzungen statt und in den Flüchtlingsunterkünften kommt es zu wüsten Schlägereien. Es wäre schlichtweg verantwortungslos die staatliche Quote weiterhin unreflektiert zu erfüllen und immer mehr Migranten nach Süd-Tirol zu holen, wenn die jetzige Anzahl bereits zu immensen Problemen führt. Dies geht letztlich auch zu Lasten der Flüchtlinge, die wirklich unsere Hilfe benötigen.” Man müsse auch bedenken, dass durch mehr Migranten der Druck auf Österreich erhöht werde, die Brennergrenze zu schließen. Knoll legte Wert auf die Feststellung, dass er zwischen Asylbewerbern und Menschen mit anerkanntem Flüchtlingsstatus unterscheide, welche wirklich Anrecht auf Hilfe hätten. Die Asylverfahren müssten in den Herkunftsländern abgewickelt werden.
Andreas Pöder (BU) stellte die Frage nach der Machbarkeit. Bei der Rückführung gebe es z.B. eine Reihe von Problematiken. Er fragte, ob ein Moratorium oder ein Aufnahmestopp einseitig möglich sei. Bei der Abschiebung unterscheide man in Deutschland etwa zwischen schweren und weniger schweren Straftaten.
Ulli Mair (F) kündigte Zustimmung an. Der zweite Teil des Antrags sei aber nur umsetzbar, wenn das Land die Zuständigkeit für die Einwanderung habe, aber darum habe es sich nie bemüht. Eine Obergrenze wäre sinnvoll, dann bräuchte es auch keinen Verteilungsschlüssel.
Brigitte Foppa (Grüne) meinte, dass die Flüchtlingsdebatte heute im Landtag bereits bestimmte Tiefen erreicht habe. Die Genfer Konvention sei seinerzeit für die Kriegsflüchtlinge geschrieben worden, heute gebe es noch viele andere humanitäre Gründe für eine Flucht aus dem eigenen Land. Das Asylrecht sollte vor diesem Hintergrund umgeschrieben werden. Jedenfalls könne man Südtirol heute nicht von der internationalen Rechtslage ausnehmen.
Sigmar Stocker (F) betonte hingegen, dass es auch einheimische Bedürfnisse gebe, darunter das Bedürfnis nach Sicherheit im eigenen Land. Foppa solle das nicht bagatellisieren. Einheimische gebe es überall, bemerkte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Die Bootsflüchtlinge nach Italien würden zunehmen, weil inzwischen alle anderen Routen geschlossen worden seien. Und viele, die aus verschiedensten Gründen auswandern müssten, würden sich als Flüchtlinge deklarieren, weil sie sonst keine Chance hätten, hierher zu kommen. Es gebe positive Beispiele für humanitäre Korridore in Italien, auch das Trentino sei beteiligt.
Bernhard Zimmerhofer (STF) forderte klare, geordnete Verhältnisse und Sicherheit für das Land. Bei Fortsetzung der aktuellen Entwicklung sei das alles in Gefahr. Zimmerhofer erwähnte auch Ermittlungen wegen angeblicher Verstrickungen von NGOs mit der Mafia. Echten Flüchtlingen wolle man weiterhin helfen. Das Land brauche die Zuständigkeit für die Einwanderung.
Südtirol könne sich der staatlichen Verteilungsquote nicht entziehen, meinte Alessandro Urzì (AAnc). Der erste Teil des Antrags sei vielleicht umsetzbar, wenn dies durch ein Gesetz geregelt werde. Urzì kritisierte das italienische Strafgesetz, das Straftäter nach wenigen Tagen wieder auf freien Fuß setze.
LR Martha Stocker bezeichnete eine übertriebene Schwarzmalerei zu einer durchaus großen Herausforderung als nicht sinnvoll. Es gehe bei der Flüchtlingskonvention auch um Werte, die Europa ausmachten. Für eine vernünftige Abwicklung wäre es sicher besser, wenn die Asylverfahren noch außerhalb Europas stattfänden. Zu überlegen sei auch ein eigenes europäisches Migrationsgesetz. Wenn man nicht imstande sei, die Weltwirtschaftspolitik – inklusive Waffenhandel – zu ändern, werde man das Problem nicht zufriedenstellend lösen können. Dabei werde man vermutlich auch Abstriche auf eigener Seite machen müssen. Schwer Straffällige müssten zurück in die Herkunftsstaaten abgeschoben werden, darüber seien sich alle einige, aber das sei nicht so leicht umzusetzen. Auf jeden Fall sei es Aufgabe des Staates. Eine Aussetzung der Flüchtlingsaufnahme sei unrealistisch, aber auch gefährlich: Was, wenn alle Flüchtlinge in Südtirol anlanden und keine andere Region uns welche abnehmen will? Das Asylrecht werde man nicht im Landtag ändern können, aber Südtirol leiste seinen Beitrag, auch durch die zahlreichen Interventionen des Landeshauptmanns in Rom und anderswo.
Sven Knoll erinnerte an den Tunesier, der 20 Anzeigen wegen Körperverletzung habe, aber nach zwei Tagen wieder auf freiem Fuß sei. In Österreich landeten solche Fälle in der Schubhaft bis zur Abschiebung. Südtirol sollte über die Quote nur mehr die anerkannten Flüchtlinge aufnehmen. Wenn die Entwicklung so weitergehe, werde Österreich die Grenzen dicht machen. Auch die sogenannten Hungerflüchtlinge seien keine echten, die, die in Afrika am Verhungern seien, könnten sich die Überfahrt nicht leisten. Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.