Von: mk
Bozen – Heute wurde im Landtag die Debatte zum Beschlussantrag Nr. 630/16: Nein zu Müllimporten nach Südtirol (eingebracht von den Abg. Blaas, Leitner, Oberhofer, Stocker S. und Tinkhauser am 12.7.2016) wieder aufgenommen.
Die Bozner Müllverbrennungsanlage sei inzwischen als Verwertungsanlage zertifiziert worden, berichtete LR Richard Theiner. Die Wärmeabgabe sei bedeutend größer als anfangs geschätzt. Die Gebühren seien dieselben geblieben wie beim alten Verbrennungsofen, bei dem die Amortisierungskosten nicht einberechnet wurden. Theiner betonte, dass die Landesregierung hier niemandem etwas aufzwingen wolle, man werde diesen Weg nur gehen, wenn die Gemeinde einverstanden sei. Südtirol bringe derzeit Biomüll nach Cadino, daher müsse es auch zu Gegenleistungen bereit sein. Er plädierte schließlich für die Ablehnung des Beschlussantrags.
Einbringer Walter Blaas (Freiheitliche) bezeichnete die Gegenargumente vor allem Stegers als teilweise nicht haltbar. Es sei sonderbar, wenn ein Bürgermeister Müll von außen importieren wolle, damit das große Geschäft der Müllverbrennung funktioniere. Es könne nicht sein, dass jährlich 20.000 Tonnen aus dem Trentino verbrannt würden, das sei die Menge der Stadt Bozen. Der Antrag wurde mit 15 Ja und 17 Nein abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 659/16: Einheimische zuerst – Freiheitliche Forderungen zur Regelung der Masseneinwanderung durch Flüchtlinge (eingebracht von den Abg. Mair, Leitner, Tinkhauser, Stocker S., Blaas und Oberhofer am 24.8.2016): Südtirol solle Druck ausüben, um eine Mittelmeerüberfahrt zu unterbinden, auch durch Unterstützung der Flüchtlinge vor Ort, die Außengrenzen seien effektiv zu schützen, das Land solle die primäre Kompetenz zur Einwanderung verlangen, nur Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention sollen aufgenommen werden, die Südtiroler sollen bestimmen können, wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen wollen, eine verstärkte Präsenz von Sicherheitskräften sei zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus, der Landeshauptmann solle persönlich für Ungereimtheiten mit Flüchtlingen bürgen und eine Beschwerdestelle für Einheimische einrichten, schließlich solle sich das Land für eine Re-Migration einsetzen.
Ulli Mair (Freiheitliche) kritisierte die Einwanderungspolitik der Landesregierung, der “Gutmenschen” und der Medien. Derzeit würden Flüchtlinge in libyschen Gewässern gerettet und dann statt zurück nach Italien gebracht. Ohne Einwanderungskompetenz sei die sogenannte Vollautonomie nur ein Trug. Mair plädierte für die Einrichtung von CIE, von Identifizierungs- und Ausreisezentren. Wer den Flüchtlingsstatus nicht anerkannt bekomme, solle sofort abgeschoben werden, ebenso jene, die in Südtirol Gewalttaten verüben – etwas anderes würden die Bürger nicht verstehen. Mair verwies diesbezüglich auf die Schlägerei auf den Talferwiesen, nach der der Haupttäter das Gericht auf freiem Fuß verlassen konnte.
Andreas Pöder (BürgerUnion) unterstützte eine Reihe von Forderungen des Antrags, unter anderem jenen zur regelmäßigen Information durch die Landesregierung. Die Menschen würden die negativen Entwicklungen sehen. Nun habe die Landesregierung einmal klare Regeln aufgestellt, und dann stelle sich die Caritas dagegen. Für sie sei die Einwanderungswelle auch eine existenzielle Frage.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) bezeichnete den Antrag als inhuman, er beruhe auch auf falschen Annahmen. Auf der Welt gebe es 65 Mio. Flüchtlinge, nur 3,2 Mio. seien nach Europa gekommen. Das Asyl sei internationales Recht, auch ein Freistaat Südtirol müsste Flüchtlinge aufnehmen, und wäre Südtirol wieder bei Österreich, so würde ihm auch eine höhere Quote zufallen.
Man solle nicht Ängste auf dem Rücken der Ärmsten schüren, warnte auch Hans Heiss (Grüne). Südtirol sei nicht das Masseneinwanderungsland, als das es die Freiheitlichen hinstellten. Der Ministerpräsident von Thüringen habe bei seinem Südtirolbesuch erklärt, dass sein Land die Aufnahme von 21.000 Flüchtlingen schaffe, weil es die Frage offensiv angehe. Die Einwanderung sei staatliche Kompetenz, da könne man nichts machen. Bei den von Mair zitierten Gewaltvorfällen sollte man sich auch fragen, ob Afghanen, Nordafrikaner per se gewalttätig oder ob einzelne durch ihre Situation gewalttätig geworden seien. In der Flüchtlingsfrage müsse das Land noch mehr tun, diese müsse Chefsache werden. Derzeit seien die Dinge aber nicht dramatisch, sondern sehr wohl noch zu steuern.
Die Frage sei nicht, ob man das schaffe, sondern ob man das schaffen wolle, ob man so viel Einwanderung wolle, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Das Referendum in Ungarn habe es gezeigt: Es werde zur tickenden Zeitbombe, wenn der Wille der Bevölkerung nicht respektiert werde. Südtirol sei sehr wohl ein Einwanderungsland, widersprach Knoll einem Satz des Antrags, hier habe es seit 96 Jahren eine massive Zuwanderung gegeben. Südtirol sei in einer Minderheitensituation, das sei nicht mit Thüringen oder anderen Bundesländern zu vergleichen. Er kritisierte, dass die Flüchtlinge laut Vorgaben der Sicherheitsbehörden nur in größeren Gruppen untergebracht werden.
Sigmar Stocker (F) kritisierte die Abwesenheit des Integrationslandesrats Achammer bei dieser Debatte (dieser betrat in dem Moment den Saal; A.d.R.)
Pius Leitner (F) kritisierte die Sichtweise der Integration als Kompromiss zwischen Einheimischen und Zuwanderern. Die Integrationsromantik sei nicht nachvollziehbar. Die Frage sei, ob die Südtiroler die Einwanderung wollten. Durch die Willkommenskultur sei eine Emigrationswelle in Afrika ausgelöst worden. Es kämen nicht nur Menschen aus Kriegsländern, und auch solche müssten wieder zurück, wenn der Krieg vorbei sei, ebenso jene, denen der Flüchtlingsstatus nicht anerkannt worden sei. Es sei bezeichnend, wenn ein österreichischer Außenminister die Position der Freiheitlichen übernehme.
Sie melde sich zu Wort, weil sie dieses Thema nicht einfach aussitzen könne, erklärte Maria Hochgruber Kuenzer (SVP). Früher habe halb Afrika zu Europa gehört, heute scheine sich Afrika Europa zurückzuholen. Europa habe in Afrika die Voraussetzungen geschaffen, dass die Afrikaner nicht überleben können. Natürlich müssten sie sich anpassen, wenn sie hierher kämen, aber sie auszugrenzen sei die falsche Politik. Sie würde so oder so kommen.
Von “Einwanderungsromantik” könne bei den Bildern aus dem Mittelmeer nicht die Rede sein, erklärte Waltraud Deeg (SVP). Es seien verschiedene Maßnahmen denkbar, um das Phänomen zu gestalten, aber eine chinesische Mauer sei keine Lösung. Die Landesregierung setze sich in Rom, damit die Einwanderung nach Südtirol gestaltbar sei. Deeg lud dazu ein, bei diesem Thema Menschlichkeit zu wahren anstatt mit Parolen auf Stimmenfang zu gehen.
Elena Artioli (Team Autonomie) forderte Kuenzer und Deeg auf, wenigstens einen Flüchtling in ihrer Wohnung aufzunehmen. Sie sollten sich die Szenen vergegenwärtigen, die sich derzeit in Bozen abspielten, hier herrsche der wilde Westen, Kampfszenen mit Messern, und das neben den Kindern.
Maria Hochgruber Kuenzer protestierte gegen die Unterstellung, dass sie nicht wisse, wovon sie rede.
Bernhard Zimmerhofer (STF) wies auf die jüngste Bevölkerungsstatistik hin und auch auf die geringe noch verbaubare Fläche. Mit dem Ausverkauf der Heimat habe die SVP eine Situation geschaffen, dass es in manchen Gemeinden mehr Zweit- als Erstwohnungen gebe. Die Frage sei, wie weit Südtirol noch wachsen könne.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) bedauerte, dass sein Vorschlag, sich die Aufnahmepolitik in den Nachbarregionen genauer anzuschauen, nicht angenommen wurde. Man wollte Animositäten vermeiden, habe damit aber einen großen Fehler gemacht. Man dabei sehen können, was anderswo funktioniert und was nicht. Die Migration sei ein komplexes Phänomen, das sich nicht mit Parolen erklären lasse. Daher erneuere er seine Forderung.
Der Landtag habe sich heute als Abbild der Südtiroler Gesellschaft gezeigt, meinte LR Martha Stocker. Die Landesregierung gebe zum Flüchtlingsthema regelmäßig Informationen, die Medien würden täglich darüber berichten. Für gewisse Situationen hätten die Menschen wenig Verständnis, so bei Gewalttätern, die auf freiem Fuß blieben. Mit diesem Antrag versuche man aber politisches Wechselgeld herauszuholen. Dass Südtirol kein Einwanderungsland sei, sei eine politische Behauptung. Südtirol sei Teil eines größeren Ganzen und müsse seinen Teil beitragen. Es sei ihr klar, dass man mehr tun müsse zum Schutz der Außengrenzen, zur Unterstützung in den Herkunftsländern und auch zur Rückführung. Aber hier brauche es die Zusammenarbeit der europäischen Staaten. Solange dies nicht gegeben sei, werde auch Südtirol nicht weiterkommen. LH Kompatscher sei derzeit bemüht, in Rom die richtigen Weichen zu stellen. Die Zuständigkeit für das Asyl sei nirgends in Europa Zuständigkeit der Regionen. Die Zuweisungsquote sei klar, aber eine ebenso klare Regelung brauche es für jene, die außerhalb der Quote nach Südtirol kämen.
LR Philipp Achammer wehrte sich gegen die freiheitlichen Vorwürfe von der linken Tagträumerei, er habe klar gesagt, dass er einen Respekt vor der heimischen Kultur verlange. Die Südtiroler Bevölkerung sei bereit, an der Integration teilzuhaben, an den Voraussetzungen sei aber noch mehr zu arbeiten.
Wer herkomme, habe die Bringschuld, erwiderte Ulli Mair. Der Vorwurf, politisches Kapital aus der Einwanderung schlagen zu wollen, sei ungerechtfertigt. Die Freiheitlichen warnten seit 20 Jahren davor, heute würden die Befürchtungen bestätigt. Den Vorwurf der Unmenschlichkeit lasse sie auch nicht gelten, sie kümmere sich das ganze Jahr um arme Leute im Lande. In einem Freistaat Südtirol würde Politik mit den Menschen gemacht, man würde das vorantreiben, was die Menschen wollten. Heiss rede von Ärmsten, aber diese bleiben meist in ihren Ländern zurück. Das Problem existiere, es fehle der Mut es anzugehen. Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen zu den einzelnen Punkten abgelehnt.