Von: mk
Bozen – Vor Beginn der Aktuellen Fragestunde im Landtag hat die Landesregierung einen Überblick über die Situation in Sachen Pandemie gegeben. Die Lage sei angespannt, und es gebe einen Trend zur Verschlechterung, erklärte LH Arno Kompatscher. Viele Länder hätten restriktive Maßnahmen eingeführt bzw. verlängert. Besonders dramatisch sei die Situation in England und Irland, aber auch Frankreich, Deutschland und andere hätten die Maßnahmen verstärkt.
Kompatscher berichtete vom Austausch mit Regionenminister Boccia und Gesundheitsminister Speranza. Übermorgen solle ein weiterer Austausch mit den Regionen stattfinden über ein neues Dekret des Ministerpräsidenten, das ab Samstag gelten solle. Zugleich solle der allgemeine Notstand mit Gesetzesdekret verlängert werden. Die beiden Minister hätten erklärt, dass das Prinzip der Einstufung nach Farben beibehalten werden solle. Die Regierung habe bereits entschieden, dass der Übertritt in eine andere Zone früher stattfinden solle, bei RT über 1 orange, über 1,25 rot. Darüber hinaus seien weitere Verschärfungen geplant. Die 7-Tage-Inzidenz als Kriterium scheine vom Tisch zu sein, damit wäre man veranlasst, weniger zu testen. Man überlege, die gelben Zonen mit Risikotrend gleich als orange einzustufen: Hier seien die Auslastung der Intensivstationen und die Ortung der Infektionsherde ausschlaggebend. Mit diesem Kriterium wären fast alle Regionen orange Zone.
Die Landesregierung habe sich heute mit dem Thema befasst und folge derselben Logik. Sie entscheide nicht nach Gutdünken. Der Maßnahmenkatalog sei in ganz Europa ungefähr gleich, ebenso die Risikoeinstufung der verschiedenen Betriebe. Südtirol habe derzeit eine angespannte und kritische Situation, die aber relativ stabil sei. Südtirol habe über die Feiertage eine strengere und durchgehende Regelung gehabt. Seit dem 7. Jänner habe sich die Situation wenig geändert. Es gebe einen leichten Trend zur Verschlechterung bei den stationären Behandlungen, aber keine steile Kurve. Daher wolle man vorerst bei den gleichen Regeln bleiben, aber die Kriterien festlegen, ab wann man nachlegen müsse. Man folge damit derselben Logik wie der Staat. Weihnachten sei in den Zahlen schon enthalten, in den nächsten Tagen werde man die Auswirkungen von Silvester sehen. Man habe den Eindruck, dass nicht überall die Regeln eingehalten wurden. Wenn eine strengere Regelung notwendig sei, dann werde diese drei Wochen gelten. Wenn es die Zahlen danach erlauben würden, würde man zu Regeln zurückkehren, die gelb oder, noch besser, weiß entsprächen. Das sei das, was die Landesregierung bei veränderlichen Zahlen an Klarheit bieten könne. Man habe einen zähen Herbst hinter sich und einen noch strengeren Winter, und viele Betriebe hätten das Fett langsam aufgebraucht. Auf jeden Fall werde es wirtschaftliche Unterstützung für Betriebe und Familien brauchen. Man werde in Rom darauf drängen, dass der Staat wirksame Unterstützungen biete. Gleichzeitig wolle man auch als Land Maßnahmen setzen. Man werde viel Geld in die Hand nehmen müssen, ob durch Verschuldung oder aus anderen Quellen.
LR Thomas Widmann untermauerte das Gesagte mit Zahlen. Obwohl meist die absoluten Zahlen der Positiven zitiert würden, seien andere Zahlen wichtiger. Bisher sei es in Südtirol gelungen, die Krankenhäuser nicht zu überlasten. Und das sei schwierig, weil man die Infektionen erst nach zwei Wochen sehe. Man wolle die Wirtschaft nicht überlasten und so viel wie möglich offen lassen, gleichzeitig aber auch das Gesundheitswesen nicht riskieren. Am 12. Dezember habe man noch 16 Patienten in den Intensivstationen gehabt, dann seien die Zahlen langsam gestiegen. Er hätte sich die Auswirkungen von Weihnachten höher erwartet, danach seien die Zahlen relativ stabil geblieben, wenn auch der Druck auf die Normalstationen gestiegen sei. In der nächsten Woche werde man die Auswirkungen von Neujahr sehen. Wie andere habe er viel über private Feiern gehört, man werde sehen, ob sie sich ähnlich auswirkten wie die Weihnachtsfeiern. Man müsse dann immer schnell reagieren, weil die Zahlen wie gesagt verzögert kämen. Wenn man jetzt schließen müsse, dann dürfe man es nicht halbherzig tun, um relativ schnell wieder zu einer normalen Situation zurückzukommen. Am 9. Jänner seien insgesamt rund 11.000 Test gemacht worden – und dadurch sei der Inzidenzwert hoch, bei 230. Südtirol habe 8-9 mal so viel getestet als Italien, das einen Inzidenzwert von 250 habe. Laut Südtiroler Kriterien habe man 37 rote Gemeinden, und man versuche zu erkennen, ob es um Infektionsherde gehe wie in Toblach. Wenn sich die Neujahrsfeiern aber stark negativ ausgewirkt hätten, brauche man schnell strenge Maßnahmen. Wenn das nicht der Fall sei, komme man relativ unbeschadet durch den Winter.
Zur Impfsituation bemerkte Widmann, dass es vor allem beim weiblichen Pflegepersonal Angst vor der Impfung gebe, auch wegen der Meldungen in den sozialen Netzwerken. Südtirol sei bei den Impfraten unter den Schlusslichtern in Europa, nicht nur in Italien. Es wäre doch ein ethisches Kriterium, dass man im Pflegeberuf seine Patienten schütze. Wenn man die Pflicht ausschließe, müsse man mit Überzeugung arbeiten. Bisher seien 44 Prozent der Dosen geimpft worden. Nun habe man in Rom erreicht, dass man auch andere Risikogruppen impfen könne, solange Impfstoff verfügbar sei. Theoretisch müsste man 200.000 Personen impfen, um den Druck von den Krankenhäusern zu nehmen. Heute sei ein Junger gestorben, aber meistens betreffe es Personen über 70. Pro Woche kämen 8.000 Impfdosen aus Rom, bei dieser Menge würde man sehr lange brauchen bis zum Ziel. Man wolle auch die Organisation der Impfungen verbessern und mehr Impfpoints schaffen, wesentlich sei aber, mehr Impfdosen zu beschaffen.
Anschließend hatten die Abgeordneten Gelegenheit zu Fragen. Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) betonte, dass man auch das Risiko für die Betriebe einschätzen müsse. Die besonders betroffenen Betriebe bräuchten eine angemessene Entschädigung, unabhängig von der Zahlungsfähigkeit des Staates. Klarheit brauche es auch bei der Impfinformation.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) wies darauf hin, dass es im Herbst eine Kampagne für die AHA-Regeln gegeben habe. Zur Impfung sehe man keine Aufklärungskampagne. Die Impfung müsse freiwillig bleiben. Anderswo werde massiv dafür geworben, in Südtirol nicht. Brigitte Foppa (Grüne) fragte, wie sich die Landesregierung die schlechten Zahlen erkläre. Auch sie vermisste eine Impfkampagne. Das Massenscreening sei vom Landeshauptmann als Befreiungsschlag bezeichnet worden, was bei der Bevölkerung zu einem falschen Sicherheitsgefühl geführt habe.
Hanspeter Staffler (Grüne) fragte, wie viele Infizierte auf einen Intensivpatienten kämen, ob sich Geimpfte anders verhalten könnten als Nichtgeimpfte und ob es konkrete Ideen zum Arbeitslosengeld gebe, das der Staat nur bis zu einem bestimmten Punkt finanzieren wolle. Josef Unterholzner (Enzian) äußerte Zweifel an den bisherigen Einschränkungen, denn die Zahlen seien gleich schlecht wie vorher. Man sollte hier einen Sonderweg gehen und die Leute arbeiten lassen.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) sah die Situation kritisch, auch weil sich trotz allem die Zahlen nicht verbesserten. Es sei schlimm, wenn Südtirol bei der Impfung an letzter Stelle stehe. Die Impfung sei der einzige Ausweg. Er sei gegen eine Pflicht, aber man könne Vorteile für die Geimpften vorsehen. Er fragte, wo die Ausgleichszahlungen geblieben seien für jene, die wie die Friseure schließen mussten.
Paul Köllensperger (Team K) fragte ebenfalls nach den Ausgleichszahlungen, vor allem für die Gastbetriebe. Für eine Verschuldung würde das Land viel Zeit brauchen, aber die Unterstützungen brauche es jetzt.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) erinnerte daran, dass der Landtag seinen Vorschlag für Ausgleichszahlungen des Landes abgelehnt habe. Eine Impfung sei besonders beim Sanitätspersonal notwendig, aber man könne die Impfdosen nicht ungenutzt lassen. Der Einsatz der Spürhunde scheine nicht die erhofften Erfolge zu bringen, aber es fehlten dazu wissenschaftliche Daten.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) meinte, das viele sich jetzt von den Impfungen einen Erfolg erhofften. Daher sei es wichtig, jetzt vor allem das Sanitätspersonal zu impfen. Wie man mit jenen verfahre, die eine Impfung verweigerten, könne man sich später überlegen.
Bis jetzt seien nur 35 Prozent der Dosen verimpft worden, kritisierte Franz Ploner (Team K), es habe keine Aufklärungskampagne gegeben. Das Land habe keinen entsprechenden Impfplan aufgelegt, ebenso fehle eine Prioritätenliste. Er fragte, warum man noch kein Impfregister habe – das sei wichtig für die Rechtslage der Betroffenen. Das Thema Jugend sei bisher noch nicht angesprochen worden, bemängelte Peter Faistnauer (Team K) und fragte, welche Perspektiven die Landesregierung den Jugendlichen und ihren Eltern für die nächsten Monate gebe.
Helmut Tauber (SVP) fragte, wann Südtirol mehr Impfungen bekomme. Der Tourismus sei am Boden – wie schnell bekämen die Betriebe und ihre Mitarbeiter nun Unterstützung?
LH Arno Kompatscher ging in seiner Antwort auf die Auswirkungen der Maßnahmen ein, insbesondere auf die Wirtschaft. Der abgestufte Katalog der Risikobetriebe sei international der gleiche, auch wenn er sich seit Beginn der Pandemie geändert habe. Ganz oben seien Veranstaltungen, dann Lokale, wo man sich treffe – Diskos, Bars, Restaurants. Es gehe bei den Maßnahmen immer darum, Kontakte zu vermeiden. Den Tourismustreibenden sei klar, dass es keine normale Wintersaison geben werde. Viele Staaten, aus denen unsere Gäste kämen, hätten Reisebeschränkungen noch für viele Wochen auferlegt. Italien z.B. verbiete die Bewegung zwischen Regionen. Daher brauche es dringend Unterstützungszahlungen. Die Landesregierung habe bereits im Frühjahr eine Verschuldung angedacht und sich um diese bemüht. Ein Verfassungsgesetz beschränke dies aber auf Investitionen ins eigene Vermögen. Man ziele jetzt auf eine Vereinbarung mit der Regierung, die ein schnelles Handeln ermöglichen würde. Bereits im Jänner sollte die Sache im Parlament sein. Die Kriterien für die Verteilung habe man sich bereits überlegt, und sie beträfen alle Betriebe, die Einbußen hatten. Auch der Staat wolle die Umsatzeinbußen als Messlatte nehmen, daher wäre es egal, ob ein Betrieb wegen Landes- oder Staatsbestimmungen schließen musste. Die Unterstützungsmaßnahmen für Familien seien bereit neu aufgelegt worden. Die Lohnausgleichskasse werde verlängert und vom Land aufgestockt.
LR Thomas Widmann kündigte eine Aufklärungskampagne zum Impfen an. Vor sechs Monaten habe man noch nicht gewusst, dass jetzt ein Impfstoff komme, vor drei Wochen habe man den Beipackzettel noch nicht gekannt. Bei der Kampagne müsse man extern eine andere Schiene fahren als intern im Sanitätsbetrieb. Bei Senioren und Bewohnern von Altenheimen gebe es sehr großen Zuspruch. Die Impfpläne mache der Staat, nicht das Land. Wenn man mehr Impfdosen bekommen würde, würde man sich organisatorisch leichter tun. Der staatliche Impfplan gebe dem Sanitätsplan den Vorzug, dann den Senioren und Risikogruppen. Gestern habe das Land die Möglichkeit erhalten, davon ein bisschen abzuweichen.
Wenn das Gesundheitssystem zusammenbrechen würde, dann hätte man versagt, aber das sei nicht geschehen. Wenn alle die Distanzregeln einhalten würden, bräuchte es keine farbigen Zonen. Er verstehe, dass die Leute überdrüssig seien und frei sein wollten, aber wenn viele sich nicht an die Regeln hielten, dann habe man die Situation nicht mehr im Griff. Ohne Massenscreening wäre das System in zwei Wochen in Krise geraten, bei einem Reproduktionsfaktor von 1,3. Dass es ein Erfolg geworden sei, sei auch der einhelligen Unterstützung der Opposition zu verdanken. Bei den Schulen werde man weiter massiv testen, auch mit den Hundestaffeln. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass ein Hund einen Krebspatienten erschnüffeln könne, daher könne man den Einsatz bei Covid nicht in Lächerliche ziehen. Zurzeit sei gesichert, dass ein Geimpfter nicht mehr schwer erkranken könne, aber es sei noch nicht erwiesen, dass er niemanden mehr anstecken könne.