Replik von LH Kompatscher

Landtag: Rechnungslegung 2023 und Nachtragshaushalt 2024

Dienstag, 30. Juli 2024 | 14:22 Uhr

Von: luk

Bozen – Am heutigen Dienstagvormittag wurde die zweite Juli-Sitzung des Südtiroler Landtages mit der gestern begonnenen Generaldebatte zu den drei von der Landesregierung auf Vorschlag des Landeshauptmannes Arno Kompatscher vorgelegten Landesgesetzentwürfen fortgesetzt:

LGE Nr. 21/24 „Allgemeine Rechnungslegung der Autonomen Provinz Bozen für das Haushaltsjahr 2023“,
LGE Nr. 24/24 „Nachtragshaushalt der autonomen Provinz Bozen für das Finanzjahr 2024 und für den Dreijahreszeitraum 2024-2026“,
LGE Nr. 26/24 „Allgemeine konsolidierte Rechnungslegung der Autonomen Provinz Bozen für das Haushaltsjahr 2023“.

Zunächst ergriff Harald Stauder (SVP) das Wort und sagte u.a., gestern sei einiges an Kritik geübt worden – doch das sei die Aufgabe der Minderheit. Aufgefallen sei ihm die Formulierung “Fortschreibung des Bestehenden”, doch die makroökonomischen Gegebenheiten seien gut – Südtirol stehe im Vergleich zu anderen Regionen exzellent da. Wenn politische Vertreter aus anderen Ländern nach Südtirol kämen, höre man viel davon, wie Südtirol von außen gesehen werde: Man gelte als Beispiel für andere Minderheitengebiete, aber auch wenn man von der wirtschaftlichen Entwicklung ausgehe. Alle, die “hier” säßen und arbeiteten, lebten in einer politischen Blase, man sehe mitunter nur das, was man sehen wolle. Der NOI Techpark und die Universität funktionierten, am Lebensraum Südtirol habe man so gut gearbeitet, dass es “uns” nun auf den Kopf falle. Die Gelder seien gut eingesetzt worden. Es gebe keine Hemmung, die politischen Volksvertreter anzusprechen, und man spreche mit den Menschen – die Tipps der Opposition, man solle mit den Menschen reden, seien demnach unnötig. Die Mittelverteilung im Landeshaushalt sei zukunftsgerichtet. Man habe sehr viel Verantwortung, Verantwortung, die nicht allen gemein sei. Es habe vergangene Woche die Diskussion über die Vergütungen der Regionalratsabgeordneten gegeben; am Gesetz hätten auch Vertreter der Opposition mitgearbeitet, aber nun würde zurückgerudert. Die Entscheidung zur Koalition sei eine gute gewesen, man habe Menschen dabei, die in eine Richtung arbeiteten, die für das Land arbeiteten und nicht für einzelne Partikularinteressen – doch man habe auch Baustellen, in die es zu investieren gelte. Man habe sich auf den Weg gemacht. Die heute verteilten Geldmittel seien ein weiterer Baustein, um das Ziel zu erreichen.

Hannes Rabensteiner (Süd-Tiroler Freiheit) erklärte u.a., man staune als Neuling im Landtag nicht schlecht darüber, wie viel Geld man zur Verfügung habe und wofür dieses eingesetzt werde. Doch Geld sei nicht alles. Der Haushalt habe in der Vergangenheit diesen Umfang nicht gehabt, die Wirtschaft sei eine andere gewesen. Doch seien die Menschen nun zufrieden und glücklich? Nein. Die Politik habe in gewisser Weise versagt. Der Abgeordnete verwies u.a. auf ein fehlendes Sicherheitsgefühl, die unkontrollierte Zuwanderung, die hohen Kosten für Eigenheime, die Einkommen, mit denen viele kein Auskommen mehr hätten, die Altersarmut, den Verkehr, die Bürokratie, die Wartezeiten im Gesundheitswesen etc. Von der sogenannten “weltbesten” Autonomie sei immer weniger übrig. Die Politik habe einen großen Vertrauensverlust erlitten – da nütze auch der große Haushalt nicht viel. Die Themen der Bevölkerung und der Opposition müssten ernst genommen werden.

Franz Ploner (Team K) schickte u.a. voraus, dass es im Haushalt um die Planung und Finanzierung vieler Projekte gehe – die Grundprobleme unseres Landes würden aber nicht verdeckt. Es gebe drei politische Grundhaltungen, die helfen würden, “da” gemeinsam durchzukommen – es gehe um gemeinsame Analyse und den Willen zu kooperieren, nicht um Einstimmigkeit. Es bedürfe einer gewissen Selbstkritik, Dinge, die man besser machen könne, solle man auch besser machen. Es brauche auch eine Kraft der Differenzierung. Man müsse raus aus der Komfortzone der Selbstzufriedenheit, wenn man den Wohlstand verteidigen und erneuern wolle. Das bedeute nicht, dass alles schlecht sei – man sei ein starker Standort, habe den Geist der Zusammenarbeit und den Willen, Dinge besser zu machen. Man müsse die Debatte über den Gesundheitshaushalt führen, der 1,768 Milliarden Euro umfasse und beinahe 25 Prozent des Gesamthaushaltes ausmache – dabei sei der Sozialhaushalt nicht einbegriffen, in dem es zu großen Teilen auch um die Gesundheit gehe. Die Pro-Kopf-Ausgaben für die Gesundheit beliefen sich auf rund 3.336 Euro. Es gehe im Kern darum, was das Land zusammenhalte – doch leider sei das Südtiroler Gesundheitssystem “chronisch krank”. Man habe im Vergleich zu anderen Regionen Italiens die höchsten Ausgaben im Verhältnis zum BIP und man habe keine gute Ergebnisqualität, wenn man auch erstklassige Ärzte und erstklassiges Pflegepersonal habe. Es habe in den vergangenen Jahren Rückschritte gegeben, es gebe immer mehr Bürokratie. Man müsse zurück zu einer evidenzbasierten Medizin, die Medizin müsse wieder in den Vordergrund gerückt werden, auch die kleinen Krankenhäuser bräuchten eine Existenzperspektive. Man rede seit Jahrzehnten von der Digitalisierung, aber man habe noch kein elektronisches Rezept oder keine elektronische Krankenakte. Immer wieder würde über zu volle Notaufnahmen diskutiert, dass sich dort die falschen Patienten befänden. Man könne fragen, warum es keine Ergebnisse gebe, wo doch ständig Reformen gemacht worden seien. Die budgetäre Ausstattung des Bereiches Gesundheit sei sehr gut, die Frage sei, ob die Mittel gut eingesetzt würden. Immer mehr Menschen hätten private Krankenversicherungen. Die medizinische Uni Bozen werde das Problem der fehlenden Ärzte nicht lösen. Die Prävention sei entscheidend, um Krankheiten zu vermeiden – deshalb gelte es, in die Prävention zu investieren.

Zeno Oberkofler (Grüne) verwies u.a. auf Aussagen des Abg. Stauder und dass man – wenn man die Arbeit der Landesregierung in den vergangenen Monaten beobachtet habe – nicht den Eindruck gehabt habe, dass die Zusammenarbeit passe. Er erkenne keine politische Richtung und politische Führung in der Arbeit der Landesregierung, keine politische Vision. Der LH habe gestern darauf hingewiesen, dass die Beschäftigung im Land bei 75 Prozent läge – aber man müsse auch schauen, wie die Art und Qualität der Beschäftigung sei und die Lebensqualität, die daraus entstehe, und es sei so, dass die Zahl der sogenannten “Working Poor” ständig wachse. Bozen sei die teuerste Stadt Italiens. Man müsse an der Erhöhung der Löhne und den Wohnkosten arbeiten. Man rede beim Haushalt oft über die großen Posten, aber es gebe auch viele kleine Posten, die äußerst wichtig für das Leben im Land seien, etwa die vielen Projekte, die für die Sommerbetreuung wichtig sei, die im Kulturbereich mache oder im Bereich der Jugendarbeit – all diese hätten keine Planungssicherheit, weil nie sicher sei, ob das Geld auch komme, oft würden die Mittel aus dem Nachtragshaushalt kommen. Das stelle Projektträger vor große Schwierigkeiten. Er wünsche sich eine strukturelle Geldplanung auch für diese kleinen Initiativen, die einen wichtigen Beitrag für das Zusammenleben leisteten.

In seiner Replik erklärte LH Arno Kompatscher u.a. – gerichtet an den Abg. Colli -, es sei üblich, dass bei der Behandlung von Haushalt und Nachtragshaushalt über eine breite Themenpalette gesprochen werde, über alle möglichen vermeintlichen und tatsächlichen Probleme. Es stimme nicht, dass die Politik nur die Ausgabenseite sei – die wirtschaftliche Gesamtlage Südtirols sei heute so gut, weil das Land in den vergangenen Jahrzehnten gut geführt worden sei. Es sei gut und wichtig, dass das Land auf einem guten Weg sei, denn die Herausforderungen seien sehr viele, darunter der demografische Wandel. Arbeitskräfte würden zunehmend weiter fehlen, man werde Steuerzahler verlieren und die Anzahl der Menschen, die Unterstützung erhielten, würde steigen. Die Leistungen, die das Südtiroler Gesundheitswesen erbringe, seien in den vergangenen Jahren massiv gewachsen; darunter auch Gesundheitsleistungen, die nicht unbedingt indiziert wären; diese Problematik gebe es auch in anderen Ländern, etwa Deutschland und Frankreich, wo die Wartezeiten ebenso gestiegen seien. Man habe mehr Ärzte und Pflegekräfte im Gesundheitswesen im Land beschäftigt als je zuvor. Den großen Haushalt habe man dank des Fleißes der Bürgerinnen und Bürger im Land, aber auch Dank der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Man lasse keine Revolution stattfinden, doch man habe bereits in den vergangenen Jahren Weichenstellungen vorgenommen, etwa überproportionale Zuweisungen im Bereich Familie oder auch Forschung und Entwicklung, siehe NOI Techpark. Mit dem Nachtragshaushalt würden für die Kollektivvertragsverhandlungen im öffentlichen Bereich weitere 100 Millionen zur Verfügung gestellt, diese würden für verschiedene Bereiche verwendet, darunter für Dienste im sozio-sanitären Bereich. Es gebe noch offene Themen, wie im Bereich Schulführungskräfte. Man habe in den vergangenen Jahren beim Personal Fortschritte erzielt. Viele Abgeordnete der Opposition hätten unterstellt, die Regierungsmannschaft habe keine Ahnung vom “wirklichen Leben” – das stimme nicht, er bitte darum, so der LH, dies künftig zu unterlassen, denn das sei Populismus. Man habe in “unserer” Arbeit täglich viel zu tun mit den Sorgen der Menschen im Lande. Zu den Löhnen in der Privatwirtschaft: Man dränge darauf, dass die Sozialpartner die gefundene Lösung annehmen. Das leistbare Wohnen sei ein Problem, man habe eine Reihe von Maßnahmen vereinbart, bei einer weiteren Reihe von Maßnahmen gebe es noch Vertiefungsbedarf. Man könne rechtliche Rahmenbedingungen verbessern, man müsse die Ehrlichkeit haben, dem wahren Problem ins Auge zu sehen: dass sehr viel an Wohnraum in Südtirol nicht für dauerhafte Vermietung zur Verfügung stehen. Daran müsse man ansetzen. Die Altersarmut werde durch die Teuerung verstärkt; man arbeite an umsetzbaren Lösungen, die möglichst wenig Bürokratie mit sich ziehen. Südtirol zähle zu den ganz wenigen Regionen – in Italien die einzige -, die in den vergangenen Jahren Steuern gesenkt hätten, siehe Irpef-Zuschlag. Das Steueraufkommen sei dennoch hoch. Darauf könne man gemeinsam stolz sein. Man habe klare Schwerpunkte gesetzt, die Richtung Nachhaltigkeit gingen – etwa in der öffentlichen Mobilität, man sei Dank der Verhandlungen imstande massiv in die Infrastruktur, insbesondere in die Schiene, zu investieren. Man arbeite im Energiebereich daran, wie man zunächst Gemeinden, dann Unternehmen und dann auch Familien den Aus- und Umstieg erleichtern könne. Man habe Herausforderungen im Gesundheits- und Sozialbereich, auch in der Sicherheit – das seien auch Schwerpunkte im Regierungsprogramm. Die Südtiroler Regierung müsse das Regierungshandeln in Südtirol verantworten – man habe ein Werteprogramm dazu im Regierungsprogramm, doch man werde nicht ständig bewerten, was Vertreter politischer Parteien anderswo täten. Man selbst habe eine klare Grundhaltung, die die Basis des eigenen Arbeitens sei. Man arbeite daran, woran man arbeiten müsse: den Herausforderungen und Problemen im Land, für die man Schritt für Schritt Lösungen finde. LR Daniel Alfreider verwies hinsichtlich der Preise und Investitionen im ÖPNV auf die Vision des Landesmobilitätsplanes. Man wolle stark investieren, um die Erreichbarkeit sowohl im ländlichen Raum als auch in den Städten zu garantieren. Ein erstes Ziel sei die Reduzierung des Verkehrs, dazu müsse das Angebot des ÖPNV ausgebaut werden. Man werde weitere Züge ankaufen, im Nachtragshaushalt seien dafür Mittel vorgesehen. Die Kritik an der Ausschreibung des ÖPNV, die von Abgeordneten im Rahmen der Diskussion gekommen sei, wies der LR zurück; die Verträge sähen Inflationsanpassungen vor. Abopreise sollten weiterhin kundenfreundlich bleiben; im Vergleich zu den Nachbarregionen habe man eines der interessantesten Preisangebote. LH Arno Kompatscher stellte klar, dass andere von den Abgeordneten gestellte Fragen von den Mitgliedern der Landesregierung in der Artikeldebatte beantwortet werden.

Harald Stauder (SVP) beantragte eine Unterbrechung für die Mehrheit – dem wurde stattgegeben. Präsident Arnold Schuler teilte zuvor noch mit, dass 24 Tagesordnungen zu den drei behandelten Landesgesetzentwürfen (Nr. 21/24, Nr. 24/24 und Nr. 26/24) eingegangen sind.

Bezirk: Bozen

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