Von: mk
Bozen – Der Landtag ist heute zu einer Sondersitzung zusammengetreten, um über einen Antrag der Opposition zu beraten, der eine laufende Einbindung des Landtags zur Pandemie-Lage und vor wichtigen Entscheidungen fordert.
Präsident Josef Noggler erläuterte den Antrag, der auf ein wöchentliches institutionelles Treffen zwischen Landeshauptmann und Fraktionsvorsitzenden zur Pandemie-Lage abzielt und auf eine weitere Beratung vor wichtigen Entscheidungen. Die jüngsten Entscheidungen der Landesregierungen, die der Verschlechterung der Lage geschuldet seien, seien bei der Bevölkerung nicht immer auf Verständnis gestoßen. Aber jetzt gehe es eher darum, die Bevölkerung zu überzeugen, anstatt einen Sündenbock zu suchen. Die Bevölkerung erwarte sich Maßnahmen, die mit den Abgeordneten abgesprochen seien und die zu einem baldmöglichen Ausstieg aus dieser Situation führe.
Es gehe nicht darum, Schuldige zu suchen, sondern um den Landtag in die Entscheidungen einzubinden, betonte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Die Bevölkerung halte die letzten Entscheidungen nicht für sinnvoll und den Landtag für nutzlos. Bestimmte Entscheidungen bräuchten demokratischen Rückhalt. Das wöchentliche Treffen mit den Fraktionsvorsitzenden sei bereits gefordert worden, habe aber nicht stattgefunden – daher der Antrag auf diese Sitzung. Am letzten Tag der letzten Landtagssitzung sei um 17.20 Uhr gesagt worden, dass es nichts Neues gebe, und zwei Stunden später sei der Lockdown beschlossen worden. Die Politik sei in dieser Coronazeit chaotisch gewesen, auch in der Kommunikation. Problematisch sei auch, dass man die Proben nach Rom sende und lange auf Antwort warten müsse, anstatt sie zu einem der Tiroler Labors zu schicken. In der Zwischenzeit hätten sich die Virusvarianten verbreitet. Diese Unsicherheit, das ständige Stop and Go, führten viele Betriebe in den Ruin. Man müsse sich fragen, warum unser Land schlechtere Zahlen habe als die Nachbarn. Jeder verlorene Tag vergrößere den Schaden. Bestimmte Maßnahmen hätten einfach keinen Sinn, z.B. das Verbot der grenzüberschreitenden Besuche zwischen Verwandten und Partnern, während man in der Nachbargemeinde Spielzeug kaufen könne. Die Abgeordneten könnten sich nicht darauf beschränken, der Landesregierung zuzuschauen, sie hätten Verantwortung für dieses Land.
Paul Köllensperger (Team K) sah den Schaden für das Land angesichts der Zahlen enorm. Die Landesregierung treffe Entscheidungen, die noch am selben Tag von einzelnen Landesräten angezweifelt würden, und verspiele so das Vertrauen der Bevölkerung. Das Trentino schicke keine positiven asymptomatischen Testergebnisse nach Rom, das mache nur Südtirol. Die Einbindung des Landtags sei keine übertriebene Forderung, die Abgeordneten hätten bereits gezeigt, dass sie verantwortungsvoll vorgehen würden. Wenn man im Sommer die Hausaufgaben gemacht hätte, z.B. bei den Intensivbetten, dann stünde man heute nicht vor dieser organisatorischen Katastrophe. Der Landeshauptmann müsse nun überlegen, wie man aus dieser international beschämenden Situation herauskomme. In anderen Ländern wäre ein Rücktritt fällig gewesen.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) sprach von einigen Maßnahmen, die jetzt dringend seien – zum einen im Gesundheitswesen, zum anderen die Abfederung der Schäden für Betriebe und Familien. Es gebe die Schuldigen, es seien jene, die sich für den Südtiroler Sonderweg entschieden hätten, der den Karren an die Wand gefahren habe. Außer ihm hätten alle zugestimmt. Er habe auch davor gewarnt, sich als gelbe Zone auszugeben, als die Zahlen nicht stimmten. Die Mehrheit habe auch nein gesagt zu seinen Vorschlägen zur Unterstützung der Betriebe, zu einer Impfkampagne, zum Verzicht auf unnütze Ausgaben. Urzì forderte ein Zeichen der Verantwortung von Seiten der Mehrheit und den Rücktritt von LH Kompatscher.
Nach einer Unterbrechung auf Antrag von Gerhard Lanz und einer Beratung unter den Fraktionsvorsitzenden wurde ein Änderungsantrag vorgelegt, der von Sven Knoll, Brigitte Foppa, Paul Köllensperger, Gert Lanz, Andreas Leiter Reber, Diego Nicolini, Sandro Repetto, Josef Unterholzner und Alessandro Urzì unterzeichnet wurde: Der Südtiroler Landtag beschließt, dass im Sinne eines verbesserten Informationsaustauschs und der konstruktiven Zusammenarbeit zwischen den Institutionen im Hinblick auf die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie folgende Vorgangsweise festgelegt wird: 1. Für die Dauer der Corona-Krise findet einmal pro Woche ein institutionelles Treffen, auch per Videokonferenz, zwischen Landeshauptmann und dem Kollegium der Fraktionsvorsitzenden statt, um Informationen auszutauschen und die jeweilige Corona-Lage und die damit verbundenen Maßnahmen gemeinsam zu erörtern. Dem Kollegium werden dafür alle notwendigen Daten zur Verfügung gestellt. 2. Vor kurzfristig anstehenden, einschneidenden Entscheidungen informiert der Landeshauptmann den Landtagspräsidenten und die Fraktionsvorsitzenden umgehend über die geplanten Maßnahmen, um sich mit diesen über die Entscheidungsgrundlagen auszutauschen und allfällige Stellungnahmen und Hinweise seitens der Fraktionsvorsitzenden entgegenzunehmen. 3. Zu Beginn jeder Landtags-Session informiert die Landesregierung die Abgeordneten über die Entwicklung der Covid-Pandemie sowie über die getroffenen und geplanten Maßnahmen.
Etwas später wurde ein zweiter Änderungsantrag vorgelegt, desselben Inhalts, aber ohne die Unterschrift von Gert Lanz.
Nach einer weiteren Unterbrechung auf Antrag der Opposition kündigte Sven Knoll eine weitere Änderung an, die der Mehrheit zur Beratung vorgelegt werde.
Der Sonderweg habe sich als Irrweg erwiesen, erklärte Maria Elisabeth Rieder (Team K). Als Volksvertreterin fordere sie mehr und transparente Information. Die Kommunikation sei eine Katastrophe gewesen, man habe immer wieder gesagt, alles sei im Griff, und damit falsche Erwartungen bei der Bevölkerung geweckt. Die Abgeordneten und die Bevölkerung würden die wissenschaftlichen Grundlagen der Entscheidungen nicht kennen. Sanitätspersonal und Hausärzte würden etwas anderes sagen als die Landesregierung. LR Widmann versuche die Situation schönzureden, aber die Menschen hörten nicht mehr zu.
Zum ersten Mal habe sie heute einen Landtag gesehen, der von der Polizei geschützt werden musste, erklärte Brigitte Foppa (Grüne), das zeuge vom hohen Druck in der Bevölkerung. Diese habe vor einem Jahr noch bereitwillig mitgearbeitet, aber das sei nicht mehr so, zu viele Versprechungen seien ins Leere gegangen. Die Verordnungen der letzten Monate seien nicht nachvollziehbar gewesen. Man sollte dem Ratschlag der Experten folgen. Auf internationaler Ebene seien Maßnahmen aufgezeigt worden, mit diesen könne man eine klare Linie einhalten. Eine klarere Information würde die Einhaltung der Regelungen erleichtern.
Josef Unterholzner (Enzian) las am großen Polizeiaufgebot ab, dass vieles in der Krisenbewältigung schiefgegangen sei. Er habe an der Kundgebung teilgenommen, denn es sei ein Hilferuf von verzweifelten Mitbürgern. Die Volksvertreter hätten recht, wenn sie Entscheidungen auf wissenschaftlicher Grundlage forderten. Viele Eltern würden die Vorschriften für ihre Kinder, etwa zum Faschingsverbot an den Schulen, nicht verstehen. Den Landtag einzubinden würde es erlauben, der Bevölkerung die Vorschriften besser verständlich zu machen, die Vor- und Nachteile abzuwägen und Schnellschüsse zu vermeiden.
Die Sitzung wird um 14.30 Uhr wieder aufgenommen.