Von: mk
Bozen – Im Landtag sind heute Anträge vom Team K, der PD und M5S behandelt worden.
Beschlussantrag Nr. 481/21: Energy-Contracting: Effizienten und sparsamen Umgang mit Energie und Rohstoffen fördern (eingebracht von den Abg. Köllensperger, Ploner A., Ploner F. und Rieder am 07.09.2021). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. In Zusammenarbeit mit dem Gemeindeverband Energy-Contracting als Modell für Südtiroler Gemeinden zu fördern, indem rechtliche Unklarheiten ausgeräumt werden und das Vergabeverfahren in solchen Fällen geklärt wird, um die vorhandenen wirtschaftlichen Energieeinsparpotenziale effizient erschließen und nutzen zu können. 2. Die Immobilien in Landeseigentum und in Landesverwaltung auf ihre Energieeffizienz zu prüfen und im Falle von ineffizienten und veralteten Heizanlagen eine Sanierung mittels Energy-Contracting in Erwägung zu ziehen. 3. Den Gemeinderat sowie die einzelnen Stadtwerke auf die Möglichkeiten und die Förderung von Energy-Contracting hinzuweisen und Synergien zu fördern.
“Substanzielle Energieeinsparungen könnten durch Umbau, Sanierung oder Neuerrichtung von effizienteren Wärmeanlagen erzielt werden. Über ein sogenanntes Energy-Contracting-Modell, in Italien auch als “servizio energia” bekannt, ist es möglich, diese Investitionen zu minimalen Kosten für den Verbraucher zu finanzieren”, erklärte Paul Köllensperger (Team K). “Das jeweilige Unternehmen konzipiert und errichtet die Wärmeanlage und verlangt dafür einen bestimmten Energiepreis, der über einen vereinbarten Zeitraum vom Verbraucher an das Energy-Contracting-Unternehmen entrichtet werden muss. Nach Ablauf dieses Zeitraums verfügt der Verbraucher über eine hocheffiziente Energieanlage und kann dementsprechend von den Energieeinsparungen profitieren.” Die größten Energiefresser seien die Wohnungen, aber das Land könnte auch bei seinen Immobilien anfangen. Die Initiative sehe sich durchaus auch als Wirtschaftsförderung, weil davon auch kleine heimische Betriebe profitieren könnten.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) sprach sich für den Vorschlag aus. Über dieses Modell sei auch im Rahmen der Fusion Etschwerke-SEL gesprochen worden. Der günstigste Strom sei jener, der nicht verbraucht werde, umso mehr sei Energieeinsparung zu fördern. Alperia biete ähnliche Lösungen, die aber noch zu kompliziert seien. Helmuth Renzler (SVP) wies auf die derzeitigen Steuererleichterungen und Förderungen für Energieeinsparungen hin und fragte, was dieser Antrag noch für konkrete Vorteile bringen solle. Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) kündigte Zustimmung an. Einige Gemeinden hätten bereits solche Verträge abgeschlossen. Er fragte, was sich in der Rechtslage geändert habe.
Energieeinsparung sei der Königsweg zum Klimaschutz, erklärte LR Giuliano Vettorato und verwies auf die bisherigen Initiativen des Landes, etwa mit Wärmepumpen und Fernwärme, an die auch 24 Landesimmobilien in Bozen angeschlossen würden. Man habe einen Energy Manager eingesetzt, mit dem Ziel, bis 2030 rund 100 Landesimmobilien anzuschließen. Für das Contracting seien die Richtlinien des ENEA aber wenig klar. Der Antrag sei unabhängig von Ökobonus und anderen Förderungen, betonte Paul Köllensperger. Der Ökobonus 110% sei schwierig zu erhalten, aber auf jeden Fall nicht im Widerspruch zum Contracting. Die Richtlinien seien noch wenig klar, vor allem für die Gemeinden. Der Antrag fordere eben auch diese Klärung. Das Contracting passe auch gut zur Fernwärme. Der Antrag wurde mit 16 Ja und 15 Nein angenommen.
Beschlussantrag Nr. 530/22: Einrichtung eines ständigen Ausschusses für die städtischen Gebiete (eingebracht vom Abg. Repetto am 19.01.2022). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, a) den Bau oder die Bereitstellung neuer Studentenwohnungen mit einer angemessenen Vorlaufzeit zu planen, wobei deren tatsächliche Bedarf durch die Einbeziehung der Freien Universität Bozen und der Stadtgemeinde Bozen zu überprüfen ist; b) die ständige Kommission einzusetzen, so wie es in der von der derzeitigen Mehrheit unterzeichneten Regierungsvereinbarung vorgesehen ist, und diese aufzufordern, tätig zu werden. c) der Einrichtung einer Fakultät für Ingenieurwissenschaften der Freien Universität Bozen auf dem Gelände des NOI Techpark erst dann stattzugeben, wenn eine ausreichende Anzahl an Betten für die zukünftigen Studierenden zur Verfügung gestellt wird.
“Die Schaffung einer neuen Fakultät für Ingenieurwissenschaften auf dem Gelände des NOI Techpark wirft erneut das seit geraumer Zeit bestehende Problem des Mangels an Wohnungen für Universitätsstudierende in Bozen auf”, erklärte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten). Wohnraum für 800 Studenten sei zu finden. Die Universität Bozen sei über die Jahre gewachsen, das habe Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt in Bozen, aber auch in Brixen und überall, wo Fakultäten stünden. Der Koalitionsvertrag sehe eine ständige Kommission für städtische Gebiete vor, um entsprechende Vorschläge und Initiativen, insbesondere in den Bereichen Sicherheit, Mobilität, Investitionen, Innovation, Universität und Forschung, zu erörtern und Lösungsvorschläge auszuarbeiten. Repetto wies darauf hin, dass Bozen auch die Funktion einer Bezirksgemeinschaft ausübe.
Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) freute sich, von einem Vertreter des PD zu hören, dass dessen Wohnbauprogramm für den Mittelstand gescheitert sei. Die Lebenshaltungs- und Immobilienkosten in Südtirol seien dafür zu hoch, die Folge einer Politik, die die Städte vernachlässigt habe. Riccardo Dello Sbarba (Grüne) bezeichnete den Antrag als unklar. Zum einen gehe es um die Studentenwohnungen, zum anderen um jene Kommission. Das Studentenheimprogramm sei bisher eine verkappte Förderung für religiöse Einrichtungen gewesen, eine teure Lösung. Bevor man eine Fakultät gründe, müsse man für ausreichend Wohnraum sorgen.
Die Urbanität sei ein Thema, das in Südtirol noch wenig entwickelt sei, meinte Brigitte Foppa (Grüne), das habe historische Ursachen, z.B. auch den Faschismus. Anderswo sei die Stadt ein Motor der Modernisierung, hier nicht. Das Landleben habe seine Vorteile, aber es bremse auch bei der Mentalität. Paul Köllensperger (Team K) sah das Hauptproblem in den Immobilienpreisen und die Schaffung von Wohnraum als Voraussetzung für einen neue Fakultät. Gegen die Kommission könne die Mehrheit schwerlich stimmen, denn dieses stehe in ihrem Koalitionsvertrag.
Bei einem Treffen mit der Hochschülerschaft sei die Frage aufgeworfen worden, wie viele Heimplätze die öffentliche Hand stellen müsse, berichtete LR Philipp Achammer. Man habe sich in den letzten Jahren dazu entschieden, nicht mehr auf Heime zu setzen, da ihre Bauzeiten sehr lange seien. Besser wäre es, wenn Private bestehenden Wohnraum anbieten würden; dann könne das Land für die Umwidmung sorgen. Man werde bald eine Gesetzesänderung einbringen, die die dauerhafte Umwidmung zu Studentenwohnungen ermögliche. Damit sei aber noch nicht die Preisfrage gelöst. Es wäre aber nicht sinnvoll, die Errichtung der Fakultät für Ingenieurwissenschaften an die Wohnraumbedingung zu knüpfen. Die Kommission allein bringe noch nichts, man sei ständig mit den einzelnen Stadtverwaltungen im Austausch.
Sandro Repetto bedauerte, dass sein Hinweis auf die bestehende Problematik für die städtischen Gebiete nicht aufgegriffen wurde und dass die Einrichtung der Planungskommission wie einst bei Durnwalder an den Landespräsidenten delegiert wurde, weil dieser eine über eine einzelne Gemeinde hinausgehende Planung ausschloss. Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) forderte eine getrennte Abstimmung zu Punkt a), da das Problem auch andere Städte betreffe. LR Giuliano Vettorato stellte klar, dass es die Kommission gebe und er sich schon öfter mit ihr getroffen habe. Es gebe vielleicht keine ständige Kommission, wohl aber regelmäßige Treffen, präzisierte LR Achammer. Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 531/22: Jugendliche NEETs: ein neues, Besorgnis erregendes gesellschaftliches Phänomen (eingebracht vom Abg. Nicolini am 19.01.2022). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. die Öffentlichkeit und insbesondere junge Menschen durch Veranstaltungen an Schulen bzw. in den verschiedenen Jugendtreffpunkten für die NEET-Problematik zu sensibilisieren; 2. die NEETs auch mit Hilfe ihrer Familien, von Sozialarbeitern, Erziehern und Schulpsychologen zu unterstützen und ihnen zu helfen, um sie dazu zu motivieren, ihren Bildungsweg fortzusetzen und aus der sozialen Ausgrenzung herauszufinden; 3. im Rahmen des Europäischen Sozialfonds (ESF) ein alternatives Angebot an berufsbildenden Kursen zu schaffen.
Südtirol sei kein Land für Jugendliche, es sei aber auch wegen Covid-19 nicht die Zeit für Jugendliche, meinte Diego Nicolini (M5S). “Diese Situation der Ungewissheit und der Instabilität führt zu einer neuen Form gesellschaftlichen Unbehagens, die als NEET-Phänomen („Not in Education, Employment or Training“) bekannt ist. Das Akronym bezeichnet jene Jugendlichen, die keine Schule oder Universität besuchen, keiner Arbeit nachgehen und sich nicht in beruflicher Ausbildung befinden. Leider bleibt auch Südtirol von diesem Phänomen nicht verschont: In der Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen liegt die Erwerbstätigenquote bei 50 Prozent, während der Anteil der NEETs im Durchschnitt 11,1 Prozent beträgt – das sind etwa 7.600 junge Menschen, die weder einer Arbeit noch einem Studium nachgehen. Aus diesem Grund müssen die Politik und die Institutionen zeitnah auf das Bildungssystem, den Sozialstaat und den Arbeitsmarkt einwirken, um das Phänomen des Schulabbruchs, das sich während der Pandemie noch weiter verschärft hat, einzudämmen. Zum Thema Schulabbruch kommen von den italienischen und deutschen Berufsschulen Südtirols keine beruhigenden Nachrichten: Viele Schülerinnen und Schüler haben während der Pandemie ihre Berufsausbildung abgebrochen.”
Der Antrag ziele aufs Symptom, nicht auf die Ursache, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Durch die Pandemie seien die Jugendlichen ausgegrenzt worden, zum Teil mit Polizeimethoden. Diese Einschränkungen gingen an der Psyche eines jungen Menschen nicht spurlos vorbei. Schule, Sport, Vereine – junge Menschen bräuchten den Kontakt mit Gleichaltrigen. Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) erinnerte an einen ähnlichen Antrag von ihm, der aber vertagt wurde, weil die Landesregierung noch Daten nachliefern wollte. Das NEET-Phänomen müsse dauerhaft beobachtet werden, ebenso müsse man etwas gegen Schulabbrüche tun.
Alex Ploner (Team K) meinte, dass die Angebote für Jugendliche fehlten. Viele zögen sich zurück in ihr Zimmer und ins digitale Leben. Dieses Problem gebe es nicht erst seit der Pandemie. Der Antrag fordere Schulpsychologen, die es in der deutschen Schule nicht gebe. Ploner kündigte schließlich Zustimmung an.
Magdalena Amhof (SVP) verwies auf die Unterstützungsangebote in der Schule. Laut neuerer Studie sei das Problem aber weit verbreitet. Vor ihrer Wahl in den Landtag habe sie bei solchen Projekten der Berufsbildung mitgearbeitet, wie sie der Antrag fordere. Der IV. Gesetzgebungsausschuss bespreche am Freitag eine Initiative zur psychischen Gesundheit bei Jugendlichen.
Ulli Mair (Freiheitliche) stimmte Nicolini bei der Bestandsaufnahme zu den NEET zu. Die neueren Daten zum Schulabbruch seien aber nicht so besorgniserregend, am ehesten noch in der italienischen Schule und bei Schülern mit Migrationshintergrund. Wenn diese Schüler in Südtirol eine Zukunft haben sollen, müsse man die Eltern einbinden.
Südtirol habe ein immenses Angebot an Ausbildung und Arbeit für Jugendliche, meinte Gerhard Lanz (SVP). Manche würden sich fürs Nichtstun entscheiden. Für diese noch mehr Angebote schaffen, würde Mittel aus anderen Zielen entziehen. Er sei dafür, diesen Jugendlichen entgegenzukommen. Dazu müsse man überlegen, warum das bestehende Angebot sie nicht anspreche. Das alternative Angebot an Berufsbildung sei durch eine Unzahl von Kursen vorhanden.
Das Phänomen sei nicht zu leugnen, meinte Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia). Manche Jugendliche würden sich zurückziehen, andere würden ihren Frust in Gewalt münden lassen. Die soziale Einbindung, vor allem die Familie seien hier hilfreich. Bei gewissen Verhaltensweisen sei Toleranz aber fehl am Platz.
Wichtig wäre zuerst ein realistischer Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse, erklärte LR Philipp Achammer. Gewisse Studien sprächen von 25 Prozent Schulabbrechern, und das sei weit von der Realität entfernt. Deswegen habe man eine neue Studie in Auftrag gegeben, die bis August vorliegen müsste. In Südtirol gebe es sehr viele Angebote für Jugendliche, Nachholbedarf gebe es bei der Schulsozialarbeit. Man sei dabei, die Ressourcen für den Herbst zu programmieren. Viele Probleme habe es schon vorher gegeben, sie seien erst durch Covid an die Oberfläche geschwemmt worden. NEET und Schulabbruch sei vor allem bei Migrantenkindern ein großes Thema.
Diego Nicolini zeigte sich mit der Antwort des Landesrats nicht zufrieden. Man tue bereits genug, sei keine Antwort angesichts der dramatisch steigenden Zahlen. Es sei für die ganze Gesellschaft problematisch, wenn sich ein Teil von ihr verabschiede. Bei den Baby Gangs seien nicht nur Randgruppen dabei, sondern auch Kinder aus gutem Hause. Der Antrag wurde mit 17 Nein, elf Ja und vier Enthaltungen abgelehnt.