Von: mk
Bozen – Sobald die Baukommission der Gemeinde Bozen grünes Licht gibt, wird am Duce-Relief am „Gebäude der Finanzämter“ das Zitat der Philosophin Hannah Arendt “Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen” montiert. Damit wird das fragwürdige Relief aus einem dunklen Kapitel in Südtirols Vergangenheit entschärft.
Die Buchstaben sollen bei Tag weiß und in der Nacht rot leuchten.
„Das Finanzministerium als Hausbesitzer hat uns für die ,Bauarbeiten‘ grünes Licht gegeben“, erklärt Landeshauptmann Arno Kompatscher gegenüber dem Tagblatt „Dolomiten“. Er ist sichtlich zufrieden, dass es nach langen Jahren des Verhandelns endlich soweit ist, dass der menschenverachtende Mussolini-Fries eine gebührende Antwort bekommt.
„Viel besser als dieses Relief in einem Keller verschwinden zu lassen ist, den Menschen Tag und Nacht vor Augen zu führen: ,Seht her, die Demokratie hat über die Diktatur gesiegt‘. Schluss mit ,Credere, obbedire, combattere‘“, sagt Arno Kompatscher.
Bereits Ende 2014 hatten die Ministerien in Rom grünes Licht zur Entschärfung des Reliefs am Finanzgebäude am Gerichtsplatz gegeben. Warum hat es dann so lange gedauert? „Trotz Genehmigung hat man uns alle möglichen Hindernisse in den Weg gelegt. So ließ man uns anfangs nicht das Finanzgebäude betreten, um die Vermessungsarbeiten vorzunehmen. Manches Mal waren die Widerstände in Südtirol größer als in Rom“, erklärt Kompatscher laut „Dolomiten“. Außerdem seien Urheberrechte zu klären gewesen.
Kompatscher hofft nun, dass die Gemeinde Bozen die Baugenehmigung rasch erlässt. Die Umsetzung der Leuchtschrift sei dann nur eine Frage weniger Wochen. „Eine große Genugtuung nach langen Jahren des Ringens. Wer weiß, vielleicht setzt diese Leuchtschrift auch eine verspätete Geschichtsaufarbeitung in Italien in Gang“, erklärt Kompatscher laut „Dolomiten“.
Auf dem Gerichtsplatz selbst soll das Zitat von Hannah Arendt im Kontext erläutert werden. SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann versuchte 1961 im Prozess, die Schuld von sich zu weisen, weil er „nur gehorcht habe“. Hannah Arendt hat ihm das Recht auf Gehorsam abgesprochen.
Zusätzlich sollen Erläuterungen zum Relief geliefert werden. Ein schockierendes Detail: Die letzten Travertin-Tafeln des Hans-Piffrader-Reliefs waren erst 1957 – also über ein Jahrzehnt nach dem Fall des Faschismus – montiert worden. Die Abbildung verherrlicht die 20-jährige faschistische Herrschaft seit dem Marsch auf Rom und zeigt Mussolini hoch zu Ross mit faschistischem Gruß.
Heimatbund findet geplante Historisierung „mehr als fragwürdig“
„Mit Schwermut“ erinnert sich der Südtiroler Heimatbund an die plakative, fast schon marktschreierisch wirkende Aussage: „Wir holen den Duce vom Ross“. „Doch was ist geblieben, wenn man das Relief des faschistischen Diktators beim Bozner Finanzgebäude nach wie vor bestaunen kann?“, fragt sich Obmann Roland Lang in einer Aussendung.
„Geblieben ist wohl alles beim Alten. Zudem wird das Ganze von einem aus dem Kontext gerissenen Zitat von Hannah Arendt unverständlicherweise flankiert. Selbst wenn Landeshauptmann Kompatscher grinsend erzählt, dass das Finanzministerium grünes Licht für die Bauarbeiten gegeben hat, bleiben wohl einige Fragen offen“, meint Lang.
Außerdem verkaufe Kompatscher dieses mickrige Zugeständnis an alle Antifaschisten und Demokraten nach Jahrzehnten der SVP- Untätigkeit voreilig, denn zurzeit fehle noch die Unterschrift der staatlichen Immobilienagentur.
„Da wäre etwa primär die Frage nach dem Garanten der jetzigen sogenannten Entschärfung, wenn das Relief bleibt? Aber auch die Frage, wer für die Wartung zuständig ist, ist mehr als ergebnisoffen. Man kann wohl nur Hypothesen anstellen. Machen wir braven Südtiroler uns auf alles gefasst: Auf diese Weise könnte das Relief sogar gleichzeitig mit der Anbringung der Schrift renoviert werden“, so Lang.
Mit Historisierung habe das nichts bis wenig zu tun. „Der Ideenwettbewerb des Landes früherer Tage entpuppte sich auch zur Farce. Kurzum kann man diesen Kniefall gegenüber Rom nicht verstehen“, so der Heimatbund.
„Überall sind faschistisch angehauchte Tempel und Denkmäler abgerissen worden, nur bei uns nicht. Da kann man ja gleich beantragen, dass sie zum UNESCO-Welt(un)kulturerbe gezählt werden“, schließt Lang.