Von: mk
Bozen – Nach seinem Parteiaustritt rechnen die Vertreter der JWA öffentlich mit Andreas Colli ab und fordern sein Landtagsmandat.
Colli erklärte am Mittwoch, die gemeinsame Fraktion zu verlassen und künftig als “freier” Abgeordneter tätig zu sein. Die bei der Südtiroler Landtagswahl im vergangenen Jahr neu in das Landesparlament eingezogene Liste “JWA” des als Corona-Maßnahmenkritikers bekannt gewordenen Jürgen Wirth Anderlan sieht sich damit mit einem personellen Aderlass konfrontiert. Von “JWA” bleibt im Landtag nur mehr Anderlan übrig. In einem offenen Brief fordern die Vertreter der Liste, die den Sprung ins Landesparlament nicht geschafft haben, dass Colli sein Mandat niederlegt, damit der Nächstgereihte in den Landtag nachrücken kann.
Als Grund für den nunmehrigen Schritt gab Colli, früherer Bürgermeister von Kastelruth, in einem Brief unterschiedliche Ansichten darüber an, wie Landtagsarbeit funktionieren soll. Die bisherige Landtagsarbeit der Liste “JWA” empfinde er als weder befriedigend noch zielführend “und teilweise sogar als kontraproduktiv”, schrieb der 59-Jährige laut Südtiroler Medienberichten. Er sei mit dem Ziel zur Wahl angetreten, “als Abgeordneter einen Beitrag zu leisten und somit Dinge, die in unserem Land besser laufen könnten und müssten, zu verändern und hierfür konstruktive Vorschläge einzubringen”. Politische Kommunikation sei geprägt durch Wettbewerb, und die Konfrontation der Meinungen, “weshalb in sachlich, konstruktiven Auseinandersetzungen mit anderen im Landtag vertretenen Parteien Wut und Ego in Diskussionen vermieden werden sollten, da eine Verhärtung der Fronten zu keinem Ergebnis führt”, übte Colli deutliche indirekte Kritik an Wirth Anderlan.
Der Neo-Landtagsabgeordnete Jürgen Wirth Anderlan reagierte nach außen hin gelassen auf den Austritt von Andreas Colli aus der JWA-Fraktion, gleichzeitig beschrieb er den Schritt als „schwer nachvollziehbar“.
Die Listenvertreter halten Colli nun vor, dass er sein Mandat Wirth Anderlan zu verdanken habe. Deshalb solle er zurücktreten. Wörtlich hießt es in dem offenen Brief:
„Auch wenn wir über Jürgen wussten, dass du bereits seit einiger Zeit auf Abstand gehst, weder Gesprächsangebote, noch Telefonate von ihm entgegennimmst, so waren wir über diese Entscheidung dennoch sehr verwundert.
Die Liste JWA war es, die dir überhaupt den Antritt zu den Landtagswahlen ermöglicht hat, nachdem du weder bei Enzian, noch bei Vita einen Platz gefunden hast.
An den Antritt waren Versprechen, aber auch Freiheiten geknüpft. Die zentrale Freiheit: Jeder Kandidat spricht für sich selbst. Die Liste JWA steht für Eigenverantwortung und Meinungsvielfalt. Das hat Jürgen immer wieder betont. Dementsprechend finden wir es eigenartig, dass du jetzt von ‚politischen Differenzen‘ sprichst und davon, dass ‚Entscheidungen getroffen werden, die weder abgesprochen sind noch mitgetragen werden können‘. Welche Entscheidungen meinst du? Und wo standen unterschiedliche Meinungen im Widerspruch zur Leitlinie der Eigenverantwortung und Meinungsvielfalt? Und wieso hast du dies nicht intern offen angesprochen – etwa bei den Aussprachen, die dir mehrfach angeboten wurden?“
Die über 14.000 Stimmen, die Wirth Anderlan bei den Wahlen erhalten habe, hätten ihm alleine zwei Sitze ermöglicht. Colli habe davon profitiert.
„Als Kandidaten und Mitglieder der Liste JWA finden wir es inkonsequent und unseren Wählern gegenüber ungerecht, dass du das Mandat auch nach deinem Austritt aus der Liste JWA und trotz des nicht eingehaltenen Wahlversprechens behalten willst.
Deshalb fordern wir dich auf, wie du es selbst in deiner Pressemitteilung schreibst, ‚zur Seite zu treten‘ und dein Mandat der Liste zu überlassen, der du das Mandat verdankst.“
Wirth Anderlan war vor den Landtagswahlen vor allem durch Proteste gegen die Corona-Maßnahmen aufgefallen. Für Negativ-Schlagzeilen sorgte er zuletzt durch Auftritte bei FPÖ-Veranstaltungen in Österreich und vor allem durch Kontakte zu Martin Sellner. Dieser gilt als Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich.
“JWA” war bei ihrem erstmaligen Antreten bei der Wahl im Oktober 2023 auf 5,9 Prozent bzw. zwei Mandate gekommen. Anderlan, früherer Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, fiel in der Vergangenheit mehrmals durch umstrittene Aussagen und äußerst scharfes Agieren gegen den politischen Gegner auf.
Mit Collis Trennung von Wirth Anderlan steigt die Anzahl der Ein-Personen-Fraktionen im Südtiroler Landtag auf neun.
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