Einmannwahlkreise reduziert

M5S und Biancofiore kippen Südtirol-Passus im Wahlgesetz

Donnerstag, 08. Juni 2017 | 16:50 Uhr
Update

Von: mk

Rom – In der Abgeordnetenkammer ist der Pakt geplatzt, mit dem die Großparteien PD, M5, Forza Italia und Lega Nord das neue Wahlgesetz durchdrücken wollten. Die SVP-Vertreter in Rom sind verärgert. In geheimer Abstimmung hat die Kammer heute das Südtiroler Wahlmodell zum Kippen gebracht. „Auf Antrag der Parlamentarier Michaela Biancofiore von ‘Forza Italia/PDL‘ und Riccardo Fraccaro von der Fünf-Sterne-Bewegung, tatkräftig unterstützt von Florian Kronbichler von der neuen Splitterpartei ‚Articolo 1‘ wurde das staatliche Wahlsystem auf Südtirol ausgedehnt. Das zum Schutz der sprachlichen Minderheiten ausgeklügelte System sicherte eine angemessene Vertretung im Parlament. Dass dabei die Südtiroler Volkspartei die deutschsprachigen Parlamentarier stellte, ist den politischen Kontrahenten schon lange ein Dorn im Auge“, erklärt die SVP in einer Aussendung.

Die Lösung schien offenbar einfach. „Nachdem sie es sich nicht zutrauen, in Südtirol Mehrheiten zu schaffen, fanden sie in der Abgeordnetenkammer dank der Heckenschützen eine Mehrheit von Neidern und Missgünstigen, die Südtirol nun über den nationalen Kamm schert. Damit reduziert sich die Anzahl der Einmannwahlkreise in Südtirol von vier auf drei, in der Region werden nun fünf Abgeordnete über das Verhältniswahlrecht gewählt“, erklärt die SVP.

Das Manöver könnte auch ein Schuss nach hinten werden: Denn der normalerweise einem italienischsprachigen Parlamentarier vorbehaltene Wahlkreis Bozen/Leifers sei ebenfalls von der Wahllandkarte verschwunden, so die SVP.

„Der Südtiroler Bevölkerung insgesamt wurde damit jedenfalls kein guter Dienst erwiesen. Das letzte Wort ist noch nicht gefallen. Nach dem Bruch zwischen Partito Democratico und der Fünf-Sterne-Bewegung ist derzeit ungewiss, ob das Wahlgesetz überhaupt noch weiter behandelt wird“, so die SVP-Abgeordneten Alfreider, Schullian, Plangger und Gebhard.

In der Zwischenzeit hat der PD wissen lassen, dass er die Rückverweisung des Gesetzentwurfes in die Gesetzgebungskommission beantragen wird, berichtet die Nachrichtenagentur Ansa. Biancofiore erklärte nach der Abstimmung, die sei der Kampf ihres Lebens gewesen.

Kronbichler, der den Antrag von Biancofiore mitgetragen hat, verteidigt sich. Er habe in der Kammer im Namen seiner Gruppe präzisiert, dass er selbstverständlich für eine Sonderregelung des Sonderfalles Südtirol sei, dass aber die Sonderregelung nicht zur ausschließlichen Begünstigung der einen Partei SVP missbraucht werden dürfe. Den ersten Südtirol-Artikel bezeichnet Kronbichler als „kleines SVP-Wahlsieggesetz“.

BürgerUnion: „Hat SVP geschlafen oder Situation falsch eingeschätzt?“

Als zutiefst Südtirol-feindlichen Beschluss der Abgeordnetenkammer bezeichnet der Landtagsabgeordnete Andreas Pöder (BürgerUnion) die Streichung einer Südtirol-Sonderregelung  aus dem Parlamentswahlgesetzentwurf.

“Die Südtirol-Sonderregelung war zwar auf die SVP maßgeschneidert und deshalb auch unter der Südtiroler Opposition umstritten, hatte aber als prinzipiellen Inhalt den Minderheitenschutz. Durch die Streichung käme es zur Situation, dass eine Südtiroler Minderheitenvertretung nicht mehr garantiert wäre und Südtiroler im Prinzip nur mehr über eine gesamtstaatliche Partei ins Parlament gewählt werden können, weil ein gesamtstaatliches Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde nötig wäre”, erklärt Pöder.

“Die Abstimmung zum Biancofiore-Antrag hatte zwar auch taktische Gründe, zumal damit der Vier-Parteien-Deal zum Renzi-Wahlgesetzentwurf und für vorgezogene Neuwahlen faktisch zu Fall gebracht wurde, zeigt aber auch, dass die SVP geschlafen oder die Situation falsch eingeschätzt hat”, so Pöder.

STF: “Chaos um Wahlgesetz”

Auch die Süd-Tiroler Freiheit reagiert auf die Nachricht, dass im italienischen Parlament soeben die Sonderregelung für Südtirol bei Parlamentswahlen gestrichen wurde. De facto würde dies bedeuten, dass Südtirol zukünftig keine eigenen Vertreter mehr ins italienische Parlament schicken kann, da die staatliche Prozenthürde in Südtirol nicht erreicht werden kann.

„Die SVP hatte versucht, ein Wahlgesetz durchzuboxen, welches für die Region eine 40-Prozent-Hürde festgeschrieben hätte, um so sicherzustellen, dass nur SVP-Kandidaten gewählt werden können. Diese Manipulation des Wahlgesetzes zur Sicherung der eigenen Macht hat für große Empörung gesorgt und dazu geführt, dass im Parlament nun die gesamte Minderheitenregelung für Südtirol gestrichen wurde. Die SVP hat mit dieser Politik Südtirol einen unglaublich großen Schaden zugefügt“, erklärt die Bewegung.

Es gelte nun, den Scherbenhaufen, den die SVP hinterlassen habe, wieder zu beseitigen und ein neues Wahlgesetz für Südtirol einzufordern, welches eine angemessene Minderheitenvertretung garantiere, ohne dabei eine einzige Partei zu bevorzugen, betont die Süd-Tiroler Freiheit.

„Der SVP ist dieses Chaos hoffentlich eine Lehre, dass auf Italien kein Verlass ist“, meint der Landtagsabgeordnete Sven Knoll.

Bezirk: Bozen