„Prävention stärken, kriminelle Strukturen bekämpfen“

Mair ruft zum gemeinsamen Kampf gegen Drogen auf

Mittwoch, 26. Juni 2024 | 07:08 Uhr

Von: mk

Bozen – Anlässlich des Internationalen Tages gegen Drogenmissbrauch und illegalen Drogenhandel am 26. Juni appelliert die Landesrätin für Gewaltprävention und Sicherheit, Ulli Mair, an alle Verantwortlichen, die gemeinsamen Anstrengungen im Kampf gegen Drogenkriminalität zu intensivieren.

„Drogenmissbrauch und illegaler Drogenhandel stellen eine ernstzunehmende Bedrohung für unsere Gesellschaft dar. Sie gefährden nicht nur die Gesundheit und das Leben der Konsumenten selbst, sondern ziehen auch Kriminalität, Gewalt und soziale Probleme nach sich“, so Ulli Mair.

Mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen, insbesondere den Anstieg des Konsums synthetischer Drogen und den immer früheren Einstieg Jugendlicher, unterstreicht die Landesrätin die Notwendigkeit einer verstärkten Präventionsarbeit. „Wir müssen vor allem junge Menschen vor den Gefahren des Drogenkonsums schützen. Dafür ist eine umfassende Aufklärung und die Stärkung von Schutzfaktoren unerlässlich, die nur durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Eltern, Schulen, Gemeinden und Jugendeinrichtungen gelingen kann. In Absprache mit Landesrat Achammer prüfen wir derzeit eine zentrale Erhebung aller Vorfälle im Zusammenhang mit Drogenkonsum und -handel an unseren Schulen, um einen besseren Überblick über die Problemlage zu gewinnen und Präventionsmaßnahmen und Kontrollen gezielter setzen zu können“, so Mair.

Neben der Prävention sei es entscheidend, konsequent gegen Dealer vorzugehen. „Wer mit dem Leid anderer Menschen Profit macht und deren Gesundheit aufs Spiel setzt, muss mit aller Härte des Gesetzes verfolgt werden“, fordert die Landesrätin. „Insbesondere im Umgang mit ausländischen Dealern, die laut Statistik deutlich überrepräsentiert sind, kann die Antwort des Rechtsstaates nur eine Abschiebung sein“, so Mair.

„Der Kampf gegen Drogenmissbrauch und illegalen Drogenhandel ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Jeder Einzelne kann seinen Beitrag zur Sicherheit und Gesundheit seiner Mitmenschen leisten, indem er wachsam ist, auf sein engeres und weiteres Umfeld achtet und verdächtige Aktivitäten den Behörden meldet“, schließt Mair.

Forum Prävention: „Investitionen in Prävention sind nachweislich wirksam“

„Der Missbrauch von Drogen mit seinen Ursachen und Folgen stellt weltweit eine vielschichtige Herausforderung dar, die das Leben von Millionen Menschen beeinflusst. Sowohl für Einzelpersonen, die unter Substanzgebrauchsstörungen leiden, als auch Gemeinschaften, die mit den Folgen des Drogenhandels und der organisierten Kriminalität kämpfen, sind die Auswirkungen von illegalisierten Drogen weitreichend und komplex“, erklärt das Forum Prävention zum internationalen Tag gegen Drogenmissbrauch und illegalen Drogenhandel. Bei der Bewältigung dieser Herausforderung seien wissenschaftlich fundierte Ansätze in Prävention und Behandlung notwendig.

Der Internationale Tag gegen Drogenmissbrauch und illegalen Handel, auch Weltdrogentag genannt, wird seit 1987 jedes Jahr am 26. Juni begangen, um gemeinsame Maßnahmen voranzubringen. Die diesjährige Kampagne will aufzeigen, dass eine effektive Drogen- und Suchtpolitik auf der Basis von Wissenschaft und Forschung, der Achtung von Menschenrechten und einem tieferen Verständnis der sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Faktoren aufbauen müsse.

Das Forum Prävention ruft dazu auf, durch gemeinsames Handeln und mit fachlichen und wirksamen Maßnahmen zu einer Gesellschaft beizutragen, in der Menschen befähigt werden, ein gesundes und erfülltes Leben zu führen.

Sinnvolle und nachhaltige Sucht- und Drogenpolitik basiere auf wissenschaftlicher Erkenntnis. Sie fuße auf dem Verständnis über die Wirksamkeit und Kosteneffizienz von Prävention. Zusammenarbeit und Partizipation auf unterschiedlichen Ebenen – international, national und insbesondere lokal – müssten die Grundlage für die Gestaltung und Umsetzung effektiver Suchtpräventionsmaßnahmen sein. Dazu gehöre, dass alle Akteure fachlich kompetent sind und mit den nötigen Ressourcen ausgestattet werden.

„Junge Menschen zu stärken, muss nach wie vor ein primäres Ziel sein, um die Widerstandsfähigkeit – Resilienz – und Lebenskompetenzen zu fördern. Dafür müssen sachliches Wissen zur Verfügung gestellt, individuelle Fähigkeiten gefördert und persönliche wie soziale Ressourcen aktiviert werden“, so das Forum Prävention. Die Verantwortung für gute Beziehungen als Grundlage gesunder Entwicklung liegt bei den Erwachsenen und in der sozialen Gemeinschaft.

HANDS-Therapiezentrum in Rentsch – ein Zuhause der Heilung

Bei einer Sucht handelt es sich um eine chronische Erkrankung des Gehirns, die es zu therapieren gilt. Betroffene brauchen ärztliche und therapeutische Begleitung, aber auch die gegenseitige Unterstützung. Vor nunmehr vier Jahren (im Herbst 2020) hat der Verein HANDS in Bozen/Rentsch ein Therapiezentrum für Menschen eröffnet, die an Alkohol-, Medikamenten- oder Spielsucht leiden. Diese Einrichtung bietet kostenfreie und anonyme Beratung sowie Therapie und Rehabilitation. Frauen erhalten seit 2024 vermehrt Plätze in der Rehabilitationsphase. Bruno Marcato, Direktor von HANDS, betont die Notwendigkeit eines neuen Bewusstseins für Suchttherapie, die langwierig ist und Rückfälle einkalkulieren muss. Wille allein könne Sucht nicht besiegen, heißt es.

Überall auf der Erde konsumieren Menschen illegale Substanzen – Männer wie Frauen. Im Schnitt sind zwar mehr Männer betroffen, doch jede dritte Drogenkonsumentin weltweit ist weiblich. Anlässlich des internationalen Tags gegen Drogenmissbrauch und illegalen Drogenhandels stellt HANDS sein Therapiezentrum “Haus Rentsch” in Bozen/Rentsch in den Fokus, das der Verein seit Herbst 2021 betreibt. Hier erhalten Menschen mit Alkohol-, Medikamenten- oder Spielsucht kostenlose und anonyme Beratung, Therapie, Rehabilitation und Unterstützung bei der Wiedereingliederung in die Arbeitswelt.

Bruno Marcato, Direktor von HANDS, beschreibt das Therapiezentrum als ein „Zuhause der Hoffnung“, wo Betroffene – unterstützt von ihren Familien – den Mut finden, in sich selbst zu investieren. Er ist froh, dass die Provinz Bozen im Jahr 2024 die Anzahl der Plätze für Frauen in der Rehabilitationsphase erhöht hat. Das war früher nur Männern vorbehalten.

Fast täglich erreichen HANDS Anfragen von Suchtmedizinern und Fachleuten, die nach einem Therapieplatz für Patienten suchen. Da ist zum Beispiel ein junger Mann aus dem Eisacktal, der Alkohol und Kokain konsumiert, eine Frau aus dem Ultental, die das angstösende Medikament Tavor® mit Alkohol kombiniert, um schlafen zu können. Es gibt auch Anrufe für Personen, die im Krankenhaus gerettet wurden und nun Klarheit in ihrem Leben brauchen – nur einige Beispiele der rund 150 jährlichen Anfragen. Etwa 100 dieser Menschen kommen ins „Haus Rentsch“, wo sie durch einen intensiven Therapieprozess begleitet werden, der drei bis neun Monate dauern kann. Hier reflektieren die Menschen ihr durch Sucht geprägtes Leben und arbeiten daran, den Teufelskreis der Selbstzerstörung zu durchbrechen.

Bruno Marcato betont, dass Sucht weit mehr als eine schlechte Gewohnheit ist und mit derselben Ernsthaftigkeit wie chronische Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma oder Diabetes behandelt werden müssen. Dies gilt für stoffgebundene Süchte ebenso wie für zwanghafte Verhaltensweisen wie Glücksspielsucht oder Essstörungen. Eine langfristige Therapie, die auch Rückfälle einkalkuliert, sei essentiell. Die bewusste Entscheidung von Betroffenen, den inneren Schalter umzulegen und die Suchtmechanismen zu durchbrechen, sei der erste Schritt, dann gehe es darum, das Suchtgedächtnis zu schwächen, sagt der Direktor von HANDS. Bei stoffgebundenen Süchten wie Drogen- oder Alkoholabhängigkeit ist oft ein Entzug in einer Klinik notwendig, manchmal auch bei besonders schwerwiegenden Verhaltenssüchten. Die Therapie in der Einrichtung von HANDS bestehe dann darin, das Verlangen abzutrainieren, damit das Hirn die Sucht schließlich „verlernt“. Das erfordere viel Selbstdisziplin, aber das “Haus Rentsch” bietet dafür ein umfangreiches Angebot, von sportlichen Aktivitäten bis hin zu kreativen Workshops. Das Haus ist dafür mit Gruppenräumen und Werkstätten ausgestattet.

Der Verein HANDS betreut jährlich etwa 1.500 Menschen in Südtirol, die mit Alkohol-, Medikamenten- oder Glücksspielproblemen kämpfen. Die Suchtproblematik zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten, von erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmern bis hin zu Landesangestellten, Bauern und Alleinerziehenden. Viele versuchen, mit Alkohol, Medikamenten oder Glücksspiel schwere Schicksale zu bewältigen.

Leider seien in der Bevölkerung immer noch veraltete Vorstellungen von Therapieeinrichtungen der 1970-er Jahre als autoritäre Systeme präsent. Bruno Marcato betont, dass sich die Therapie-Gemeinschaften in den vergangenen Jahrzehnten zu Orten der Heilung entwickelt haben, wo Patienten aktiv am Wandel mitwirken.

Der Konsum beeinflusst jeden Bereich des Lebens – von der Arbeit über die Freizeit bis hin zu den zwischenmenschlichen Beziehungen. In der Therapiegemeinschaft überdenken die Menschen nicht nur ihren Konsum, sondern ihren gesamten Lebensstil. Sie üben, ihren Alltag neu zu gestalten, Mahlzeiten zu planen und mit Herausforderungen umzugehen. „Unser Ziel ist es, Selbstpflege zu erlernen“, sagt Bruno Marcato. Durch Aktivitäten, Gruppensitzungen, gesunde Routinen und die Pflege des Wohnumfelds wird dies gefördert. „Manche ehemalige Patientinnen und Patienten verschwinden aus unserem Blickfeld, andere kehren nach Jahren der Stabilität in Krisenzeiten wieder zurück und manche kämpfen unermüdlich weiter“, beschreibt der Direktor von HANDS den Kontakt der Einrichtung zu Betroffenen. Zwar gelinge nicht jedem der dauerhafte Ausstieg, doch viele zeigen Mut zur Veränderung und haben Durchhaltevermögen, überwinden ihre Scham und streben nach neuen Lebensperspektiven.

Bezirk: Bozen