Von: APA/dpa/Reuters
Nach dem russischen Angriff auf die ostukrainische Stadt Sumy mit mindestens 34 toten Zivilisten reißt der Sturm der Empörung nicht ab. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte dazu, dass russische Truppen ein Treffen ukrainischer Offiziere in Sumy mit zwei Iskander-Raketen beschossen und dabei 60 ukrainische Soldaten getötet hätten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lud indes US-Präsident Donald Trump zu einem Besuch in die Ukraine ein.
Trump sprach am Sonntag von “einer schrecklichen Sache”. “Ich denke, es war schrecklich”, sagte Trump an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One. “Mir wurde gesagt, dass sie einen Fehler gemacht haben. Aber ich denke, es ist eine schreckliche Sache. Ich denke, der ganze Krieg ist eine schreckliche Sache”. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Brian Hughes, sagte, der Raketenangriff sei “eine klare und brutale Erinnerung daran”, dass Verhandlungen nötig seien, “um diesen schrecklichen Krieg zu beenden”.
Ordensverleihung an Soldaten in Unigebäude
Weder Trump noch das Weiße Haus erwähnten in ihrer Kritik Russland namentlich. US-Außenminister Marco Rubio hatte allerdings zuvor den “Opfern des heutigen schrecklichen russischen Raketenangriffs auf Sumy” sein Beileid ausgesprochen. Die russische Armee hatte das unweit der Grenze gelegene Sumy nach ukrainischen Angaben mit zwei ballistischen Raketen beschossen. Nach Angaben der Rettungskräfte der Stadt wurden bei der Attacke am Sonntag mindestens 34 Zivilisten getötet und weitere 117 verletzt, darunter 15 Kinder.
Mehr als 60 ukrainische Soldaten vom Kommando der Truppen in der Nordostukraine seien getötet worden, behauptete das russische Verteidigungsministerium in einer Mitteilung. Von ukrainischer Seite gab es keinen Hinweis auf ein Treffen von Kommandanten. Angaben über mögliche eigene Verluste macht die ukrainische Armee grundsätzlich nicht. In der Ukraine gab es jedoch Kritik daran, dass am Sonntagvormittag im Festsaal der Universität eine Feier mit Ordensverleihung für verdiente Soldaten veranstaltet worden sei. Dies sei ein Sicherheitsrisiko gewesen. Die dort versammelten Soldaten wurden nach ukrainischen Angaben nicht verletzt.
Der Angriff erfolgte zwei Tage nach einem Treffen des US-Sondergesandten Steve Witkoff mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Kreml bezeichnete das Treffen am Montag als äußerst “nützlich und effektiv”. Trump war nach dem Beginn seiner zweiten Amtszeit zunächst deutlich auf Russland zugegangen und hatte Gespräche mit ukrainischen und russischen Vertretern in Saudi-Arabien in die Wege geleitet. Vor dem Besuch Witkoffs in Moskau hatte er den Kreml aber zu mehr Entgegenkommen aufgefordert.
EU-Außenbeauftragte fordert maximalen Druck auf Russland
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas rief nach dem Angriff auf Sumy zu “maximalem Druck” auf Russland auf, um ein Ende des Krieges herbeizuführen. “Es braucht zwei, um Frieden zu wollen”, sagte Kallas am Montag vor der Presse bei ihrer Ankunft zu einem Treffen der EU-Außenminister. Später teilte sie mit, dass die Europäische Union eine Verschärfung ihrer Sanktionen gegen Russland vorberiete. EU-Vertreter arbeiten an einem 17. Sanktionspaket, so Kallas. Das Maßnahmenbündel soll demnach beim EU-Außenministertreffen im Mai auf den Tisch kommen.
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) sprach vor dem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen in Luxemburg von einem “brutalen Angriff gestern in der Ukraine, der aufs Schärfste verurteilt wurde”. Nun sei es über einen Monat her, dass die Ukraine sich in Jeddah zu einem umfassenden Waffenstillstand bereit gezeigt habe. Der Ball liege seitdem bei Russland; dieses setze aber “in einer ungeachteten Brutalität den Krieg” fort. Die Entwicklungen zeigten, dass Moskau diese Zeit nur nutze, um weitere militärische Fortschritte zu machen. Das sollte “auch für die USA klar sein”, die eine Vermittlerrolle einnehmen wollen. “Wir wollen einen Frieden, aber nicht einen Diktatfrieden”, bekräftigte sie.
Putin verspottet nach Ansicht von Polens Außenminister Radoslaw Sikorski den guten Willen der USA. Er hoffe, dass Trump und seine Regierung dies erkennen würden, sagte Sikorski. “Die Ukraine hat vor über einem Monat einer Waffenruhe zugestimmt, ohne Bedingungen zu stellen. Die abscheulichen Angriffe auf Krywyj Rih und Sumy sind Russlands spöttische Antwort”, erklärte Sikorski in Luxemburg.
“Satanische Tat”
UNO-Generalsekretär António Guterres zeigte sich “zutiefst schockiert” und wies auf ein “verheerendes Muster ähnlicher Angriffe auf ukrainische Städte in den letzten Wochen” hin. “Angriffe auf Zivilisten sind nach internationalem Recht verboten und müssen sofort beendet werden”, erklärte Guterres auf der Plattform X. Der designierte deutsche Kanzler Friedrich Merz sagte, es handle sich “eindeutig um ein schweres Kriegsverbrechen”.
Auch Kirchenvertreter verurteilten den Raketenangriff auf Zivilisten in Sumy, die sich zum Palmsonntag versammelt hatten. Die Menschen seien getötet worden, als sie gerade beten wollten, sagte der Vatikanbotschafter in Kiew, Erzbischof Visvaldas Kulbokas, dem Portal Vatican News, wie Kathpress meldete. Das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche der Ukraine, Metropolit Epiphanius, hatte zuvor in Sozialen Medien von einer “satanischen Tat” gesprochen, die das “russische Reich des Bösen” begangen habe.
Selenskyj fordert Trump auf, in Ukraine zu reisen
Selenskyj forderte Trump nun auf, in die Ukraine zu reisen, um sich ein Bild der durch den russischen Angriffskrieg verursachten Zerstörung zu machen. “Bitte, vor irgendwelchen Entscheidungen, irgendwelchen Verhandlungen, kommen Sie und sehen sich die Menschen, Zivilisten, Soldaten, Krankenhäuser, Kirchen, Kinder an, die zerstört oder tot sind”, sagte der ukrainische Präsident dem US-Sender CBS. “Sie werden verstehen, was Putin getan hat”, sagte er. CBS zeichnete das Interview mit Selenskyj bei einem Besuch in dessen Heimatstadt Krywyj Rih auf. Dort hatte ein russischer Raketentreffer am 4. April 19 Menschen getötet, darunter neun Kinder und Jugendliche.
Selenskyj sagte, bei seinem Besuch im Weißen Haus Ende Februar habe er “versucht zu erklären, dass man nicht nach etwas in der Mitte suchen kann. Es gibt einen Aggressor, und es gibt ein Opfer.” Selenskyj sagte: “Putin wollte den Krieg nie beenden. (…) Er will uns komplett zerstören.”
Kreml will mit USA Bilanz ziehen
Das russische Verteidigungsministerium seinerseits warf der ukrainischen Führung vor, Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Das russische Präsidialamt erklärte zudem, die russischen Truppen griffen nur militärische oder militärisch relevante Ziele an.
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte vor Journalisten am Montag, Russland wolle sich in Washington über angebliche Verstöße der Ukraine gegen den Stopp wechselseitiger Angriffe auf Energieanlagen beschweren. Ein 30-tägiges Moratorium auf solche Angriffe laufe am Mittwoch, 16. April, aus, sagte Peskow in Moskau, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS meldete. Ob Moskau sich über diesen Tag hinaus an die Teilwaffenruhe halten werde, müsse dann Putin entscheiden.
Nach einem Telefonat Putins mit Trump am 18. März hatte der Kreml mitgeteilt, dass Russland sich für 30 Tage an einen Stopp wechselseitiger Angriffe auf Energieanlagen halten werde. Auch die Ukraine erklärte sich dazu bereit. Seitdem werfen beide Seiten einander fast täglich Verstöße gegen das Moratorium vor.
Vier Tote bei Angriffen in Charkiw
Im ostukrainischen Gebiet Charkiw wurden Behördenangaben zufolge mindestens vier Menschen durch russischen Beschuss getötet. Ein Mann und eine Frau kamen durch russische Artillerie in der Stadt Kupjansk ums Leben, wie Militärgouverneur Oleh Synjehubow mitteilte. Zudem töteten Geschosse russischer Mehrfachraketenwerfer demnach eine Frau und einen Mann in der Siedlung Schewtschenkowe westlich von Kupjansk.
In der Nacht hatte Russland die Ukraine mit 62 Drohnen attackiert, teilte das dortige Militär mit. 40 Drohnen seien abgeschossen worden, elf weitere mit elektronischer Luftabwehr abgefangen. In der Schwarzmeer-Hafenstadt Odessa wurden bei einem Drohnenangriff den Behörden zufolge mindestens sieben Menschen verletzt. Mehrere Häuser und eine medizinische Einrichtung seien beschädigt worden. In der südlichen Region Saporischschja sei eine Tankstelle in Brand geraten. Zudem sei in der zentralen Region Dnipropetrowsk ein Mann durch russischen Artilleriebeschuss verletzt worden.
Russland seinerseits gab bekannt, in der Nacht 52 ukrainische Drohnen zerstört zu haben. Allein 33 Drohnen seien über der Grenzregion Brjansk abgeschossen worden, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Zehn weitere Drohnen seien über der südwestlichen Region Orel und die anderen über den Regionen Kursk, Tula, Kaluga und Belgorod abgefangen worden. Außerdem habe die Ukraine am Sonntag acht Angriffe auf die russische Energieinfrastruktur verübt, teilte das Verteidigungsministerium laut der Nachrichtenagentur RIA Novosti mit.
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