Von: apa
Die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer hofft, dass die Grünen bei der EU-Wahl “so stark wie möglich” sind und ihre Abgeordnetenzahl halten: “Drei Mandate sind natürlich das Ziel”, sagte sie im APA-Interview. Über die Spitzenkandidatur werde beim Bundeskongress im Februar entschieden. Klimaaktivistin Lena Schilling sei “eine beeindruckende Person”, meinte Maurer, fügte aber an: “Es gibt auch andere Menschen.” ÖVP und SPÖ sieht sie “in einem teilweise bedauernswerten Zustand”.
Wer die Grünen in die EU-Wahl im kommenden Juni führen wird, ist nach einigen prominenten Absagen aus den eigenen Reihen noch nicht bekannt. APA-Informationen zufolge gilt Klimaaktivistin Schilling als Favoritin. Maurer verwies dazu auf den Bundeskongress der Grünen am 24. Februar. “Es gibt viele verschiedene Optionen. Und dass Lena Schilling eine beeindruckende Person ist, ist unbestritten. Es gibt auch andere Menschen”, sagte die Klubobfrau.
Bei der EU-Wahl werde es nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern darum gehen, einen “Rechtsrutsch zu verhindern”. Die Grünen wollen “so stark wie möglich” werden. 2019 erreichten die Grünen mit einem leichten Minus 14,1 Prozent. “Wir haben jetzt drei Mandate, und drei Mandate sind natürlich das Ziel.”
Einmal mehr bekräftigte Maurer, dass die Nationalratswahl im Herbst stattfinden soll und nicht vorgezogen wird: “Wir sind gewählt für fünf Jahre und die Bürgerinnen und Bürger erwarten sich zu Recht von uns, dass wir arbeiten. Das tun wir sehr engagiert, wir haben ein sehr erfolgreiches Jahr hinter uns”, meinte Maurer. “Wir gedenken das auch so fortzusetzen, auch im nächsten Jahr. Und (ÖVP-Klubchef) August Wöginger und ich sind uns völlig einig, dass wir im September nächsten Jahres wählen.” Türkis-Grün habe “allen Unkenrufen zum Trotz” sehr viele Dinge weitergebracht, erinnerte Maurer etwa an die “ökosoziale Steuerreform”, die Abschaffung der Kalten Progression, das Klimaticket und Maßnahmen gegen Korruption.
Einen Korb beim Koalitionspartner haben sich die Grünen zuletzt mit ihrer Forderung geholt, variabel verzinste Immokredite rückwirkend in fix verzinste umwandeln zu können. “Wir haben in Österreich im Vergleich zu ganz Resteuropa den höchsten Anteil an variablen Krediten und das ist nicht erklärbar, außer die Banken haben nicht gut beraten – und dafür gibt es viele Indizien”, sieht Maurer eine “Konsumentinnenschutzfrage”. Die Zinslast sei “erdrückend”, die Banken hätten auch “fette Gewinne gemacht, nicht zuletzt auch aufgrund dieser Beratungslage, und die sollen dafür jetzt auch Verantwortung übernehmen”, fordert Maurer. “Ich finde es ehrlich gesagt zynisch, wenn man jetzt sagt: Pech gehabt, selber schuld, man hat das Risiko halt falsch eingeschätzt und jetzt muss man halt die Konsequenzen tragen in einer Situation, wo die Banken falsch beraten haben.”
Dass man damit jene belohnen würde, die mit einem variablen Kreditzins auf niedrige Zinsen spekuliert haben, wies Maurer zurück: “Es geht hier nicht um Spekulation, das ist keine Frage von Roulette oder Casino”, sondern von “Familien, die sich den Traum vom Eigenheim erfüllt haben”. Es würde auch niemand besser gestellt. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr hatte unter anderem angemerkt, dass nicht hilfsbedürftig sei, wer ein Eigenheim finanziere. Die Grünen hätten in der Regierung sehr darauf geachtet, dass insbesondere jene mit niedrigen Einkommen unterstützt werden, “aber wir haben auch eine Verantwortung für den Mittelstand”, konterte Maurer.
Nicht einer Meinung mit der ÖVP ist Maurer auch, was die Wünsche zur Stärkung von Beschuldigtenrechten betrifft. Der Vorstellung des Koalitionspartners, nun mit der vom Verfassungsgerichtshof angeordneten Reform der Handysicherstellung gleich auch Überwachungsmöglichkeiten von Messenger-Diensten zu schaffen, erteilte Maurer eine Absage. Das seien “Überwachungsfantasien”. Einen Bundestrojaner “wird es mit uns ganz sicher nicht geben”. Und auch ein Zitierverbot aus Akten “wird es mit uns nicht geben”, “wir sind da eindeutig auf der Seite der Journalistinnen und Journalisten”.
Mit den zwei bevorstehenden U-Ausschüssen – einer von Rot und Blau gegen die Volkspartei und ein “Retourkutschen-Ausschuss der ÖVP”, wie Maurer ihn nennt – hat die Klubobfrau keine rechte Freude. “Unser Eindruck ist, dass drei Parteien eine große Schlammschlacht vorbereiten.” Die Grünen würden natürlich “seriöse Aufklärungsarbeit” betreiben, versicherte Maurer. Das Zustandekommen dieser Ausschüsse und der Fokus seien “allerdings schon befremdlich”.
Überhaupt sieht Maurer SPÖ und ÖVP “in einem teilweise bedauernswerten Zustand” – “sie waren staatstragende Parteien, und das sind sie derzeit aus meiner Perspektive nicht”. Beide hätten “den Kompass ein bisschen verloren”. Die ÖVP sei “gebeutelt von den vielen Ermittlungen und Affären”, bei der SPÖ sei “unklar”, wohin sie gehe. Dabei wäre es, glaubt Maurer, eigentlich “eine gemeinsame Verantwortung”, FPÖ-Chef Herbert Kickl als Kanzler zu verhindern, denn dieser würde die Demokratie gefährden. “Die FPÖ bringt zwar die Menschen auf, und schafft es offensichtlich laut den Umfragen, Zuspruch zu bekommen. Aber die FPÖ hat noch keine einzige Lösung gebracht. Und es ist schon erstaunlich, dass Herbert Kickl so gegen das Polit-Establishment wettert, wo er doch selber ausschließlich politisches Establishment war, sein ganzes Leben lang”, meinte Maurer. “Das ist schon sehr verlogen.”
Die Grünen würden nach der Nationalratswahl gerne weiter regieren. In welcher Koalition am liebsten, ließ Maurer offen. “Ich glaube grundsätzlich, die Herausforderungen sind in jeder Konstellation unterschiedliche, aber es gibt sie immer. Also ich glaube nicht, dass das Regieren zwingend leichter wird, wenn man mit einem Partner arbeitet, der einem inhaltlich näher steht.” Landen die Grünen in der Opposition, will Maurer trotzdem in der Politik bleiben: “Ich werde antreten bei dieser Wahl und werde natürlich auch im Nationalrat arbeiten.” Man habe auch in der Vergangenheit aus der Oppositionsposition heraus Dinge verändern können, “und das kann genauso viel Spaß machen”. Maurer: “Ziel ist aber natürlich eine Regierungsbeteiligung”.
FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz reagierte seinerseits mit Kritik an den Grünen. Deren “wahres unsoziales Gesicht” zeige sich etwa “in der CO2-Strafsteuer, in der NoVA-Erhöhung oder in den Verteuerungen im Energie- und Lebensmittelbereich”, warf er der Partei in einer Aussendung vor, die Menschen zu belasten.