Alle warten auf seine Reaktion

Mehr als eine Blutfehde: Wird Kadyrow Putin gefährlich?

Samstag, 12. Oktober 2024 | 07:56 Uhr

Von: mk

Moskau – Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow hat ein Video veröffentlicht, in dem er drei russischen Politikern aus dem Nordkaukasus Blutrache schwört – angeblich, weil ein Mordanschlag auf ihn geplant worden sei. Kadyrows Reaktion ist allerdings mehr als nur eine barbarischer Handlung, sondern richtet sich direkt gegen Kreml-Despot Wladimir Putin.

Kadyrow galt bislang als enger Verbündeter des russischen Präsidenten, der weiter seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Um die Kontrolle Russlands über das unruhige Tschetschenien zu sichern, hat der Kreml Kadyrow freie Hand zu einer diktatorischen Herrschaft gegeben.

Seine Amtsführung ist geprägt von schweren Menschenrechtsverletzungen wie außergerichtlichen Tötungen und Folter von seinen Gegnern oder tschetschenischen Homosexuellen, Korruption und einem ausufernden Personenkult, was von der russischen Regierung geduldet wird. Nicht umsonst trägt er den Spitznamen “Putins Bluthund”. Seit Oktober 2022 ist er zudem Generaloberst der russischen Streitkräfte.

Der Machtkampf innerhalb der russischen Militärführung ist allerdings immer noch nicht ausgestanden. Die Konflikte nutzt Putin teilweise, um mögliche aufstrebende Konkurrenten in Schach zu halten. Das Gleichgewicht ist jedoch sehr empfindlich.

In einer Rede vor Offizieren des Sicherheitsapparates in Grosny in der islamisch geprägten Teilrepublik Tschetschenien beschuldigte Kadyrow, die drei Politiker hätten geplant, ihn von einem Killer töten lassen zu und sich konkret darüber informiert, wie viel ein Auftragsmord koste. Anstatt zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten – wie dies in zivilen Ländern üblich ist –, schwor Kadyrow öffentlich Blutrache. Das Video der Rede postete er auf Telegram.

Geschäftlicher Konflikt als Hintergrund

Hintergrund ist Medienberichten zufolge ein geschäftlicher Konflikt um Russlands größten Online-Händler Wildberries. Dieser mündete im September in Moskau in eine Schießerei, bei der zwei Menschen starben.

Kadyrows Drohungen richteten sich gegen zwei Politiker aus der Nachbarrepublik Dagestan: Sulejman Kerimow ist Senator im russischen Föderationsrat, während Riswan Kurbanow Abgeordneter in der Staatsduma in Moskau ist. Als Dritten nannte Kadyrow den Duma-Abgeordneten Bekchan Barachojew aus der Nachbarrepublik Inguschetien.

Um das Online-Kaufhaus Wildberries, das einen Milliardenumsatz verbucht, streiten sich Firmengründerin Tatjana Kim und ihr Noch-Ehemann Wladislaw Bakaltschuk, der im September versuchte, sich gewaltsam Zugang zur Firmenzentrale zu verschaffen. Während Kerimow aus Dagestan in dem Streit auf der Seite der Firmengründerin steht, unterstützt Kadyrow den Ehemann.

Putin wird herausgefordert

„Zar“ Putin muss als autoritärer Führer nun als eine Art Richter in diesem Fall fungieren. Dass alle auf seine Reaktion warten, darüber ist er sich im Klaren.

Kadyrovs Aussage über Blutrache kann gleichzeitig als Versuch interpretiert werden, sich Putins Macht indirekt mit “traditionellen Wegen” entgegenzustellen und ihn dadurch herauszufordern.

Putin hat Wildberries an Kerimov versprochen. Diesen muss er nun schützen und gleichzeitig Kadyrov “zufrieden stellen”. Putins Ruf wird davon abhängen, wie er reagiert.

Wie man beim Tod vom Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, sehen konnte, handelte Putin nicht unmittelbar nach dessen Aufstand. Stattdessen ließ er Zeit verstreichen. Wendet er sich nun auch gegen Kadyrow?

Im Moment braucht Putin den Tschetschenführer noch. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass Kadyrow ausgeschaltet wird – vielleicht auf weniger demonstrative Weise wie im Fall Prigoschin. Vielmehr könnte Kadyrov einfach “Gesundheitsprobleme” haben.

Nikolaj Patruschew, der als Sekretär des Sicherheitsrats als einflussreicher Berater Putins und als Scharfmacher im Krieg gegen die Ukraine galt, war im Mai im Zuge einer Kabinettsumbildung abgesetzt worden. Viele sagen, dass damit das Amt eines Koordinators in Sicherheitsfragen in Russland verschwunden sei. Nun müssen alle direkt an Putin berichten. Das bedeutet, dass seine nächsten Gefolgsleute ad hoc zusammen arbeiten müssen.

Putin hat damit einerseits mehr Handlungsfreiheit, andererseits kann dies auch zu gewissen Unausgeglichenheiten im repressiven System führen. Damit wird das Machtgefüge in Russland voraussichtlich noch einmal instabiler.

Kommentare

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2 Kommentare auf "Mehr als eine Blutfehde: Wird Kadyrow Putin gefährlich?"


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OrtlerNord
OrtlerNord
Universalgelehrter
1 h 23 Min

Zwei Charakterelose Figuren die sich absolut moralisch und ethisch auf gleicher Augenhöhe befinden!
Wenn die Ukraine an den Möchtegernzar fällt wird von ihm auch so ein Bluthund installiert!
Dann in Moldawien, den baltischen Staaten und und und……
Alte Russische Tradition neu aufgelebt von Putin!!!

Doolin
Doolin
Kinig
1 h 17 Min

…Kriminelle haben sich eben gerne…

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