Von: luk
Meran – Bei der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Gemeinderats gestern Abend hat Bürgermeister Paul Rösch die Amtsperiode 2020-2025 unmittelbar nach seiner Vereidigung mit einer Antrittsrede eröffnet. Darin rief er die Mitglieder des Gemeinderats dazu auf, sich ihrer Verantwortung und ihrer Vorbildfunktion bewusst zu sein und kündigte an, die konstruktive Zusammenarbeit mit der Opposition auch in den kommenden Jahren fortsetzen zu wollen.
„Wir stehen am Beginn einer neuen Amtsperiode des Gemeinderats unserer Stadt. Und wir sollten uns kurz Zeit nehmen und diesen durchaus feierlichen Moment nutzen, um innezuhalten und uns bewusst zu machen, was das bedeutet – was der heutige Tag für uns ändert.
Was passiert heute? Ab heute sind wir, die von unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern in einer freien und geheimen Abstimmung vor wenigen Wochen gewählt wurden, die offiziellen Repräsentantinnen und Repräsentanten der Meraner Bevölkerung. Wir übernehmen damit Verantwortung für unsere Gemeinde, stehen im Namen der Gemeinschaft öffentlich ein für unsere Positionen und Überzeugungen.
Es ist nicht selbstverständlich, dass sich Leute für diese Aufgabe zur Verfügung stellen. Daher möchte ich mich zunächst bei euch allen für eure Bereitschaft und für euren Einsatz für die Stadt Meran bedanken. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch bei jenen, die zwar kandidiert haben, den Sprung in den Gemeinderat jedoch verpasst haben.
Was bedeutet Verantwortung?
Verantwortung zu übernehmen bedeutet einerseits, dass wir eine ganze Reihe von Entscheidungen treffen müssen, die oft schwieriger sind, als sie von außen auf den ersten Blick scheinen: über Projekte und Maßnahmen, über Ausgaben und Einnahmen, über unser Zusammenleben und die Zukunft unserer Stadt.
Verantwortung übernehmen wir gleichzeitig jedoch auch für die Art und Weise, wie in unserer Gemeinschaft politische Diskussionen ablaufen. Wir haben als Gewählte eine große Vorbildfunktion. An der Art, wie wir miteinander umgehen und diskutieren, orientieren sich auch die Meranerinnen und Meraner.
Ich rufe daher jeden und jede Einzelne dazu auf, sich diese Vorbildfunktion bewusst zu machen. Die Mitglieder des Gemeinderats repräsentieren diese Stadt und ihre Bevölkerung nicht nur während unserer gemeinsamen Sitzungen. Sie tun dies auch bei öffentlichen Auftritten abseits des Gemeinderats, im Gespräch mit anderen oder bei Wortmeldungen in den sozialen Medien.
Wir alle wollen etwas zum Wohl dieser Stadt beitragen, egal wie unterschiedlich unsere Ideen und Standpunkte auch sein mögen. Niemand von uns hat die Wahrheit für sich gepachtet, weder ich noch irgendjemand sonst in diesem Saal – so viel Demut muss sein. Umso wichtiger ist es, dass wir uns gegenseitig zuhören und zumindest ernsthaft versuchen, einander zu verstehen.
Der Schriftsteller Alberto Moravia hat einmal gesagt: „Diktaturen sind Einbahnstraßen. In der Demokratie gibt es Gegenverkehr.“
Unter dem Strich profitieren wir alle davon, wenn wir uns gerade im Gegenverkehr an ein paar grundlegende Regeln halten. Denn nur so können wir schlimme Unfälle vermeiden, die Schaden anrichten und Opfer fordern. Nur so bewahren wir die Werte, auf denen unsere Gemeinschaft aufbaut. Wir wollen in einer Stadt leben, in der man respektvoll miteinander umgeht, in der abweichende Meinungen akzeptiert und angehört werden und in der man auf Beleidigungen und Respektlosigkeiten auch dann verzichtet, wenn das Gegenüber eine andere Position vertritt als man selbst. Ab heute sind wir damit mehr als je zuvor verantwortlich.
Zusammenarbeit im Zeichen des Respekts
Als Bürgermeister habe ich mich in den vergangenen Jahren sehr darum bemüht, das Klima im Gemeinderat zu verbessern. Wir haben als Stadtregierung versucht, die Opposition miteinzubinden und mitreden zu lassen, indem wir ihre Vorschläge nicht von vornherein niedergestimmt, sondern sinnvolle Ideen und konstruktive Beiträge aufgenommen und gemeinsam weitergebracht haben.
Es ist meine feste Absicht, dies auch in den kommenden fünf Jahren beizubehalten. Und ich lade alle Mitglieder des Gemeinderats dazu ein, ihrer Verantwortung gerecht zu werden: die eigenen Ideen und Erfahrungen zum Wohle der Stadt einzubringen; nach bestem Wissen und Gewissen zu prüfen, zu entscheiden und auch sachlich zu kritisieren, wo es notwendig erscheint; und den guten Willen und die Ernsthaftigkeit unserer gemeinsamen Bestrebungen nicht durch Beleidigungen und respektloses Verhalten verächtlich zu machen.
Bei politischen Meinungsverschiedenheiten respektvoll miteinander umzugehen, gehört für mich zu einer reifen politischen Kultur. Ich glaube, dass wir gemeinsam und über alle Parteigrenzen hinweg an der politischen Kultur der Stadt Meran weiterbauen können.
Der deutsche Soziologe Max Weber schrieb in seinem Essay „Politik als Beruf“ vor ziemlich genau 100 Jahren: „Man kann sagen, daß drei Qualitäten vornehmlich entscheidend sind für den Politiker: Leidenschaft – Verantwortungsgefühl – Augenmaß.“
Uns allen wünsche ich, dass wir in den kommenden fünf Jahren diese Qualitäten beweisen werden, und bedanke mich jetzt schon für die Zusammenarbeit.“