Von: mk
Meran – Den Klimawandel gibt es und die Folgen spüren wir bereits alle. Die Gemeinde Meran arbeitet deshalb an einer Anpassungsstrategie, mit der die Schäden und die Verwundbarkeit der Stadt und ihrer Bewohner verringert werden können. Eine Reihe von Maßnahmen wurde erarbeitet und letzten Freitag nochmals von Experten überprüft. „Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderung der modernen Gesellschaft. Es geht darum, dass wir uns an das mittlerweile Unvermeidbare anpassen, zwischen verschiedenen Interessen vermitteln und gemeinsam definieren, was gutes Leben wirklich ausmacht“, so Madeleine Rohrer, Stadträtin für Umwelt.
Die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen sind bereits spürbar – auch in Meran. Zum Beispiel durch die Ausbreitung der Tigermücke im Sommer, den Rückgang der Schneesicherheit im Winter oder den steigenden Stress für Stadtbäume durch Hitze und Trockenheit. Eurac Research, welche die Gemeinde Meran wissenschaftlich begleitet, hat festgestellt, dass in den letzten 30 Jahren in Meran die durchschnittlichen Temperaturen im Sommer um circa 1,5 Grad Celsius gestiegen sind und im Winter auch schon um etwas weniger als 1 Grad. Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft die Temperaturen weiter steigen werden, die Verfügbarkeit von Wasser im Sommer sinken wird und sommerliche Hitze und tropische Nächte zunehmen werden. Auch mit einer Zunahme von extremen Wetterereignissen wie Trockenperioden und Starkregenfällen ist zu rechnen.
Die Gemeinde muss auf diese veränderten Rahmenbedingungen rechtzeitig reagieren und eine Strategie erarbeiten, um die Risiken und Gefahren für die Stadt und ihre BewohnerInnen in Grenzen halten zu können. Zugleich bemüht sich die Gemeinde Meran, das von der internationalen Staatengemeinschaft definierte Ziel einzuhalten und den CO2-Ausstoß zu begrenzen, damit die weltweite Durchschnittstemperatur maximal 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit ansteigt.
Erarbeitung der Strategie
Eurac Research hat bereits Ende 2018 mit ExpertInnen aus den Bereichen Gesundheit, Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und biologische Vielfalt, Tourismus, Gebäude und Flächennutzung, Verkehr, Zivilschutz, Wasser und Energie Interviews geführt.
Auf Einladung des Amts für Umwelt haben im März 2019 rund 50 Fachleute für ihre jeweiligen Bereiche die Auswirkungen des Klimawandels im Gemeindegebiet von Meran geprüft und ihre Bedeutung für die Stadt bewertet. Eurac Research erarbeitete in den letzten Monaten zusammen mit der Verwaltung der Gemeinde Meran in weiteren Arbeitsgruppen, bestehend aus Fachpersonen u.a. mit Feuerwehr, Forst, Kurverwaltung, Bauernbund und Sozialsprengel einen Katalog an wichtigen Anpassungsmaßnahmen. Dazu kamen die Anregungen des Jugendparlaments zur Alpenkonvention (YPAC), das Ende März zum selben Thema in Meran tagte.
Letzten Freitag, 6. September, haben die Experten unter der Leitung von Eurac Research an einem abschließenden Workshop teilgenommen. Ihre Aufgabe: Aus einer Liste von über 30 möglichen Maßnahmen die dringendsten zu bestimmen und festzulegen, wer dafür zuständig ist und wie jede Maßnahme konkret umgesetzt werden kann.
Handlungsbedarf bei Stadtgrün, Zivilschutz und Senioren
In den Workshops und Expertengesprächen wurde deutlich, dass es für eine klimagerechte Planung erst einmal gute Daten braucht. Dazu zählt eine Hitzelandkarte, also ein Wärmebild, das die Hitzeinseln in der Stadt aufzeigt. Gerade in der Innenstadt gibt es viel graue Infrastruktur, wie Asphalt und Fassaden, die Wärme speichern und abgeben. Ähnlich verhält es sich mit der „blauen Infrastruktur“. Die Stadt Meran ist von einem weit verzweigten Netz von teilweise unterirdischen Kanälen durchzogen. Die Instandhaltung und Kontrolle dieser Kanäle liegt nicht in einer Hand.
Erforderlich wäre eine bessere Zusammenarbeit vor allem mit den Konsortien, der Wildbachverbauung des Landes und den Freiwilligen Feuerwehren. Dafür soll eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet werden. An Information fehlt es freilich nicht nur innerhalb der Gemeindeverwaltung, sondern auch in der Bevölkerung. Die Sensibilisierung der Bevölkerung ist eine der dringlichsten Aufgaben. Nur wer weiß, was in der eigenen Stadt und in der Umwelt passiert, kann Entscheidungen verstehen und sich danach richten.
Gemeinde Meran übernimmt Vorreiterrolle
Deutlich wurde am letzten Freitag nochmals die Bedeutung des Stadtgrüns, zum einen als Refugium für Tiere und Pflanzen, zum anderen für ein Mehr an Lebensqualität im öffentlichen Raum (z. B. Schatten, Speicherung von Wasser bei Starkregen). Bei Neugestaltung von Straßen und Plätzen sollten deshalb zusätzliche Bäume gepflanzt werden.
Von den Experten ebenfalls hervorgehoben wurden soziale Aspekte des Klimawandels: Hitzewellen führen bei älteren und besonders schwachen Menschen dazu, dass sie das Haus nicht verlassen können und so ihre alltäglichen Erledigungen wie Einkäufe vernachlässigen. Empfohlen wird daher, in den Stadtvierteln Strukturen einzurichten und über soziale Netzwerke Hilfe bereitzustellen, z. B. die Betreuung von Senioren durch Jugendliche.
Eurac Research wird nun zusammen mit der Gemeinde Meran in den nächsten zwei Monaten auf Grundlage der gesammelten Vorschläge eine Strategie ausarbeiten. Ende des Jahres werden sich die Stadtregierung und anschließend der Gemeinderat damit befassen. Die zu treffenden Maßnahmen sollten ihren Nutzen möglichst bereichsübergreifend entfalten, klimaschädliches CO2 einsparen (helfen) und Konflikte zwischen einzelnen Bereichen vermeiden, wie etwa jenen über die Nutzung von Wasser.
Die Gemeinde Meran nimmt bei der Ausarbeitung dieser Strategie eine Vorreiterrolle in Südtirol ein. “Noch keine andere Südtiroler Gemeinde hat einen genehmigten Strategieplan zur Anpassung“, sagt Marc Zebisch, Leiter des Instituts für Erdbeobachtung von Eurac Research.
Umfrage zur Mobilität: 800 Familien angeschrieben
Die Meraner Gemeindeverwaltung will von ihren Bürgern wissen, wie sie im Alltag mobil sind und was sie über Angebote wie Carpooling, Bike-Sharing oder selbstfahrende Busse denken. Dazu wird eine telefonische Umfrage durchgeführt.
„Damit wir zuverlässige Informationen haben, werden in den nächsten Monaten rund 800 Meraner Familien telefonisch vom beauftragten Forschungsinstitut Apollis befragt. Die Umfrage wird am Ende des Projekts MENTOR im Jahr 2021 wiederholt. Diese Informationen sind sehr wertvoll, um die Entwicklungen im Bereich Mobilität besser zu verstehen“, erklärte Ruth Lochmann, Projektleiterin von MENTOR.
In den nächsten Tagen werden die ausgewählten Haushalte per Post einen Brief von der Stadtverwaltung mit einem Informationsschreiben der Gemeinde und einem der Koordinatorin der Umfrage Alice Forlin erhalten.
“Die Adressen der Haushalte wurden zufällig aus dem Melderegister gezogen, die Erhebung wird telefonisch durchgeführt. Nachdem wir nicht für jeden Haushalt eine Telefonnummer vorliegen haben, bitten wir die betroffenen Familien, uns eine Handynummer eines Haushaltsmitglieds zukommen zu lassen. Wir werden diese Nummer ausschließlich für diese Untersuchung nutzen und nachher löschen”, schreibt Forlin.
“Alle Interviews sind natürlich streng anonym und werden ausschließlich für den Zweck der genannten Untersuchung verwendet. Wir bitten alle BewohnerInnen des Haushaltes über 15 Jahre an der Untersuchung teilzunehmen, um möglichst aussagekräftige Daten zu erhalten. Nur dadurch ist eine strategische Planung der Mobilität der Zukunft möglich. Durch ihre Mitarbeit unterstützen sie unser gemeinsames Bemühen um mehr Lebensqualität in der Stadt”, so Bürgermeister Paul Rösch und Mobilitätsstadträtin Madeleine Rohrer.