Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz braucht nur einen Partner

Merz will bis Ostern neue deutsche Regierung bilden

Montag, 24. Februar 2025 | 10:49 Uhr

Von: APA/AFP/Reuters

CDU-Chef Friedrich Merz hat nach dem Sieg der Union bei der deutschen Bundestagswahl am Sonntag Gespräche über die rasche Bildung einer Regierung unter seiner Führung angekündigt. Rechnerisch wäre eine Mehrheit mit der SPD möglich, die unter Bundeskanzler Olaf Scholz ihr bisher schlechtestes Ergebnis im Bund holte. Sie fiel hinter die AfD zurück, die bei der Wahl auf Platz zwei kam. Grüne und Linke sind ebenfalls im neuen Deutschen Bundestag vertreten, FDP und BSW nicht.

Merz strebt nun nach eigenen Worten eine rasche Übernahme des Amts des deutschen Bundeskanzlers an: “Ich habe den Wunsch, dass wir spätestens Ostern mit einer Regierungsbildung fertig sind.” Er wolle dabei mit allen “Parteien der demokratischen Mitte” sprechen. Führende SPD-Vertreter zeigten sich offen für Koalitionsgespräche mit der Union.

Scholz will Konsequenzen ziehen

Scholz deutete am Wahlabend persönliche Konsequenzen an. Bei möglichen Koalitionsgesprächen mit der CDU/CSU werde er “nicht der Verhandlungsführer der SPD” sein, sagte der bisherige deutsche Regierungschef in der ARD. Er stehe für kein anderes Regierungsamt zur Verfügung als für das Amt des Bundeskanzlers.

Noch am Abend der Wahl stellte die SPD erste personelle Weichen: Parteichef Lars Klingbeil soll zusätzlich die Führung der SPD-Bundestagsfraktion übernehmen. Dies habe das SPD-Präsidium bei einer Sitzung am Sonntagabend “einstimmig vorgeschlagen”, sagte Klingbeil in der ARD. Seine Co-Parteichefin Saskia Esken werde im Amt bleiben. Der bisherige Fraktionschef Rolf Mützenich trete nicht mehr an.

Lindner kündigt Abschied an

Der langjährige FDP-Chef Christian Lindner kündigte bereits am Wahlabend seinen Abschied aus der Politik an, nachdem seine FDP den Wiedereinzug in den Bundestag verpasste – nach 2013 zum zweiten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik. “Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus”, schrieb er im Onlinedienst X.

AfD-Chefin Alice Weidel wertete die massiven Zugewinne ihrer Partei als “historisches Ergebnis”. Damit habe sich die AfD “als Volkspartei nun fest verankert”. Weidel zeigte sich zu einer Regierungsbeteiligung bereit: “Unsere Hand wird immer ausgestreckt sein”, sagte sie. Weil alle anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen, wird die in Teilen rechtsextremistische Partei weiter in der Opposition bleiben.

Bei der Abstimmung über den 21. Deutschen Bundestag kam es zu massiven Verschiebungen in der Wählergunst. Größte Gewinnerin ist mit einem Zuwachs von 10,4 Prozentpunkten die AfD. Größte Verliererinnen sind mit einem Minus von über 9,2 Punkten die SPD und die FDP mit einem Minus von 7,1 Punkten.

BSW verfehlt Einzug knapp

Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge wurde die Union mit 28,5 Prozent stärkste Kraft. Es folgen die AfD mit 20,8 Prozent, die SPD mit 16,4 Prozent, die bisher mit der SPD regierenden Grünen mit 11,6 Prozent und die Linke mit 8,8 Prozent. Die FDP blieb mit 4,3 Prozent klar unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Das BSW will das Ergebnis der Bundestagswahl nun juristisch überprüfen lassen und es gegebenenfalls vor Gericht anfechten. Nur ein Bruchteil der Auslandsdeutschen habe an der Abstimmung teilnehmen können, erklärte Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht. Es stelle sich die Frage der Rechtmäßigkeit des Ergebnisses. Das BSW war mit 4,972 Prozent knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Laut Wagenknecht fehlten ihrer Partei rund 13.400 Stimmen, um in den Bundestag zu kommen.

Ergebnis für Habeck durchwachsen

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck bezeichnete das Ergebnis für seine Partei als “durchwachsen”. “Ich wollte mehr, wir wollten mehr”, sagte Habeck. Insbesondere der Linken sei es besser gelungen, bei “jungen, progressiven Leuten” zu punkten.

Linken-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek äußerte sich “unfassbar dankbar” über das Erstarken ihrer Partei, die unter den Erstwählern zur stärksten Kraft geworden war. Sie kündigte an, die Linke werde sich nun im Bundestag für politische Veränderungen einsetzen, “ob wir in der Opposition oder in der Regierung sind, ist egal”.

Neuaufstellung in der SPD erwartet

SPD-Chef Klingbeil stellte angesichts des schlechten Ergebnisses seiner Partei eine personelle Neuaufstellung in Aussicht. Er sprach von einer “Zäsur” und der Notwendigkeit eines “Generationenwechsels”. Verteidigungsminister Boris Pistorius, der als Anwärter auf hohe SPD-Ämter gilt, sprach von einem “niederschmetternden, katastrophalen Ergebnis”.

SPD-Co-Parteichefin Esken rief die Union auf, mit Kompromissbereitschaft auf ihre Partei zuzugehen: “Wenn das möglich ist, werden wir uns dieser Verantwortung nicht entziehen”, sagte sie im ZDF.

“Wir werden sicherlich intensive Verhandlungen haben, und danach werden wir sehen, ob es ausreichend Schnittmengen gibt”, sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch dem Sender Phoenix am Montag mit Blick auf Gespräche mit der Union. Mehrere CDU-Politiker erwarten aber, dass die SPD auf jeden Fall in eine Regierung mit der Union eintreten wird. “Die SPD ist eine alte Partei, die in der Vergangenheit große Verantwortung für unser Land übernommen hat”, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, vor der Sitzung des CDU-Präsidiums. “Es geht jetzt darum, Verantwortung für unser Land zu übernehmen.”

Bundestag wird verkleinert

Dem neuen verkleinerten Bundestag werden 630 Abgeordnete angehören. Auf CDU/CSU entfallen laut vorläufigem Endergebnis 208 Sitze. Gemeinsam mit der SPD (120 Sitze) käme sie im Bundestag auf eine Mehrheit. Die AfD erhält 152 Sitze, die Grünen 85 Sitze und die Linke 64 Sitze. Hinzu kommt ein Sitz für den Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der als Partei der dänischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Hürde befreit ist.

Die Wahlbeteiligung stieg stark an und erreichte 82,5 Prozent. Dies ist der höchste Wert seit der Wahl von 1987. Bei der letzten Bundestagswahl lag die Wahlbeteiligung bei 76,4 Prozent.

Neuer Bundestag konstituiert sich wohl Ende März

Der neue Bundestag dürfte nach Angaben der Parlamentsverwaltung voraussichtlich am 24. oder 25. März erstmals zusammenkommen. Traditionell werde die vom Grundgesetz für die Konstituierung vorgesehene Frist von maximal 30 Tagen nach der Wahl weitgehend ausgeschöpft, teilte die Pressestelle des Bundestags am Montag mit. Scholz bleibt nach den Vorgaben des Grundgesetzes bis zum Zusammentritt des neuen Bundestags regulär im Amt. Anschließend muss er auf Ersuchen des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier die Geschäfte so lange weiterführen, bis der neue Bundestag einen Kanzler gewählt hat. So schreibt es Artikel 69 des Grundgesetzes vor. Auch die Ministerinnen und Minister bleiben üblicherweise geschäftsführend im Amt.

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