Von: APA/Reuters/dpa/AFP
In Venezuela ruft die Opposition zu erneuten Protesten gegen die Regierung von Präsident Nicolas Maduro auf, der sie die Fälschung der Präsidentenwahl vorwirft. Bei den bisherigen Protesten gegen Maduro sind mindestens elf Menschen ums Leben gekommen. Unter den Opfern seien auch zwei Jugendliche, teilte die Menschenrechtsorganisation Foro Penal mit. Im ganzen Land seien 749 Demonstranten festgenommen worden, sagte Generalstaatsanwalt Tarek William Saab.
Zudem sei ein Mitglied des Militärs sei von einer Kugel tödlich getroffen worden, so die venezolanische Staatsanwaltschaft. Die Festgenommenen hätten unter anderem Polizeiwachen, Büros des Wahlamtes, Rathäuser und Krankenhäuser angegriffen. Ihnen werde Terrorismus, Aufstachelung zum Hass und die Blockade öffentlicher Straßen vorgeworfen.
Angesichts zahlreicher Hinweise auf Unregelmäßigkeiten und Manipulation erkennt die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) das offizielle Wahlergebnis in Venezuela nicht an. “Unter den aktuellen Umständen kann das vom Wahlamt verkündete Resultat und die Erklärung von Nicolás Maduro zum Sieger nicht anerkannt werden”, heißt es in einem Bericht der Wahlbeobachter des Staatenbunds.
“Liebe Venezolaner, morgen versammeln wir uns (…), um unsere Entschlossenheit zu demonstrieren, jede Stimme zu nutzen und die Wahrheit zu verteidigen”, appellierte Oppositionsführerin Maria Corina Machado am Dienstag. Am Montag war es bei Protesten in mehreren Städten zu Ausschreitungen gekommen.
Die Wahlleitung hatte Maduro am Montag mit 51 Prozent der Stimmen zum Wahlsieger erklärt und damit die Weichen für dessen dritte Amtszeit gestellt. Die Opposition geht dagegen auf Grundlage ihr zur Verfügung stehender Daten davon aus, dass ihr Kandidat Edmundo Gonzalez auf 73 Prozent der Stimmen gekommen ist.
In der Hauptstadt Caracas protestierten Tausende Menschen gegen das offizielle Wahlergebnis, die Polizei ging mit Tränengas und Schlagstöcken gegen die Demonstranten vor. In mehreren Städten versammelten sich Gegner der Regierung zu sogenannten Cacerolazos, bei denen auf Töpfe und Pfannen getrommelt wird. Straßen wurden blockiert. Stellenweise warfen Demonstranten Brandsätze auf Polizisten. In Coro, der Hauptstadt des Bundesstaates Falcon, jubelten Demonstranten, als sie eine Statue des verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez niederrissen. Chavez regierte von 1999 bis 2013 und war der Gründungsvater der sozialistischen Bewegung, die seit Jahren das Land regiert. Er war zudem Maduros Mentor.
Maduro sagte im Fernsehen, die Streitkräfte würden den Frieden bewahren. “Wir haben alle Gewalttaten verfolgt, die von der extremen Rechten verübt wurden”, kündigte der 61-Jährige an. Er wurde erstmals 2013 zum Präsidenten gewählt und 2018 im Amt bestätigt. Auch damals sprach die Opposition von Wahlfälschung. Eigentliche Chefin der Opposition ist derzeit Maria Corina Machado. Sie durfte bei der Wahl nicht kandidieren, deswegen wurde Gonzalez als Präsidentschaftskandidat aufgestellt, dessen Wahlkampagne sie leitete.
Costa Ricas Außenminister Arnoldo Andre hat am Dienstag mitgeteilt, dass die Regierung des zentralamerikanischen Landes sich darauf vorbereite, Oppositionsführerin Machado und Präsidentschaftskandidaten Gonzalez politisches Asyl oder den Flüchtlingsstatus zu gewähren. “Wir sind von Haftbefehlen gegen Maria Corina Machado und Edmundo Gonzalez informiert worden”, sagte Andre in einer Videobotschaft. Er sei darauf vorbereitet, ihnen und “allen anderen politisch verfolgten Menschen in Venezuela, besonders denen, die sich als Flüchtlinge in der argentinischen Botschaft in Caracas aufhalten”, Asyl zu gewähren.
Das umstrittene Wahlergebnis hat international scharfe Kritik ausgelöst. US-Präsident Joe Biden und sein brasilianischer Amtskollege Luiz Inacio Lula da Silva forderten Venezuela zur Offenlegung der Wahlergebnisse nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen auf. In einem Telefonat seien sich die beiden Staatschefs einig gewesen, dass das südamerikanische Land umgehend “vollständige, transparente und detaillierte Wahldaten” veröffentlichen müsse, teilte das US-Präsidialamt am Dienstag mit. Biden und Lula betonten die Bedeutung des venezolanischen Wahlergebnisses für die Demokratie in der westlichen Hemisphäre. Beide Präsidenten vereinbarten, sich in dieser Angelegenheit weiterhin eng abzustimmen.
Die USA und andere westliche Staaten äußerten bereits zuvor Zweifel und forderten eine Neuauszählung der Stimmen, so wie auch einige südamerikanische Länder. Unabhängige Nachwahlbefragungen deuteten auf einen Erdrutschsieg der Opposition hin. Maduro wies die Bedenken der Opposition als Putschversuch zurück.
Unterstützung erhielt die autoritäre Regierung in Caracas hingegen von ihren Verbündeten in Russland, China, Kuba und Nicaragua. Moskau forderte die Opposition in Venezuela auf, ihre Niederlage einzugestehen und den Sieg Maduros anzuerkennen. “Natürlich ist es sehr wichtig, dass diese Versuche, die Lage in Venezuela zu verschärfen, nicht von Drittstaaten angeheizt werden und Venezuela von äußerer Einmischung frei bleibt”, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.
UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk zeigte sich besorgt über die Gewalt. “Ich bin beunruhigt über Berichte über die unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt durch Sicherheitskräfte und bewaffnete Gruppen, die die Regierung unterstützen”, hieß es in einer Stellungnahme. “Ich fordere die Regierung auf, das Recht aller Venezolaner zu respektieren, sich zu versammeln, friedlich zu protestieren und ihre Meinung frei und ohne Angst zu äußern.”
Das Land mit reichen Erdölvorkommen befindet sich seit Jahren in einer schweren wirtschaftlichen und humanitären Krise. Das südamerikanische Land leidet unter Missmanagement und Korruption. Rund acht Millionen Menschen haben Venezuela nach UNO-Angaben in den vergangenen Jahren wegen Armut und Gewalt verlassen. Vier Jahre lang herrschte eine sechsstellige Hyperinflation von bis zu 130.000 Prozent. Dies zehrte die Ersparnisse auf und verknappte die Grundversorgung. Im vergangenen Jahr ging die jährliche Inflation auf etwa 50 Prozent zurück, da die Regierung die Kreditvergabe einschränkte, den Wechselkurs stabil hielt und die öffentlichen Ausgaben einschränkte. Viele Arbeitnehmer kritisierten aber, dass ihre Gehälter nicht mit den hohen Preisen für Lebensmittel und andere Waren Schritt halten konnten.
“Wir haben es mit einem Staatsstreich zu tun, der von den faschistischen Kräften der extremen Rechten mit Unterstützung der imperialen Kräfte, des US-Imperialismus, angezettelt wurde”, sagte Verteidigungsminister Vladimir Padrino López. “Wir werden diesen Staatsstreich vereiteln.”
González rief die staatlichen Sicherheitskräfte zur Zurückhaltung auf. “Hört auf, friedliche Demonstrationen zu unterdrücken”, sagte er in einer Videobotschaft. “Ihr wisst, was am Sonntag passiert ist, erfüllt euren Eid. Die Verfassung steht über allen. Die Venezolaner wollen Frieden und Respekt vor dem Volkswillen.